Das Land
Jemen ist ein Staat in Westasien, im Süden der Arabischen Halbinsel. Die Hauptstadt des Landes ist Sanaa. Jemen teilt Landgrenzen mit Saudi-Arabien und Oman und Seegrenzen mit Eritrea, Dschibuti und Somalia. Der Jemen nimmt eine Fläche von 527.968 Quadratkilometern ein. Im Jahr 2024 hat das Land eine geschätzte Bevölkerung von etwa 34,4 Millionen Menschen. Derzeit gilt Jemen als der instabilste Staat der Welt.
Die humanitäre Lage
Der seit mehr als neun Jahren andauernde bewaffnete Konflikt im Jemen hat Zehntausende von zivilen Opfern gefordert und Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen, was den Jemen zu einer der größten humanitären Krisen weltweit gemacht hat, für viele sogar zur schlimmsten humanitären Krise der Welt. Seit Beginn des Konflikts wurden mehr als 11.500 Kinder getötet oder verstümmelt, und Tausende weitere wurden als Kindersoldaten rekrutiert.
Der Krieg im Jemen hat ein armes Land in eine humanitäre Katastrophe verwandelt. Fast 6 Millionen Menschen mussten seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2015 aus ihrer Heimat fliehen. 4,56 Millionen Menschen sind Binnenvertriebene im Jemen, darunter Schätzungen zufolge 3,2 Millionen Kinder. Das Land ist mit einer der größten Binnenvertreibungskrisen der Welt konfrontiert. Darüber hinaus beherbergt Jemen rund 70.000 Flüchtlinge und Asylbewerber.
Zudem steht der Jemen an vorderster Front der globalen Klimakrise, da wiederkehrende Naturkatastrophen wie Überschwemmungen und schwere Dürren das Leben, die Sicherheit und das Wohlergehen der Menschen bedrohen. Im Jahr 2023 waren klimabedingte Faktoren, insbesondere schwere Regenfälle und Sturzfluten, die Hauptursache für neue Vertreibungen im Jemen.
Trotz eines sechsmonatigen Waffenstillstands im Jahr 2022 ist das Leid der Bevölkerung des Landes nach wie vor immens, vor allem aufgrund der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage und des Zusammenbruchs der Grundversorgung. Der von den Vereinten Nationen vermittelte Waffenstillstand wurde zwar nicht verlängert, aber die fragilen Bedingungen, die einer Waffenruhe ähneln, dauern noch an. Infolgedessen ist das Ausmaß der Gewalt zurückgegangen und es wurden Fortschritte bei den politischen Verhandlungen erzielt.
Obwohl die Kämpfe im Jemen nachgelassen haben, ist der Gesundheitssektor des Landes nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiterhin vom Zusammenbruch bedroht. Fast die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen des Landes ist geschlossen oder nur teilweise funktionsfähig. Nach Angaben der WHO wird die Gesundheitskrise durch eine Zunahme der Ausbrüche von Krankheiten wie Masern, Diphtherie, Dengue-Fieber, Cholera und Polio noch verschärft.
Das derzeitige Ausmaß des Hungers im Land ist beispiellos. Die Rate der Unterernährung bei Kindern ist eine der höchsten der Welt, und die Ernährungslage verbessert sich nur wenig. Etwa 2,7 Millionen Kinder im Jemen sind akut unterernährt, darunter fast 540.000 Kinder unter fünf Jahren, die an schwerer akuter Unterernährung leiden. 49 Prozent der Kinder unter fünf Jahren - etwa 2,5 Millionen - leiden an Stunting, das eine für das Alter zu geringe Körpergröße bedeutet, oder chronischer Unterernährung, wodurch die langfristige körperliche und kognitive Entwicklung irreversibel geschädigt wird. Im Jahr 2023 hat sich die Kindersterblichkeit nach Jahren der anhaltenden humanitären Hilfe leicht verbessert.
