Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Volker Türk, forderte am Freitag das Militär in Myanmar auf, alle Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte einzustellen. Er erklärte, die anhaltende Gewalt gegen Zivilisten ungeachtet der nach den Erdbeben im März verkündeten Waffenruhe unterstreiche die Notwendigkeit, dass sich alle Konfliktparteien zu einer echten und dauerhaften landesweiten Einstellung der Feindseligkeiten und zur Rückkehr zur Zivilregierung verpflichten und diese auch umsetzen.
Mehr als einen Monat nach den beiden schweren Erdbeben, die Myanmar am 28. März erschütterten, und einer Vielzahl von Nachbeben sind Millionen von Menschen immer noch mit den verheerenden Folgen konfrontiert und benötigen dringend verstärkte Nothilfe.
In einer Erklärung vom Freitag sagte der UN-Hochkommissar, dass angesichts der vielen Krisen weltweit „das unerträgliche Leid der Menschen in Myanmar nicht vergessen werden darf“.
Trotz des enormen und akuten Bedarfs gehört die humanitäre Notlage im Land zu den am meisten vernachlässigten weltweit. Die Lage in Myanmar erhält kaum die internationale Aufmerksamkeit, die sie verdient, und das, obwohl es sich um eine der weltweit größten humanitären Krisen handelt.
„Die anhaltende Gewalt gegen Zivilisten trotz einer nach dem verheerenden Erdbeben vom 28. März nominell erklärten Waffenruhe unterstreicht die Notwendigkeit, dass sich alle Parteien zu einer echten und dauerhaften landesweiten Einstellung der Feindseligkeiten und zur Rückkehr zur Zivilregierung verpflichten und diese auch umsetzen“, sagte Türk.
Er fügte hinzu, dass es "unabdingbar" sei, dass das Militär alle Angriffe auf Zivilisten und zivile Objekte unverzüglich einstellt.
Seit den Erdbeben und bis zum 29. April hat das myanmarische Militär Berichten zufolge mindestens 243 Angriffe durchgeführt, darunter 171 Luftangriffe, bei denen mehr als 200 Zivilisten getötet wurden.
Türk sagte, die überwiegende Mehrheit der Angriffe habe nach dem 2. April stattgefunden, als das myanmarische Militär und die Nationale Einheitsregierung (NUG) einseitige Waffenstillstände verkündet hatten. Das Militär verlängerte später seinen weitgehend unbeachteten Waffenstillstand, der dann am 30. April auslief.
„Die unerbittlichen Angriffe treffen eine Bevölkerung, die bereits durch jahrelange Konflikte schwer gebeutelt und ausgelaugt ist“, sagte er und wies darauf hin, dass dies durch die jüngsten schrecklichen Erdbeben noch verschlimmert wurde.
Myanmar befindet sich seit einem Militärputsch vor mehr als vier Jahren in einem brutalen Bürgerkrieg. Der bewaffnete Konflikt zwischen den Streitkräften Myanmars und verschiedenen nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen gefährdet weiterhin das Leben der Zivilbevölkerung. Zusammenstöße, Beschuss, Luftangriffe und Drohnenangriffe fordern in mehreren Bundesstaaten und Regionen Opfer unter der Zivilbevölkerung und führen zu massiven Vertreibungen.
Bis Ende 2024 waren hauptsächlich infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen mehr als 3,5 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben – ein Rekordhoch und ein erschütternder Anstieg um fast 1,5 Millionen Vertriebene gegenüber 2023. Rund 1,2 Millionen Flüchtlinge und Asylsuchende aus Myanmar wurden in Nachbarländern aufgenommen, darunter etwa 149.000 Neuankömmlinge seit dem 1. Februar 2021.
Am Freitag betonte der Hochkommissar, dass das Völkerrecht eindeutig vorschreibt, dass humanitäre Hilfe die Notleidenden ungehindert erreichen muss.
