Das Land
Haiti ist ein karibischer Staat auf der Insel Hispaniola, der gemeinsame Landgrenzen mit der Dominikanischen Republik teilt. Nach der Erklärung seiner Unabhängigkeit im Jahr 1804 wurde Haiti das erste Land der Welt, das von ehemaligen Sklaven regiert wurde. Der Staat erstreckt sich über eine Fläche von 27.750 Quadratkilometern. Seine Hauptstadt ist Port-au-Prince. Im Jahr 2024 hat das Land eine geschätzte Bevölkerung von rund 11,7 Millionen Menschen. Haiti ist das am wenigsten entwickelte Land der westlichen Hemisphäre und einer der fragilsten Staaten der Welt.
Die humanitäre Lage
In Haiti benötigen Millionen von Menschen humanitäre Hilfe zur Bekämpfung des Hungers, während sich die Sicherheitslage zunehmend verschärft. Bewaffnete Banden kontrollieren oder beeinflussen 90 Prozent der Hauptstadt. Das Land wird seit langem von Naturkatastrophen heimgesucht und ist nach wie vor äußerst anfällig für Wirbelstürme, Erdbeben und Überschwemmungen. Im Januar 2010 wurde Haiti von einem schweren Erdbeben der Stärke 7,0 heimgesucht, dessen Epizentrum etwa 25 km westlich der Hauptstadt Port-au-Prince lag. Schätzungen zufolge kamen über 300.000 Menschen ums Leben und etwa 1,5 Millionen wurden obdachlos. Das Erdbeben wurde als das Schlimmste in dieser Region in den letzten 200 Jahren bewertet.
Am 14. August 2021 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 den Südwesten Haitis, das mehr als 2.200 Menschen tötete, über 800.000 Menschen in Mitleidenschaft zog und weitreichende Zerstörungen verursachte.
Die Katastrophe im Jahr 2021 verschärfte die ohnehin schon schwierige humanitäre Lage, die von anhaltender politischer Instabilität, sozioökonomischer Krise, bandenbedingter Unsicherheit, Binnenvertreibung und zunehmender Ernährungsunsicherheit und Unterernährung geprägt war. Die soziopolitische Lage in Haiti verschlechtert sich derzeit weiter, während Gewalt und Kriminalität vor allem im urbanen Bereich der Hauptstadt zunehmen.
Seit drei Jahren wird Haiti von bewaffneten Banden unter Beschuss genommen, die 80 bis 90 Prozent der Hauptstadt Port-au-Prince kontrollieren oder beeinflussen. Laut den neuesten Zahlen des UN-Menschenrechtsbüros (OHCHR) wurden zwischen Januar und September dieses Jahres mindestens 3.661 Menschen im Zusammenhang mit Bandenkriminalität getötet.
Entführungen, Morde und Bandengewalt haben die wirtschaftliche Lage verschlimmert und die Unsicherheit erhöht, insbesondere in Port-au-Prince, aber auch in ländlichen Gebieten. Während mehr als 700.000 Menschen aufgrund von Gewalt aus ihren Häusern vertrieben wurden, sitzen andere in von Banden kontrollierten Stadtvierteln fest. Die erzwungene Rückführung Tausender haitianischer Bürger, die in Nachbarländer ausgewandert waren, hat die bereits kritische Lage im Land weiter verschärft.
Die weit verbreitete Armut, die steigenden Lebenshaltungskosten, die geringe landwirtschaftliche Produktion und die teuren Lebensmittelimporte haben die bestehende Ernährungsunsicherheit in Haiti verschärft, so dass viele Frauen, Männer und Kinder unter Hunger und Unterernährung leiden.
Laut der neuesten Analyse der Integrated Food Security Phase Classification (IPC), die im September 2024 veröffentlicht wurde, sind derzeit etwa 5,4 Millionen Menschen von schwerer akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, darunter mehr als 2 Millionen Menschen, die unter einer Hungernotlage leiden (IPC-Phase 4). Mindestens 6.000 Vertriebene in Notunterkünften in der Hauptstadt sind von katastrophalem Hunger betroffen (IPC 5).
Der neueste IPC-Bericht deckt den Zeitraum von August 2024 bis Februar 2025 ab und enthält eine Prognose für März bis Juni 2025. Angesichts der Tatsache, dass dann etwa 5,54 Millionen Menschen von akutem Hunger bedroht sind, wird sich die Situation im Prognosezeitraum voraussichtlich nicht verbessern, da die humanitäre Nahrungsmittelhilfe den Bedarf der Bevölkerung vermutlich nicht decken wird.
