Die Nichtregierungsorganisation (NGO) Danish Refugee Council (DRC) prognostiziert, dass die Zahl der Vertriebenen in den nächsten zwei Jahren weltweit stark ansteigen wird. Allein im Jahr 2025 könnten 4,2 Millionen Menschen neu zu Vertriebenen werden, und im Jahr 2026 werden voraussichtlich weitere 2,5 Millionen Menschen aus ihren Gemeinden fliehen, um Sicherheit und Schutz zu suchen. Die düstere Prognose kommt zu einer Zeit, in der die globale Vertreibung bereits ein Allzeithoch erreicht hat: Derzeit sind weltweit etwa 123 Millionen Menschen gewaltsam vertrieben.
Der am Freitag veröffentlichte Bericht "Global Displacement Forecast Report 2025 (Prognosebericht zur globalen Vertreibung)" sagt voraus, dass der dramatische Anstieg der Vertreibungen vor dem Hintergrund eines verheerenden Rückzugs der internationalen Hilfe durch die Vereinigten Staaten, Grossbritannien und Deutschland stattfinden wird, wodurch Millionen von schutzbedürftigen Menschen ohne lebensnotwendige Unterstützung zurückbleiben werden.
"Wir leben in einem Zeitalter des Krieges und der Straflosigkeit, und die Zivilbevölkerung zahlt den höchsten Preis dafür", sagte Charlotte Slente, Generalsekretärin des Danish Refugee Council.
„In den nächsten zwei Jahren werden 6,7 Millionen Menschen vertrieben. Das sind keine kalten Statistiken. Das sind Familien, die gezwungen sind, aus ihren Häusern zu fliehen, fast nichts bei sich zu haben und nach Wasser, Nahrung und Unterkunft zu suchen“, sagte sie.
Von den 6,7 Millionen Menschen, die voraussichtlich bis Ende 2026 Opfer von Vertreibung werden könnten, werden etwa 70 Prozent Binnenvertriebene sein.
Laut der Analyse des DRC hat sich die Zahl der Länder, in denen in den nächsten zwei Jahren mit einem Anstieg von mehr als 250.000 Vertriebenen gerechnet wird, seit der Prognose des letzten Jahres mehr als verdoppelt. Die Bürgerkriege im Sudan und in Myanmar werden für fast die Hälfte aller prognostizierten Vertreibungen verantwortlich sein.
Zu den weiteren Ländern, in denen aufgrund von bewaffneten Konflikten, Klimawandel, Kriegsfolgen und sozioökonomischer Instabilität mit einem Anstieg der Vertreibungen zu rechnen ist, gehören Afghanistan, die Demokratische Republik Kongo, Syrien, Jemen und Venezuela.
Weltweit ist der Sudan Schauplatz der derzeit größten Vertreibungs- und Hungerkrise. Prognosen zufolge wird die humanitäre Krise mit weiteren 2,1 Millionen Vertriebenen bis Ende 2026 die dringlichste bleiben.
In Myanmar hat sich der intensive Bürgerkrieg an mehreren Fronten verschärft, was dazu geführt hat, dass 3,5 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben wurden und fast 20 Millionen Menschen, das heißt ein Drittel der Bevölkerung, humanitäre Hilfe benötigen. In der Demokratischen Republik Kongo wird erwartet, dass bis Ende 2026 weitere 1,4 Millionen Vertriebene hinzukommen.
Im Jemen wird die Zahl der zusätzlichen Vertriebenen bis Ende 2026 voraussichtlich um fast 400.000 steigen. Der Jemen ist mit schätzungsweise 4,8 Millionen Binnenvertriebenen, von denen die Mehrheit Frauen und Kinder sind, die fünftgrößte Binnenvertriebenen-Krise der Welt.