„Die Menschen in Myanmar brauchen Nahrung, Wasser und Unterkunft. Sie brauchen – und müssen – Frieden und Schutz haben. Jetzt ist es an der Zeit, die Menschen an erste Stelle zu setzen, ihre Menschenrechte und humanitären Bedarfe zu priorisieren und eine friedliche Lösung dieser Krise zu erreichen“, sagte er.
Die Erklärung erfolgte etwa einen Monat nach den beiden verheerenden Erdbeben in Myanmar, von denen mehr als 6 Millionen Menschen schwer betroffen sind. Die starken Beben der Stärke 7,7 und 6,2 auf der Richterskala ereigneten sich am 28. März und zerstörten Häuser, Krankenhäuser, Schulen und wichtige Infrastruktur.
Die verheerenden Erdbeben mit Epizentrum in der Region Sagaing im Zentrum Myanmars haben mindestens 3.835 Menschen getötet, 5.105 verletzt und etwa 200.000 Menschen obdachlos gemacht. 105 Menschen werden seit dem 1. Mai noch vermisst. Zwar wurden mehr als 5.000 Verletzte gemeldet, doch die tatsächliche Zahl dürfte weit höher liegen.
Auch fünf Wochen später kommt es in Zentralmyanmar fast täglich zu seismischen Aktivitäten. Seit den zerstörerischen Erdbeben wurden mehr als 160 Nachbeben registriert.
6,3 Millionen Menschen – darunter fast 2 Millionen Kinder – benötigen in den am stärksten betroffenen Gebieten dringend Hilfe und Schutz. Mehr als zwei Drittel von ihnen befanden sich bereits vor den Erdbeben aufgrund anhaltender Konflikte, klimabezogener Katastrophen, Vertreibung und wirtschaftlichem Niedergang in einer prekären humanitären Lage.
Bereits vor den Erdbeben war Myanmar mit fast 20 Millionen Menschen, darunter 6,5 Millionen Kinder, das Land mit der fünftgrößten Zahl von Menschen, die humanitäre Hilfe benötigten – was etwa einem Drittel der Bevölkerung entspricht. Die Gesamtzahl der Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen, ist mittlerweile auf etwa 22 Millionen gestiegen.
Bei einer Pressekonferenz in New York am Donnerstag sagte Marcoluigi Corsi, der humanitäre Koordinator ad interim für Myanmar, dass unzählige Menschen immer noch im Freien Schutz suchen, weil ihre Häuser zerstört wurden oder nicht mehr sicher sind.
„Über 55.000 Häuser wurden beschädigt oder zerstört. Dadurch sind Familien gezwungen, in Notunterkünften und Zelten zu leben. Jetzt setzen die ersten Regenfälle ein und die Temperaturen steigen, sodass die Vertriebenen mit zunehmend schwierigen Bedingungen und Schutzrisiken konfrontiert sind“, sagte Corsi.
„Die Erdbeben haben das Leid der Menschen, die seit 2021 unter enormen humanitären Nöten leiden, noch verschlimmert.“
Der humanitäre Koordinator fügte hinzu, dass humanitäre Hilfsmaßnahmen im Gange seien, aber dringend mehr Hilfe benötigt werde.
„Die Vereinten Nationen und NGOs [Nichtregierungsorganisationen] arbeiten sehr eng mit den lokalen Partnern zusammen und haben rasch Hilfe mobilisiert“, sagte er.
„Seit den Erdbeben wurden mindestens 600.000 Menschen mit Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygieneartikeln versorgt, fast eine halbe Million Menschen haben Nahrungsmittelhilfe erhalten und mehr als 100.000 Menschen wurden mit Notunterkünften und lebensnotwendigen Haushaltsgegenständen versorgt.“
Corsi wies darauf hin, dass trotz der einseitigen Ankündigung vorübergehender Waffenstillstände Luftangriffe, auch in den vom Erdbeben betroffenen Gebieten, die Hilfsmaßnahmen behindern und sowohl Helfer als auch Zivilisten einem erhöhten Risiko aussetzen.