Im Jahr 2024 werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen 5,5 Millionen Menschen - fast die Hälfte der Bevölkerung - auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen sein, ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr. Humanitäre Organisationen geben an, dass 674 Millionen US-Dollar im Jahr 2024 benötigt werden, um den anvisierten Menschen lebensrettende Hilfe zu leisten. Mit Stand vom Oktober 2024 ist der Humanitäre Reaktionsplan (HRP) der UN für Haiti nur zu 39 Prozent finanziert.
Die Gewalt in Port-au-Prince hat die ohnehin schon prekäre Situation für Kinder und ihre Familien noch verschlimmert. 500.000 Kinder haben keinen regelmäßigen Zugang zu Schulen, nur begrenzten Zugang zu Wasser und alarmierende Unterernährungsraten. Die bewaffnete Gewalt hat die Zahl der Kinder in Haiti, die an schwerer akuter Unterernährung ("Severe Acute Malnutrition", SAM), auch bekannt als schwere Auszehrung ("severe wasting"), leiden, erhöht. Im Jahr 2023 litten mehr als 115.600 Kinder an schwerer Auszehrung, verglichen mit 87.500 im Jahr 2022.
Im Oktober 2022 brach in Haiti erneut die Cholera aus. Zwischen Oktober 2022 und April 2024 meldete Haiti insgesamt 82.000 Verdachtsfälle von Cholera und 1.270 Todesfälle durch Cholera. Experten befürchten, dass die tatsächliche Zahl aufgrund von Untermeldungen deutlich höher liegt.
Mehr als 5,2 Millionen Menschen benötigten im Jahr 2023 humanitäre Hilfe, darunter fast 3 Millionen Kinder. Der Humanitäre Reaktionsplan (HRP) der Vereinten Nationen 2023 für Haiti erforderte 720 Millionen US-Dollar, um mehr als drei Millionen Menschen zu unterstützen. Bis Dezember war der HRP nur zu 33 Prozent finanziert. Im Juli vergangenen Jahres gab das Welternährungsprogramm (WFP) bekannt, dass es gezwungen war, die Zahl der Menschen, die in Haiti Nahrungsmittelsoforthilfe erhalten, aufgrund der schwindenden Mittel um ein Viertel zu reduzieren.
Die Sicherheitslage
Präsident Jovenel Moïse wurde am 7. Juli 2021 ermordet, was das Land in eine extrakonstitutionelle Regierungsstruktur führte und zur wachsenden Fragilität des Landes beitrug. Die fünfjährige Amtszeit von Präsident Moïse wäre am 7. Februar 2022 zu Ende gegangen; seine Ermordung stürzte Haiti in eine tiefere politische Krise. Infolgedessen wurden die nationalen und regionalen Wahlen auf unbestimmte Zeit verschoben, und ein neuer Termin für die Präsidentschaftswahlen wurde noch nicht festgelegt.
Am 20. Juli 2021 setzte die haitianische Regierung Ariel Henry als Premierminister ein. Mit Stand vom Juni 2024 hatte Haiti keinen Präsidenten, Parlament und Senat hatte kein gewähltes Mitglied mehr und der Oberste Gerichtshof funktionierte nicht, weil es an Richtern mangelte.
Am 21. Dezember 2022 wurde von einem breiten Spektrum von haitianischen Politikern, Mitgliedern der Zivilgesellschaft, Geistlichen, Gewerkschaften und dem privatwirtschaftlichen Sektor eine nationale Konsensvereinbarung (National Consensus Agreement) über das weitere Vorgehen im Hinblick auf die Durchführung von Wahlen unterzeichnet.
Gleichzeitig haben Entführungen, Morde und Bandenkriminalität die wirtschaftliche Lage verschlechtert und die Unsicherheit, insbesondere in der Hauptstadt, erhöht. In Port-au-Prince und der Metropolregion sind etwa 150 kriminelle Gruppen aktiv, von denen viele zwei der wichtigsten kriminellen Vereinigungen angehören, der G-Pèp-Föderation und der G9-Allianz.
Banden kontrollieren oder beeinflussen 90 Prozent der Hauptstadt, gewinnen zunehmend die Kontrolle über Port-au-Prince und haben sich auf andere Teile des Landes ausgebreitet. Schätzungsweise zwei Millionen Menschen, darunter 1,6 Millionen Frauen und Kinder, leben in Gebieten, die effektiv von Banden kontrolliert werden.