17 Millionen Menschen im Jemen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, was vor allem auf die Auswirkungen des Konflikts, den wirtschaftlichen Niedergang und den Klimawandel zurückzuführen ist. Darunter befinden sich 6,1 Millionen Menschen, die unter einer akuten Notlage leiden. In den Jahren 2022 und 2023 hat sich die Ernährungssicherheit geringfügig verbessert. Dieser Fortschritt ist jedoch äußerst fragil und könnte sich schnell umkehren, wenn Hilfsorganisationen aufgrund von Finanzierungsengpässen gezwungen sind, Programme zu reduzieren oder auszusetzen.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) hat im Dezember 2023 angekündigt, die allgemeine Verteilung von Nahrungsmitteln in den Gebieten des Jemen, die von den Behörden in Sanaa kontrolliert werden, auszusetzen. Grund für die Aussetzung sind vor allem die begrenzten Finanzmittel und das Fehlen einer Vereinbarung mit den Behörden über ein reduziertes Programm, das die verfügbaren Mittel den bedürftigsten Familien zukommen lässt. Sanaa und die nördlichen Regionen des Jemen stehen unter der Kontrolle der Ansar-Allah-Bewegung - auch bekannt als Huthi-Gruppe.
Die Nahrungsmittelbestände in den von den Huthi verwalteten Gebieten sind inzwischen fast vollständig aufgebraucht, und die Wiederaufnahme der Nahrungsmittelhilfe könnte selbst bei einer sofortigen Einigung bis zu vier Monate dauern, da die Lieferkette für die humanitäre Nahrungsmittelhilfe im Jemen unterbrochen ist. In den Gebieten des Jemen, die von der Regierung kontrolliert werden, wird die allgemeine Verteilung von Nahrungsmitteln fortgesetzt.
Laut einer Haushaltsbefragung im vergangenen Jahr hat sich die Ernährungssicherheit im Oktober 2023 im Vergleich zum Vormonat und zum Oktober 2022 leicht verbessert. Dennoch ist die Ernährungsunsicherheit im Jemen nach wie vor weit verbreitet; rund 51 Prozent der befragten Haushalte in den von der Regierung kontrollierten Gebieten und 46 Prozent in den von den Huthi kontrollierten Gebieten konnten im Oktober ihren Mindestbedarf an Nahrungsmitteln nicht decken.
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass im gesamten Jemen zwischen November 2023 und April 2024 weiterhin ein hoher Bedarf an Nahrungsmittelhilfe bestehen wird, da sich die wirtschaftlichen Bedingungen insbesondere im Südjemen weiter verschlechtern.
Mindestens 18,2 Millionen Menschen im Jemen - mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes - benötigen im Jahr 2024 humanitäre Hilfe und Schutz. Unter ihnen sind 9,8 Millionen Kinder, die dringend auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind. Im Jahr 2023 benötigten 21,6 Millionen Menschen humanitäre Hilfe.
Der Humanitäre Reaktionsplan für 2024 sieht 2,7 Milliarden Dollar vor, um Millionen Kinder, Frauen und Männer im ganzen Land zu unterstützen. Im Jahr 2024 wollen die Hilfsorganisationen 11,2 Millionen Menschen in Not erreichen, sofern sie über genügend Mittel verfügen. Mit Stand vom März 2024 war das HRP nur zu 9 Prozent finanziert.
Im vergangenen Jahr benötigten die UN und ihre Partnerorganisationen 4,3 Milliarden US-Dollar, um Millionen von Menschen im ganzen Land Hilfe zu leisten. Bis Januar 2024 waren nur 1,71 Milliarden Dollar von internationalen Gebern eingegangen (Deckungsrate von 40 Prozent). Trotz fehlender Mittel und erheblicher Zugangsprobleme leisteten 211 humanitäre Organisationen im Jahr 2023 jeden Monat durchschnittlich 8,9 Millionen Menschen Hilfe und Schutz, darunter Binnenvertriebene, Rückkehrer, marginalisierte Gemeinschaften und gefährdete Aufnahmegemeinschaften.