„Wir haben im letzten Monat zwar erhebliche Fortschritte erzielt, aber in dieser Phase, in der wir die Hilfsmaßnahmen wirklich ausweiten, um so viele Menschen wie möglich zu erreichen, sind mehr Ressourcen und ein ungehinderter Zugang von entscheidender Bedeutung“, sagte er.
Die humanitären Hilfsmaßnahmen in Myanmar sind seit Jahren chronisch unterfinanziert. Bis heute sind weniger als 8 Prozent des Humanitären Bedarfs- und Reaktionsplans (HNRP), der das gesamte Land abdeckt, finanziert.
Der zwei Wochen nach den Erdbeben in Myanmar veröffentlichte Nachtrag zum HNRP deckt im Wesentlichen die von den Erdbeben betroffenen Gebiete ab und erfordert 275 Millionen US-Dollar, von denen bisher jedoch nur 34 Millionen US-Dollar (12 Prozent) eingegangen sind.
„Um zu verhindern, dass sich die ohnehin schon schwere humanitäre Krise in Myanmar weiter verschärft, ist rasches Handeln unerlässlich. Menschenleben hängen von unserem gemeinsamen Engagement ab, die dringend benötigte Hilfe zu leisten“, sagte Corsi.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Türk warnt vor anhaltender Gewalt gegen Zivilisten in Myanmar, Erklärung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte, veröffentlicht am 2. Mai 2025 (in Englisch)
https://www.ohchr.org/en/press-releases/2025/05/turk-warns-unremitting-violence-against-civilians-myanmar
Volltext: UN-Vertreter fordert rasches Handeln, da Erdbeben die humanitäre Krise in Myanmar verschärft, Erklärung von Marcoluigi Corsi, humanitärer Koordinator a.i. für Myanmar, abgegeben am 1. Mai 2025 (in Englisch)
https://www.unocha.org/news/un-official-calls-swift-action-earthquake-deepens-myanmars-humanitarian-crisis
Spendenmöglichkeiten
- Vereinte Nationen: Spendenaufruf Erdbeben in Myanmar
https://crisisrelief.un.org/myanmar-earthquake - Aktion Deutschland Hilft: Erdbeben Myanmar
https://www.aktion-deutschland-hilft.de/de/spenden/spenden/?fb_item_id=79011 - Bündnis Entwicklung Hilft: Erdbeben Myanmar und Thailand
https://entwicklung-hilft.de/erdbeben-myanmar-und-thailand-n/ - UNICEF Deutschland: Erdbeben Myanmar
https://www.unicef.de/spenden/jetzt-spenden?purpose=372848 - UNO-Flüchtlingshilfe: Erdbeben in Myanmar/Thailand
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/emergency/thailand-myanmar - Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK): Erdbeben in Myanmar
https://www.icrc.org/de/donate/myanmar-erdbeben - Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC): Erdbeben in Myanmar
https://donate.redcrossredcrescent.org/ifrc/myanmar-earthquake/~my-donation?_cv=1 - Malteser International: Erdbebenhilfe in Myanmar und Thailand
https://www.malteser-international.org/de/hilfe-weltweit/asien/erdbeben-in-myanmar-und-thailand-ihre-spende-hilft.html - UN-Welternährungsprogramm (WFP): Erdbeben in Myanmar
https://donate.wfp.org/1244/donation/single/?campaign=4899 - Internationale Organisation für Migration: Erdbeben in Myanmar
https://www.iom.int/?form=Myanmar-earthquake - WHO Foundation: Spendenaufruf Erdbeben in Myanmar
https://www.emergencies.who.foundation/?form=FUNAPKKTHJC - Plan International: Spendenaufruf für das Erdbeben in Myanmar
https://plan-international.org/myanmar-earthquake-appeal/