Nach Angaben von Menschenrechtsgruppen und Analysten stehen viele der Gangs mit politischen Akteuren in Verbindung. Sie kontrollieren auch strategische Zugangswege im Land und haben ihre kriminellen Aktivitäten auf ganz Haiti ausgeweitet. Bewaffnete Banden verüben schwere Übergriffe auf die Bevölkerung, darunter auch sexuelle Gewalt in großem Maßstab, und zwingen ganze Gemeinden zur Flucht.
Seit Juni 2021 haben wiederholte territoriale Zusammenstöße zwischen rivalisierenden Gangs in und um Port-au-Prince Tausende von Menschen gezwungen, ihre Häuser zu verlassen. In den vergangenen beiden Jahren haben erneute Wellen der Gewalt durch Banden Tausende von Menschen getötet und die humanitäre und politische Krise in Haiti weiter verschärft, so dass Zehntausende aus ihren Häusern fliehen mussten.
Im Jahr 2023 nahmen Morde, Entführungen und sexuelle Gewalt durch kriminelle Gruppen in und um Port-au-Prince dramatisch zu. Nach Angaben der UN wurden in Haiti mindestens 4.789 Menschen getötet und 2.490 entführt, als Folge von Gewalt durch Banden. Die Zahl der für 2023 gemeldeten Tötungsdelikte stieg im Vergleich zu 2022 um 120 Prozent, die Zahl der Entführungen um 83 Prozent.
In Haiti hat die Zahl der Morde und Lynchmorde an mutmaßlichen Bandenmitgliedern ebenfalls alarmierend zugenommen. Im vergangenen Jahr wurden Hunderte von mutmaßlichen Bandenmitgliedern in allen zehn Departements Haitis von Einheimischen und Bürgerwehrgruppen gelyncht. Im Jahr 2023 wurden mindestens 528 Fälle von Lynchjustiz gemeldet.
Einem Bericht des UN-Menschenrechtsbüros zufolge ist die Zahl der Opfer von Bandengewalt in den ersten drei Monaten des Jahres 2024 sprunghaft angestiegen. Zwischen Januar und März 2024 wurden mindestens 2.505 Menschen durch Bandengewalt getötet oder verletzt. Damit waren die ersten drei Monate dieses Jahres der gewalttätigste Berichtszeitraum seit Beginn des Jahres 2022. Im gleichen Zeitraum wurden mindestens 438 Menschen entführt.
Im zweiten Quartal 2024 verzeichnete das Integrierte Büro der Vereinten Nationen in Haiti (BINUH) 1.379 Opfer von Morden oder Körperverletzungen infolge von bandenmäßiger Gewalt. Obwohl diese Zahl einen Rückgang um 45 Prozent gegenüber dem vorangegangenen Quartal darstellt, bleibt die Situation weiterhin alarmierend. Mindestens 428 Menschen wurden zwischen April und Juni 2024 zur Erpressung von Lösegeld entführt. Die meisten Opfer der Bandengewalt wurden in der Hauptstadt und in Artibonite verzeichnet, wo die Gangs ihre Angriffe auf die Landbevölkerung fortsetzten.
In den ersten sechs Monaten dieses Jahres dokumentierte das OHCHR, dass mindestens 2.652 Menschen getötet und 1.280 weitere verletzt wurden, als Folge von Bandengewalt im Land. Darüber hinaus wurden mindestens 893 Menschen von Banden entführt und als Geiseln genommen, um Lösegeld zu erpressen. Auch die Zahl der Opfer sexueller Gewalt, einschließlich Vergewaltigungen, stieg in der ersten Jahreshälfte an. Laut dem UN-Menschenrechtsbüro „setzen Banden weiterhin sexuelle Gewalt ein, um die Bevölkerung zu bestrafen, einzuschüchtern und zu unterwerfen“.
Laut den neuesten Daten der Internationalen Organisation für Migration (IOM) waren im Oktober mehr als 700.000 Menschen Binnenvertriebene, was einem Anstieg von 22 Prozent seit Juni entspricht. Im März waren in Haiti mehr als 362.000 Menschen Binnenvertriebene, die meisten von ihnen aufgrund von Bandengewalt.
