Die internationale Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat ihre Sorge um die Zivilisten in der Stadt Goma im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) zum Ausdruck gebracht, nachdem M23-Rebellen Berichten zufolge die Kontrolle über die Stadt übernommen haben. Die Einnahme von Goma durch die Rebellengruppe bedroht die Zivilbevölkerung und könnte zu weiteren Vertreibungen führen, so die Menschenrechtsorganisation.
Kämpfe zwischen der Rebellengruppe Mouvement du 23 mars (M23) und der kongolesischen Armee haben nach Angaben der Vereinten Nationen seit Jahresbeginn mehr als 400.000 Menschen in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu vertrieben. Hunderte Zivilisten wurden in den letzten Wochen getötet und verletzt.
Während die Kämpfe zwischen den M23-Rebellen und den Regierungstruppen weitergehen, verlegen einige humanitäre Organisationen ihr Personal, weil sie sich nicht mehr sicher fühlen. Angesichts der anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen in Goma berichten Hilfsorganisationen vor Ort von Beschuss, Schießereien und Plünderungen, auch im Stadtzentrum, was zu Panik und Vertreibungen führt.
Ein hochrangiger UN-Vertreter in der Demokratischen Republik Kongo sagte am Montag, dass die Kämpfe zwischen den von Ruanda unterstützten Rebellen und der kongolesischen Armee um die wichtige Provinzhauptstadt „noch nicht vorbei“ seien, obwohl die Rebellen behaupteten, die Stadt Goma eingenommen zu haben.
„Die Kämpfe dauern noch an“, sagte Bruno Lemarquis, UN-Koordinator für humanitäre Hilfe in der DRK. „Die Situation ist sehr, sehr instabil. Es ist eine sehr gefährliche Situation.“
Er teilte Reportern in New York per Videoschaltung aus Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, mit, dass sich „aktive Kampfzonen auf alle Stadtteile“ von Goma ausgebreitet hätten. Lemarquis zufolge sind Wasser-, Strom-, Internet- und Telefondienst erheblich eingeschränkt worden. Humanitäre Lagerhäuser wurden geplündert.
Lemarquis beschrieb Szenen von Massenvertreibung und Gewalt.
„Die Zivilbevölkerung ist die Hauptleidtragende der eskalierenden Feindseligkeiten“, sagte er, wobei schweres Artilleriefeuer "auf das Stadtzentrum" und ein Entbindungskrankenhaus gerichtet ist.
Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) berichtete am Montag, dass humanitäre Hilfsorganisationen trotz der schwierigen Umstände weiterhin lebensrettende Maßnahmen in der Stadt durchführen.
In Goma, einer Stadt mit normalerweise etwa 2 Millionen Einwohnern, leben derzeit etwa 3 Millionen Menschen, darunter 1 Million Binnenvertriebene. Schätzungen zufolge sind mehr als 1,5 Millionen davon Kinder.
Die von Ruanda unterstützten Rebellen gaben am Wochenende bekannt, dass sie die Kontrolle über Goma, die größte Stadt der Region und Hauptstadt von Nord-Kivu, übernommen haben. Einwohner von Goma im Osten der DR Kongo teilten am Montag Videos, in denen M23-Rebellen in Teilen der Stadt patrouillieren.
Die Rebellengruppe M23 begann vor einigen Wochen mit einer Offensive zur Eroberung von Goma und nahm Gebiete nahe der Grenze zu Ruanda ein, das bekanntermaßen die M23 unterstützt – was die Regierung in Kigali bestreitet.
Berichten zufolge sind zahlreiche ruandische Truppen von Ruanda aus über die Grenze gekommen, um die Offensive der M23 zu unterstützen, was die Befürchtung eines umfassenden Krieges zwischen den beiden ostafrikanischen Nachbarn schürt. Ruanda hat seine Unterstützung für die M23 im Jahr 2024 verstärkt, und ruandische Truppen kämpfen laut einer Gruppe von UN-Experten bereits an der Seite der M23 im Osten der DRK.