Der Danish Refugee Council warnte, dass die Vereinigten Staaten, die jahrelang der größte globale Geber waren, in einer Zeit, in der der humanitäre Bedarf so hoch wie nie zuvor ist, 83 Prozent der Verträge mit der United States Agency for International Development (Behörde der Vereinigten Staaten für internationale Entwicklung, USAID) gekündigt haben und auch andere große Geber wie Deutschland, das jahrelang weltweit als der zweitgrößte Geber für humanitäre Hilfe auftrat, ihre Hilfe massiv kürzen.
Laut einer im diesjährigen Bericht enthaltenen Analyse könnte der Wegfall der gesamten Unterstützung durch die USA dazu führen, dass 57 Millionen Menschen weniger mit lebensrettender humanitärer Hilfe erreicht werden.
„Millionen Menschen sind von Hunger und Vertreibung bedroht, und gerade jetzt, wo sie uns am dringendsten brauchen, kürzen wohlhabende Nationen ihre Hilfe. Das ist Verrat an den Schwächsten“, sagte Slente.
„Wir befinden uns mitten in einem globalen 'perfekten Sturm': Rekordverdächtige Vertreibungen, steigende Bedarfe und verheerende Mittelkürzungen. Große Geberstaaten entziehen sich ihrer Pflicht und lassen Millionen Menschen leiden. Dies ist mehr als eine Krise. Es ist ein moralisches Versagen.“
Laut DRC werden die Zunahme der Vertreibungen und die drastischen Mittelkürzungen besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen zu spüren sein, die die Mehrheit der Vertriebenen aufnehmen und gleichzeitig mit ihren eigenen sozioökonomischen und klimabedingten Herausforderungen konfrontiert sind.
„Diese Länder, die bereits mit hoher Armut und Anfälligkeit für den Klimawandel zu kämpfen haben, übernehmen die Verantwortung, die Mehrheit der Vertriebenen der Welt aufzunehmen, obwohl sie dafür keine angemessene finanzielle und technische Unterstützung erhalten“, heißt es in dem Bericht.
Der DRC fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich dringend mit dieser globalen Krise zu befassen, auf ihre Prognosen zu reagieren und lebensrettende Hilfe zu finanzieren, bevor diese Krisen weiter außer Kontrolle geraten. Die NGO fordert außerdem alle Kriegsparteien auf, Zivilisten zu schützen und die Straflosigkeit für diejenigen zu beenden, die gegen das humanitäre Völkerrecht verstoßen.
Dem Bericht zufolge hat die Zahl der Angriffe auf Zivilisten, Gesundheitsversorgung und Gesundheitspersonal im Jahr 2024 um 8 Prozent zugenommen. Unterdessen haben 16 der 27 Länder in der Prognose sehr hohe oder extreme Einschränkungen des humanitären Zugangs.
„Wir sehen nicht nur eine Zunahme von Konflikten und Vertreibungen, sondern auch, dass humanitäre Bemühungen erheblich behindert werden, insbesondere aufgrund unzureichender Finanzierung, zunehmend gefährlicher Einsatzumgebungen und des eingeschränkten humanitären Zugangs zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen“, heißt es in dem Bericht.
Der Danish Refugee Council (deutsch: Dänischer Flüchtlingsrat) ist eine internationale humanitäre Organisation, die vertriebenen Menschen auf der ganzen Welt hilft. Der DRC wurde 1956 gegründet und ist Dänemarks größte Nichtregierungsorganisation.
Die Organisation ist in mehr als 40 Ländern tätig und eine der weltweit führenden NGOs in der Arbeit mit Flüchtlingen und Binnenvertriebenen. Der Danish Refugee Council ist in allen Phasen der Vertreibung tätig und bietet Schutz und lebensrettende humanitäre Hilfe. Der Hauptsitz der humanitären Organisation befindet sich in Kopenhagen, Dänemark.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Global Displacement Forecast 2025, Danish Refugee Council (DRC), Bericht, veröffentlicht am 14. März 2025 (in Englisch)
https://drc.ngo/media/ux2ln1xp/250120_global_displacement_forecast_report_2025_final.pdf