Mehr als die Hälfte der Vertriebenen sind Kinder. Etwa drei Viertel der Vertriebenen suchen in anderen Provinzen Schutz, wobei fast die Hälfte der gesamten vertriebenen Bevölkerung in den südlichen Departements Haitis Zuflucht gefunden hat. In Port-au-Prince, wo die Sicherheitslage nach wie vor sehr instabil ist, lebt ein Viertel der Vertriebenen in überfüllten Lagern mit eingeschränktem Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen.
Haiti ist damit das Land mit der weltweit höchsten Zahl an Vertreibungen aufgrund von krimineller Gewalt. Nach Angaben der IOM ist die Zunahme der Vertreibungen hauptsächlich auf die Verschlechterung der Sicherheitslage im Großraum Port-Au-Prince zwischen Februar und April dieses Jahres zurückzuführen.
Anhaltende bewaffnete Angriffe und Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen und der Polizei in einigen Gemeinden in Port-au-Prince führen zu neuen Vertreibungen und zwingen bereits vertriebene Menschen, erneut zu fliehen. Als die Gewalt in der Hauptstadt zunahm, flohen allein zwischen dem 8. März und dem 9. April rund 95.000 Menschen aus Port-au-Prince.
Zusätzlich zu den Vertreibungen in und um die Hauptstadt zwangen die zunehmende Gewalt und die effektive Belagerung durch bewaffnete Gruppen immer mehr Menschen zur Flucht in benachbarte Provinzen. Zwischen April und Juni hatte sich die Zahl der Binnenvertriebenen in der südlichen Region von 116.000 auf 270.000 verdoppelt.
Zehntausende haben versucht, aus dem Land zu fliehen. Trotz wiederholter Aufrufe der Vereinten Nationen, Haitianer nicht gewaltsam nach Haiti zurückzuschicken, haben andere Länder im Jahr 2023 mehr 216.000 Menschen nach Haiti deportiert.
Die Vereinten Nationen warnen, dass der Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen durch die unsichere Lage und die anhaltende Treibstoffkrise ernsthaft gefährdet ist. Die Zunahme der Bandengewalt hatte die Regierung Haitis veranlasst, die internationale Gemeinschaft um Hilfe zu bitten. Um der Gewalt durch Banden Einhalt zu gebieten, ersuchte die Regierung von Premierminister Henry um die Entsendung einer schnellen Eingreiftruppe nach Haiti.
Die Forderung wurde vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, unterstützt. Auch der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, hatte die internationale Gemeinschaft aufgefordert, dringend die Entsendung einer zeitlich befristeten Spezialeinheit zu erwägen.
Am 2. Oktober 2023 genehmigte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eine internationale Truppe zur Unterstützung der haitianischen Polizei. Auf der Grundlage von Kapitel VII der UN-Charta stimmten 13 der 15 Ratsmitglieder für die multinationale Sicherheitsunterstützungsmission, die nicht von den Vereinten Nationen gestellt wird, während sich China und Russland der Stimme enthielten. Ziel der Mission ist es, die haitianische Polizei bei der Eindämmung der zunehmenden Bandengewalt und der Wiederherstellung der Sicherheit in dem Karibikstaat zu unterstützen.
Mit der Resolution 2699 (2023) wird die Sicherheitsunterstützungsmission zunächst für ein Jahr genehmigt, wobei eine Überprüfung nach neun Monaten vorgesehen ist. Kenia hat sich freiwillig bereit erklärt, die multinationale Sicherheitsunterstützungsmission zu leiten und hat rund tausend Polizisten zugesagt. Die karibischen Länder Bahamas, Jamaika sowie Antigua und Barbuda haben sich ebenfalls bereit erklärt, Personal zu stellen. Darüber hinaus haben weitere afrikanische Länder wie der Tschad, der Senegal und Burundi angekündigt, die multinationale Truppe zu verstärken.
Nach monatelangen Verzögerungen trafen im Juni 2024 vierhundert kenianische Sicherheitsbeamte in Haiti ein, als Teil eines internationalen Polizeikontingents, das entsandt wurde, um die grassierende Bandenkriminalität in dem karibischen Land einzudämmen.
Während unklar ist, wann die volle Truppe, die voraussichtlich bis zu 2.500 Polizeibeamte umfassen wird, zum Einsatz kommen wird, gilt die Ankunft des ersten internationalen Polizeikontingents als erster von mehreren Meilensteinen im Prozess der Wiederherstellung von Sicherheit und Stabilität in Haiti.
