Das Gebiet
Das Westjordanland und der Gazastreifen fielen während des Ersten Weltkriegs an die britischen Streitkräfte und wurden Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina. 1967 wurden der Gazastreifen und das Westjordanland im Sechs-Tage-Krieg von Israel eingenommen. Die besetzten palästinensischen Gebiete (Occupied Palestinian Territory, OPT) bestehen aus dem Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, und dem Gazastreifen. Obwohl die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) seit 1994 den größten Teil des Gazastreifens und Teile des Westjordanlands unter ihrer Kontrolle verwaltet, wird Palästina gemeinhin nicht als unabhängiger Staat anerkannt. Während das Westjordanland ein von Land umschlossenes Gebiet ist, das an Israel und Jordanien grenzt, ist der Gazastreifen ein Küstengebiet am östlichen Mittelmeer, das an Israel und Ägypten grenzt. Im Jahr 2024 leben in den besetzten palästinensischen Gebieten schätzungsweise 5,5 Millionen Menschen, davon 3,2 Millionen im Westjordanland und 2,3 Millionen im Gazastreifen. Das OPT erstreckt sich über eine Fläche von 6.220 Quadratkilometern.
Die humanitäre Lage
Die humanitäre Lage in den besetzten palästinensischen Gebieten ist durch eine langwierige politische Krise geprägt, die durch 56 Jahre israelische Militärbesatzung gekennzeichnet ist. Die humanitäre Krise wird durch Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, die Missachtung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechte, interne palästinensische Spaltungen und die wiederholte Eskalation der Feindseligkeiten zwischen israelischen Sicherheitskräften und bewaffneten palästinensischen Gruppen verschärft.
Seit Oktober 2023 hat sich die humanitäre Lage im Gazastreifen aufgrund der Angriffe des israelischen Militärs in Folge von Gräueltaten bewaffneter palästinensischer Gruppen in Israel dramatisch verschlechtert. Die zunehmende Eskalation der Gewalt und die von der israelischen Regierung verhängte vollständige Belagerung des Gazastreifens hat zu einer beispiellosen humanitären Katastrophe geführt, während die Menschen verhungern und eine Hungersnot unmittelbar bevorsteht. (Siehe die Sicherheitslage für aktuelle Informationen.). Auch die humanitäre Lage im Westjordanland hat sich nach dem Ausbruch des Krieges im Gazastreifen erheblich verschlechtert.
Millionen von Palästinensern kämpfen darum, ihre grundlegenden Bedürfnisse zu befriedigen und ein Leben in Würde zu führen. Etwa 5,9 Millionen registrierte palästinensische Flüchtlinge leben in den besetzten palästinensischen Gebieten, in Jordanien, Syrien und im Libanon. Die meisten registrierten palästinensischen Flüchtlinge leben in Jordanien (2,3 Millionen), im Gazastreifen (1,44 Millionen), im Westjordanland (997.000), im Libanon (532.000) und in Syrien (618.000). Der Syrienkonflikt, der 2011 begann, hatte verheerende Auswirkungen auf die palästinensischen Flüchtlinge im Land. Mehr als 120.000 flohen aus Syrien, die meisten von ihnen in den Libanon.
Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) ist eine UN-Organisation, die palästinensischen Flüchtlingen Gesundheits-, Bildungs- und andere grundlegende Versorgungsleistungen bietet. Das 1949 gegründete Hilfswerk ist im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, und im Gazastreifen sowie in Jordanien, Libanon und Syrien tätig. Da eine politische Lösung für die palästinensischen Flüchtlinge nicht in Sicht ist, hat die UN-Generalversammlung das Mandat des UNRWA wiederholt verlängert.
Das UN-Hilfswerk stellt die medizinische Grundversorgung für rund 2 Millionen Palästinenser in den besetzten palästinensischen Gebieten, Jordanien, Syrien und Libanon sicher. Das UNRWA betreibt mehr als 700 Schulen, in denen mehr als eine halbe Million Kinder unterrichtet werden. Nur noch ein Drittel der registrierten Palästinaflüchtlinge lebt in Flüchtlingslagern. Zwei Drittel leben in Städten, Gemeinden und Dörfern im gesamten Einsatzgebiet des UN-Hilfswerks, und viele sind aus dem Gebiet weggezogen und leben in Drittländern.
Bevor der Eskalation der Gewalt in den besetzten palästinensischen Gebieten im Oktober 2023 waren im Westjordanland und im Gazastreifen rund 1,8 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen, darunter etwa 1,1 Millionen Menschen mit akuter Ernährungsunsicherheit.
Mittlerweile wurde die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens (etwa 2,3 Millionen Menschen) in IPC-Phase 3 oder höher (Krise oder schlimmer) eingestuft. Dies ist der höchste Anteil an Menschen, die mit einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit konfrontiert sind, die jemals für ein bestimmtes Gebiet oder Land ermittelt wurde. Die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens ist unmittelbar von einer Hungersnot bedroht.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass in diesem Jahr 3,3 Millionen Palästinenser in den besetzten Gebieten humanitäre Hilfe benötigen. Darunter befinden sich mehr als 1,5 Million Kinder. Die Notleidenden machen 100 Prozent der Bevölkerung im Gazastreifen und mehr als ein Viertel der Menschen im Westjordanland aus.