Die Vereinten Nationen hatten für die Jemen-Krise im Jahr 2022 Mittel in Höhe von 4,27 Mrd. US-Dollar angefordert. Bis Ende 2022 waren nur 2,28 Milliarden von internationalen Gebern eingegangen (Deckungsrate von 53 Prozent). Dennoch gelang es den Hilfsorganisationen im Jahr 2022, jeden Monat fast 11 Millionen Menschen im ganzen Land mit lebensrettenden Hilfsgütern zu versorgen, darunter Nahrungsmittel, sauberes Wasser, Unterkünfte, Schutz und Bildung. Mehr als 200 humanitäre Organisationen in allen 333 Bezirken Jemens leisteten diese humanitäre Hilfe.
Die Sicherheitslage
Der Konflikt zwischen einer von Saudi-Arabien angeführten Koalition von Golfstaaten und der abgesetzten Regierung des Jemen gegen die Ansar-Allah-Bewegung - auch bekannt als Huthi-Rebellen - eskalierte 2015, als Saudi-Arabien im März mit Luftangriffen gegen die Huthis und mit den Huthis verbundene Kräfte begann. Die militärische Unterstützung der Koalition durch die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich und Frankreich heizte den Konflikt an und verschärfte die humanitäre Krise. Die Huthi-Bewegung wird vom Iran unterstützt. Der langwierige bewaffnete Konflikt im Jemen dauert seit mehr als neun Jahren an. In den Jahren 2020 und 2021 gingen die Kämpfe im Jemen weiter, wobei die Huthi Gebiete eroberten und auch unbemannte Flugzeuge und Raketen gegen Ziele in Saudi-Arabien einsetzten.
Im März 2022 kündigte die von Saudi-Arabien angeführte Koalition an, alle Kampfhandlungen im Jemen einzustellen, um politische Gespräche und Friedensbemühungen zu erleichtern. Die Friedensbemühungen gewannen im April 2022 an Dynamik, als die Huthi und die Koalitionstruppen einen zweimonatigen Waffenstillstand vereinbarten, den ersten landesweiten Waffenstillstand seit Jahren. Im Juni 2022 stimmten die Konfliktparteien im Jemen einem Vorschlag der Vereinten Nationen zu, die Waffenruhe um weitere zwei Monate zu verlängern. In letzter Minute wurde der Waffenstillstand Anfang August durch die Kriegsparteien erneut um zwei Monate verlängert.
Es bestand die große Hoffnung, dass dies zu einem dauerhaften Frieden im Jemen führen würde. Doch nach seinem Auslaufen wurde die Waffenruhe bislang weder verlängert noch ausgeweitet. Während des von den Vereinten Nationen vermittelten sechsmonatigen Waffenstillstands, der vom 2. April bis zum 2. Oktober 2022 dauerte, gingen die Zahl der zivilen Opfer und die Zahl der Vertriebenen drastisch zurück. Es fanden keine Luftangriffe oder größeren Militäroperationen statt, obwohl es in den Frontgebieten weiterhin zu kleineren Zusammenstößen kam.
Nach Angaben des Amts der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) stieg die Zahl der Vertriebenen nach dem Auslaufen des Waffenstillstands jedoch an, da der Konflikt wieder aufflammte. Im letzten Quartal 2022 und Anfang 2023 führten verstärkte Kämpfe entlang der Frontlinien zur Vertreibung von Tausenden. Im Laufe des Jahres 2023 wurden die Bedingungen des Waffenstillstands jedoch weitgehend beibehalten.
Mitte April 2023 ließen die Konfliktparteien im Jemen fast 1000 Gefangene frei und weckten damit die Hoffnung auf eine Lösung des Konflikts. Die Entwicklung kam einen Monat nach einer Vereinbarung zwischen Saudi-Arabien und Iran über die Wiederherstellung der Beziehungen. Nach der diplomatischen Annäherung beider Länder wächst in der Region die Hoffnung auf eine umfassende politische Lösung und ein baldiges Ende des neunjährigen Krieges im Jemen.