Mit Stand vom September ist ein Vorauskontingent von etwa 430 Angehörigen der MSS nach Haiti entsandt worden, darunter 410 speziell ausgebildete Polizeibeamte, von denen 383 aus Kenia, 25 aus Jamaika und zwei aus Belize stammen. Kenia wird weitere 600 Sicherheitskräfte nach Haiti entsenden – 300 im Oktober und 300 im November.
Anfang dieses Jahres hatte der Oberste Gerichtshof Kenias den Einsatz als verfassungswidrig abgelehnt. Das Gericht beanstandete unter anderem das Fehlen eines "gegenseitigen Abkommens" zwischen den beiden Ländern. Die kenianische Regierung erwirkte schließlich eine solche Vereinbarung, doch gibt es eine weitere Klage, die die Stationierung verhindern soll. Die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs steht noch aus. Laut dem kenianischen Präsidenten William Ruto hat das ostafrikanische Land alle rechtlichen, verfassungsmäßigen und internationalen Verpflichtungen erfüllt, um die Entsendung der MSS-Mission zu ermöglichen.
Am 1. Oktober 2024 stimmte der UN-Sicherheitsrat einer einjährigen Verlängerung der Multinationalen Sicherheitsunterstützungsmission zu, um der bedrängten nationalen Polizei Haitis bei der Bekämpfung von Banden in dem von Gewalt geplagten Karibikstaat zu helfen. Der 15-köpfige Rat will nun erwägen, die Mission in eine vollwertige UN-Friedensmission umzuwandeln. Resolution 2751 (2024) verlängert die Mission bis zum 2. Oktober 2025.
Seit Ende Februar 2024 ist die Gewalt in vielen Vierteln der Hauptstadt Port-au-Prince eskaliert, da Banden koordinierte Angriffe gegen wichtige öffentliche Einrichtungen gestartet hatten, mit dem Ziel, die Regierung von Premierminister Ariel Henry zu stürzen. Zehntausende wurden infolge der Gewalt vertrieben oder sind aus der Hauptstadt geflohen.
Am 1. März führten schwere Schießereien zu zwei Gefängnisausbrüchen, die Port-au-Prince und die umliegenden Gebiete in ein weiteres Chaos stürzten. Mehr als 4.600 Häftlinge entkamen in Folge dessen aus den beiden Hauptgefängnissen der Hauptstadt, und mindestens 22 Polizeistationen, Außenstellen und andere Polizeigebäude wurden geplündert oder in Brand gesetzt. Bewaffnete Gangs verstärkten auch ihre Angriffe auf andere wichtige Infrastruktureinrichtungen, wie den internationalen Flughafen und den Seehafen.
Angesichts der anhaltenden Gewalt und der Isolierung ist das haitianische Gesundheitssystem stark beeinträchtigt, so dass die Menschen ohne grundlegende medizinische Versorgung dastehen. Alarmierende sechs von zehn Krankenhäusern in Haiti sind kaum noch funktionsfähig. Mehr als 30 medizinische Zentren und Krankenhäuser haben ihre Türen geschlossen, darunter das größte, das L'Hôpital de l'Université d'État d'Haïti, aufgrund von Vandalismus, Plünderungen oder weil sie sich in unsicheren Gebieten befinden. Nur 20 Prozent der Gesundheitseinrichtungen in Port-au-Prince funktionieren normal.
Der Ansturm vertriebener Familien, die sich in Sicherheit bringen wollen, setzt die örtlichen Gesundheitsdienste, die vor der jüngsten Eskalation der Krise kaum in der Lage waren, die Nachfrage zu decken, zusätzlich unter Druck. Die Schließung des Flughafens und der Häfen zwischen Februar und Mai hat zu einer erheblichen Unterversorgung der medizinischen Einrichtungen geführt.
Kämpfe zwischen Banden rund um den internationalen Flughafen der Hauptstadt zwangen alle kommerziellen Fluggesellschaften, den Betrieb einzustellen. Am 20. Mai wurde der Flughafen wieder geöffnet und einige kommerzielle Flüge wurden wieder aufgenommen. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen ist es von entscheidender Bedeutung, dass der Flughafen voll funktionsfähig ist und der Seehafen wieder geöffnet wird, um die Einfuhr von Medikamenten und medizinischen Hilfsgütern in das Land zu gewährleisten.
Im Hinblick auf die Krise der politischen Institutionen des Landes gab es in den letzten Monaten einige ermutigende Entwicklungen.