Am 4. Januar eroberte die M23 die Stadt Masisi in Nord-Kivu, nachdem sie am 2. Januar eine Offensive gestartet hatte, die gegen das im vergangenen Juli zwischen der Demokratischen Republik Kongo und dem Nachbarland Ruanda unterzeichnete Waffenstillstandsabkommen verstieß.
Am 21. Januar übernahm die bewaffnete Gruppe die Kontrolle über die Stadt Minova. Am 23. Januar eroberte die M23 dann die Stadt Sake, etwa 25 Kilometer von Goma entfernt.
Einige Mitglieder der kongolesischen Armee und der mit ihr verbündeten Wazalendo-Miliz sind Berichten zufolge aus der Stadt geflohen. Die Vereinten Nationen in Goma gaben an, Männer in kongolesischen Uniformen und in Zivilkleidung empfangen zu haben, die ihre Waffen abgegeben hatten.
Human Rights Watch äußerte sich besorgt über die Sicherheit der Zivilbevölkerung von Goma, unter denen viele in die Stadt geflohen seien, um der Gewalt und Misshandlung durch die zahlreichen bewaffneten Gruppen im Ostkongo, darunter die M23, zu entkommen.
Clementine de Montjoye, leitende Analystin bei Human Rights Watch, erklärte gegenüber VOA, dass die Sorge von Menschenrechtsgruppen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) um die Zivilbevölkerung so groß wie nie zuvor sei.
„Wir haben ausführlich dokumentiert, wie sie Menschen hingerichtet haben“, sagte sie. “Es gab Fälle von Vergewaltigungen, Gruppenvergewaltigungen, willkürlichen Verhaftungen und Erpressungen, und letzte Nacht hörten wir Berichte über Plünderungen in Goma durch die bewaffnete Gruppe Wazalendo.“
Montjoye fügte hinzu, dass „die M23 gleichzeitig eine lange Geschichte von Übergriffen auf die Zivilbevölkerung hat, und seit dem Wiederaufleben der M23 [...] haben wir dokumentiert, wie sie Menschen hingerichtet haben, die sie beschuldigen, die kongolesische Armee oder die kongolesische Regierung zu unterstützen.“
Rose Tchwenko, die Landesdirektorin von Mercy Corps in der Demokratischen Republik Kongo, berichtete gegenüber VOA, dass die humanitäre Organisation die Situation seit letzter Woche, als Regierungstruppen und M23 in und um Goma kämpften, genau beobachtet.
„Seit dem Fall von Minova am Mittwoch vergangener Woche, gefolgt vom Fall von Sake, die wichtige Versorgungsrouten nach Goma darstellen, sah die Lage mit der bevorstehenden Übernahme oder dem Einfall der Rebellen in Goma selbst etwas düsterer aus“, sagte sie.
„Wir haben einige Entscheidungen getroffen, zunächst einmal, nicht unbedingt notwendiges Personal abzuziehen und unsere Teams von dort zurückzuziehen, wo es nicht mehr sicher war, weiterhin humanitäre Hilfe zu leisten.“
Doch das änderte sich schnell, als die Lage in der Hauptstadt der Provinz Nord-Kivu an der Grenze zu Ruanda immer instabiler wurde.
„Am Sonntag, als der Konflikt um Goma eskalierte, mussten wir sogar das Führungsteam nach Gisenyi (auf der anderen Seite der Grenze in Ruanda) evakuieren, damit wir weiterarbeiten und unseren Teams im ganzen Land die notwendige Unterstützung bieten können“, sagte sie und wies darauf hin, dass die Lage sehr ernst sei.
„Seit gestern wissen wir, dass der Flughafen in Goma geschlossen ist und unter der Kontrolle der M23 steht“, sagte sie.
„Wir haben Berichte über sporadische Kämpfe im gesamten Zentrum der Stadt Goma gehört. Einige von uns auf dieser Seite der Grenze konnten tatsächlich irgendwann in der Nacht Schüsse [hören]. Wir sind uns der Anwesenheit der M23 in Goma bewusst, wissen aber immer noch nicht, wie die tatsächliche Situation aussieht.“
Mindestens 13 internationale Friedenssoldaten wurden getötet, bei dem Vormarsch der M23-Rebellen auf Goma letzte Woche. Drei UN-Friedenssoldaten starben, und sieben südafrikanische Soldaten und drei aus Malawi, die in einer separaten Mission der Entwicklungsgemeinschaft des südlichen Afrika (SADC) dienten, wurden ebenfalls getötet, wie UN- und südafrikanische offizielle Stellen mitteilten.