Die Verhandlungen und Gespräche zwischen den Kriegsparteien und interesssierten Parteien werden im Hintergrund fortgesetzt, unter der Vermittlung der Vereinten Nationen, haben aber bislang weder zu einem neuen Waffenstillstand noch einem Friedensabkommen geführt. Der Sondergesandte des UN-Generalsekretärs für den Jemen, Hans Grundberg, setzt gleichwohl seine Friedensbemühungen fort.
Im Dezember 2023 haben sich die Kriegsparteien im Jemen nach einer Reihe von Treffen in Saudi-Arabien und Oman unter Vermittlung der UN auf wichtige Schritte zur Beendigung des verheerenden Bürgerkriegs geeinigt. Zu den vereinbarten Maßnahmen gehören, die Umsetzung eines landesweiten Waffenstillstands, die Verbesserung der Lebensbedingungen im Jemen und die Wiederaufnahme eines inklusiven politischen Prozesses unter UN-Schirmherrschaft, die zu dauerhaftem Frieden im Jemen führen sollen.
Die jüngste militärische Eskalation im Land nach den Luftangriffen der USA und Großbritanniens auf Ziele der Huthi birgt die Gefahr, dass sich die ohnehin schon katastrophale Lage für die Zivilbevölkerung weiter verschlechtert. Eine weitere Eskalation könnte auch den fragilen Friedensprozess in Jemen und die längerfristige Erholung des Landes untergraben.
Spenden
Ihre Spende für die Nothilfe im Jemen kann dazu beitragen, dass die Organisationen der Vereinten Nationen, internationale humanitäre Nichtregierungsorganisationen und ihre Partner vor Ort den Menschen, die es am nötigsten brauchen, rasch Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Unterkünfte und andere Hilfsgüter zur Verfügung stellen können.
- UN-Krisenhilfe: Nothilfe Jemen
https://crisisrelief.un.org/yemen-crisis - UNICEF Deutschland: Nothilfe Jemen
https://www.unicef.de/informieren/projekte/asien-4300/jemen-19406 - UNO-Flüchtlingshilfe: Nothilfe Jemen
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/spenden-jemen-nothilfe - Save the children Deutschland: Spenden für Kinder im Jemen
https://www.savethechildren.de/unterstuetzen/nothilfe/spenden-jemen/ - Welthungerhilfe: Spenden für Jemen
https://www.welthungerhilfe.de/spenden-jemen/ - Islamic Relief Deutschland: Nothilfe Jemen
https://www.islamicrelief.de/nothilfe-jemen/
Weitere Organisationen, an die Sie spenden können, finden Sie unter: Humanitäre Krisenhilfe, Flucht und Vertreibung, Kinder in Not, Hunger und Ernährungsunsicherheit, Medizinische Nothilfe, Vulnerable Gruppen, Glaubensbasierte humanitäre Organisationen und Menschenrechtsorganisationen.
Weitere Informationen
- Council on Foreign Relations: Background Yemen Crisis (in Englisch)
https://www.cfr.org/backgrounder/yemen-crisis - USA for UNHCR: Yemen Crisis Explained (in Englisch)
https://www.unrefugees.org/news/yemen-crisis-explained/ - European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (ECHO): Yemen (in Englisch)
https://civil-protection-humanitarian-aid.ec.europa.eu/where/middle-east-and-northern-africa/yemen_en - International Crisis Group: Yemen (in Englisch)
https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/gulf-and-arabian-peninsula/yemen - ACAPS: Yemen complex crisis (in Englisch)
https://www.acaps.org/country/yemen/crisis/complex-crisis - Human Rights Watch World Report 2024: Yemen (in Englisch)
https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/yemen - Amnesty International World Report 2022/2023 : Yemen (in Englisch)
https://www.amnesty.org/en/location/middle-east-and-north-africa/yemen/report-yemen/
Zuletzt aktualisiert: 01/04/2024