Am 11. März kündigte der nicht gewählte Premierminister Henry seinen Rücktritt an. Nach seinem Rücktritt sollte ein Übergangsrat die Macht übernehmen. Der Vorschlag für einen Übergangsrat, der das von Gewalt geplagte Haiti regieren sollte, kam bei einem Treffen der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) auf. Der Rat sollte einen Interimspremierminister auswählen und die nächsten Präsidentschaftswahlen vorbereiten sowie einen inklusiven Ministerrat ernennen. Die Interimsregierung wird bis zur Abhaltung von Neuwahlen im Amt bleiben.
Am 12. April wurde ein offizielles Dekret zur Einsetzung des präsidialen Übergangsrats veröffentlicht. Am 25. April wurde der Übergangsrat eingesetzt und der ehemalige Finanzminister Michel Patrick Boisvert zum Interimspremierminister ernannt. Ariel Henry trat als Premierminister zurück. Am 28. Mai wurde Garry Conille zum neuen Premierminister des Karibikstaates ernannt. Am 11. Juni setzte der Übergangsrat Haitis ein neues Kabinett ein.
Im September wurden sieben der neun Mitglieder des Provisorischen Wahlrats ernannt, die verschiedene Bereiche der haitianischen Gesellschaft repräsentieren. Die Mitglieder, die Menschenrechtsorganisationen und Frauenrechtsgruppen vertreten, müssen noch ernannt werden.
Nach Einschätzung der Vereinten Nationen benötigt Haiti eine Kombination aus einer verstärkten nationalen Polizei, der raschen Entsendung der multinationalen Unterstützungstruppe und glaubwürdigen Wahlen, um das Land wieder auf den Weg der Sicherheit und Stabilität zu bringen. Das Aufflammen der Gewalt im Land hat die ohnehin schon verheerenden Lebensbedingungen für Millionen von Menschen, vor allem in der Hauptstadt Port-au-Prince, weiter verschärft.
Spenden
Ihre Spende für die Nothilfe in Haiti kann dazu beitragen, dass die Organisationen der Vereinten Nationen, internationale humanitäre Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und ihre Partner vor Ort den Menschen, die es am nötigsten brauchen, rasch Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Unterkünfte und andere Hilfsgüter zur Verfügung stellen können.
- UN-Krisenhilfe: Haiti Humanitarian Fund
https://crisisrelief.un.org/t/haiti-humanitarian-fund - Welternährungsprogramm (WFP): Haiti Krise
https://de.wfp.org/krisen/haiti - UNICEF Deutschland: Spenden Haiti
https://www.unicef.de/informieren/projekte/suedamerika-mittelamerika-7082/haiti-19502 - medico international: Nothilfe Haiti
https://www.medico.de/nothilfe-haiti - Diakonie Katastrophenhilfe: Haiti
https://www.diakonie-katastrophenhilfe.de/projekte/haiti - Welthungerhilfe: Spenden Haiti
https://www.welthungerhilfe.de/spenden-haiti
Sie können auch eine nicht zweckgebundene Spende in Betracht ziehen an humanitäre Organisationen, welche in Haiti aktiv sind.
- UN-Krisenhilfe: Zentraler Nothilfefonds
https://crisisrelief.un.org/t/cerf - Ärzte ohne Grenzen: Haiti
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/unsere-arbeit/einsatzlaender/haiti
Weitere Organisationen, an die Sie spenden können, finden Sie unter: Humanitäre Krisenhilfe, Flucht und Vertreibung, Kinder in Not, Hunger und Ernährungsunsicherheit, Medizinische Nothilfe, Vulnerable Gruppen, Glaubensbasierte humanitäre Organisationen und Menschenrechtsorganisationen.
Weitere Informationen
- International Crisis Group: Haiti (in Englisch)
https://www.crisisgroup.org/latin-america-caribbean/haiti - European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations: Haiti (in Englisch)
https://civil-protection-humanitarian-aid.ec.europa.eu/where/latin-america-and-caribbean/haiti_en - Human Rights Watch World Report 2023: Haiti (in Englisch)
https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/haiti - ACAPS: Haiti (in Englisch)
https://www.acaps.org/country/haiti/crisis/complex-crisis - United Nations Integrated Office in Haiti (BINUH) (in Englisch)
https://binuh.unmissions.org/en - Human Rights Watch World Report 2024: Haiti (in Englisch)
https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/haiti - Amnesty International: Report 2023/2024: Human rights in Haiti (in Englisch)
https://www.amnesty.org/en/location/americas/central-america-and-the-caribbean/haiti/report-haiti/
Zuletzt aktualisiert: 03/10/2024