UN-Generalsekretär António Guterres hat die M23 aufgefordert, die Feindseligkeiten einzustellen und sich aus den besetzten Territorien im Osten des Kongo zurückzuziehen.
Nach einer Dringlichkeitssitzung am Sonntag veröffentlichte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine Erklärung des Präsidenten, in der das Gremium ein Ende der Feindseligkeiten forderte. Die Mitglieder des Sicherheitsrats forderten eine sofortige Einstellung der laufenden Offensive und der Vorstöße in Richtung Goma. Sie forderten die M23 außerdem auf, ihre territoriale Expansion sofort rückgängig zu machen.
Bintou Keita, die Leiterin der UN-Mission im Kongo (MONUSCO), wandte sich per Videokonferenz an den Rat und zeichnete ein düsteres Bild.
„Die Straßen sind blockiert und der Flughafen kann nicht mehr für Evakuierungen oder humanitäre Einsätze genutzt werden“, sagte sie.
„Die M23 hat den Luftraum über Goma für geschlossen erklärt. Mit anderen Worten: Wir sind gefangen.“
Joyce Msuya, beigeordnete Generalsekretärin der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten, erklärte dem Sicherheitsrat, dass die Situation in Goma verheerende Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung haben könnte, und forderte alle Parteien auf, bei Militäroperationen stets darauf zu achten, Zivilisten und zivile Objekte zu verschonen.
Msuya warnte, dass die Eskalation im Osten die humanitäre Lage zu verschlechtern droht, wo doch bereits 21 Millionen Menschen im ganzen Land auf Hilfe angewiesen sind.
Der kongolesische Außenminister erklärte dem UN-Sicherheitsrat, dass es sich bei der M23-Offensive um einen „Frontalangriff, eine Kriegserklärung“ handele.
In Nairobi teilte der kenianische Präsident William Ruto mit, dass er sowohl mit dem kongolesischen als auch mit dem ruandischen Präsidenten gesprochen und eine „sofortige und bedingungslose Einstellung der Feindseligkeiten“ gefordert habe.
Ruto, der auch Vorsitzender der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) ist, kündigte an, in den kommenden Tagen ein außerordentliches EAC-Gipfeltreffen einzuberufen, um einen Ausweg aus der Krise zu finden.
Die Demokratische Republik Kongo ist ohnehin schon mit einer der größten und am wenigsten beachteten humanitären Krisen der Welt konfrontiert, die durch weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen und massive Vertreibungen gekennzeichnet ist.
Die DR Kongo hat eine Bevölkerung von etwa 118 Millionen Menschen, von denen im Jahr 2025 voraussichtlich 21 Millionen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, eine der höchsten Zahlen weltweit. Mindestens 8 Millionen Menschen im Land waren gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. In den beiden östlichen Provinzen Nord- und Südkivu leben bereits 4,6 Millionen Binnenvertriebene.
In beiden Provinzen sind Zivilisten wahllosen Bombenangriffen und sexueller Gewalt ausgesetzt, wobei der Einsatz schwerer Waffen in besiedelten Gebieten zahlreiche zivile Opfer, darunter viele Kinder, gefordert hat. Die M23 ist die bekannteste von mehr als 130 bewaffneten Gruppen, über die berichtet wird, dass sie im strategisch wichtigen und rohstoffreichen Osten der Demokratischen Republik Kongo aktiv sind.
Die östlichen Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri werden seit Jahrzehnten von Gewalt heimgesucht, da nichtstaatliche bewaffnete Gruppen um die Kontrolle der reichen natürlichen Ressourcen der Region kämpfen. Viele der zur Flucht gezwungenen Menschen wurden bereits mehrmals vertrieben. Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist dringlich, wobei Schutz, Nahrung, Unterkunft und sanitäre Einrichtungen zu den obersten Prioritäten gehören.
Einige Informationen für diesen Bericht wurden von VOA zur Verfügung gestellt.