In einem UN-Soforthilfeaufruf werden 2,8 Milliarden US-Dollar gefordert, damit die UN-Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf die dringenden Bedürfnisse von 3,1 Millionen Menschen im Gazastreifen und im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, reagieren können. Der Soforthilfeaufruf erstreckt sich über einen Zeitraum von neun Monaten, von April bis Dezember 2024, und zielt auf 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen - die gesamte Bevölkerung - sowie 800.000 Menschen im Westjordanland.
Insgesamt werden 4,1 Milliarden US-Dollar benötigt, um die 3,3 Millionen Menschen zu unterstützen, die dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.
Die Sicherheitslage
Im Rahmen einer Reihe von Abkommen, die als Osloer Abkommen bekannt sind und zwischen 1993 und 1999 unterzeichnet wurden, übertrug Israel der neu geschaffenen Palästinensischen Autonomiebehörde die Sicherheits- und Zivilverantwortung für viele palästinensisch besiedelte Gebiete im Westjordanland und im Gazastreifen. Seit 1994 verwaltet die Palästinensische Autonomiebehörde Teile des Westjordanlands unter ihrer Kontrolle, vor allem die großen palästinensischen Bevölkerungszentren und die Gebiete in deren unmittelbarer Umgebung. Etwa 60 Prozent des Westjordanlands stehen weiterhin unter vollständiger ziviler und militärischer Kontrolle Israels, was den Personen- und Warenverkehr in diesem Gebiet stark behindert. Der Gazastreifen wird seit 2007 de facto von der Islamischen Widerstandsbewegung (HAMAS) regiert.
Vor dem 7. Oktober 2023
Die wiederkehrende Eskalation der Feindseligkeiten zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen verschlechtert die Situation für die Menschen in den besetzten Gebieten dramatisch. Die humanitären Bedingungen, die durch die politische und sicherheitspolitische Krise entstanden sind, wirken sich weiterhin auf alle Teile des Gebiets aus und beeinträchtigen nahezu jeden Aspekt des palästinensischen Lebens. Seit fünf Jahrzehnten haben die Palästinenser mit den Folgen der Besatzung und der politischen Unruhen in Bezug auf Sicherheit und Schutz zu kämpfen.
Trotz ihrer Verantwortung als Besatzungsmacht und Vertragspartei der Genfer Konventionen führt die israelische Regierung in den besetzten palästinensischen Gebieten weiterhin Maßnahmen durch, die gegen die Genfer Konventionen verstoßen und die humanitären Bedürfnisse und Schutzrisiken der palästinensischen Bevölkerung verschärfen. Diese Politik bedroht auch die Fähigkeit humanitärer Organisationen, wirksam auf die Notsituation zu reagieren.
Nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) ist die Präsenz der israelischen Streitkräfte, einschließlich Durchsuchungen und Verhaftungen bei Tag und Nacht, Festnahmen, Inhaftierungen und Misshandlungen von Kindern, nach wie vor hoch. Laut OCHA hat ein steiler Anstieg der konfliktbezogenen Gewalt, einschließlich der Angriffe von Siedlern, die öffentliche Sicherheit weiter beeinträchtigt und die Angst in der Bevölkerung in den OPT, insbesondere bei Kindern, verstärkt. Der Zugang zu psychischer Gesundheit und psychosozialen Diensten ist nach wie vor begrenzt, ebenso wie der Zugang zu wichtigen Gesundheitsdiensten, vornehmlich im Gazastreifen.
Vor dem 7. Oktober 2023, führte die wiederholte Eskalation der Feindseligkeiten im Gazastreifen zu Todesfällen, Verletzungen, psychischen Erkrankungen, der Zerstörung von Häusern und Gebäuden und verschlimmert die chronischen Defizite des Gazastreifens in den Bereichen Wohnraum, Infrastruktur und Energie. Die israelischen Praktiken, die darauf abzielen, die gewaltsame Umsiedlung von Palästinensern und die Annexion von Gebieten zu beschleunigen, nahmen zu. Das hohe Maß an Zerstörungen und Beschlagnahmungen palästinensischer Gebäude ist nach wie vor ein Element der Zwangsmaßnahmen, die vielen Palästinensern im gesamten Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, keine andere Wahl lassen, als ihre Häuser und Gemeinden zu verlassen.
Nach dem 7. Oktober 2023
Im Oktober 2023 eskalierte die Gewalt in Israel und in den besetzten palästinensischen Gebieten dramatisch. Am 7. Oktober feuerten bewaffnete palästinensische Gruppen im Gazastreifen, darunter auch Kämpfer der militanten HAMAS-Gruppe, Tausende von Raketen auf Israel ab und durchbrachen an mehreren Stellen einen Grenzzaun des Gazastreifens.
Mitglieder der bewaffneten Gruppen drangen in israelische Städte, Gemeinden und Militäreinrichtungen in der Nähe des Gazastreifens ein und töteten und nahmen israelische Streitkräfte und Zivilisten gefangen. Berichten zufolge wurden mehr als 1.200 Israelis und Ausländer, die meisten von ihnen Zivilisten, getötet und mehr als 5.400 verletzt, die Mehrheit am 7. Oktober. Etwa 240 Menschen, darunter Israelis und Staatsangehörige anderer Länder, wurden im Gaza-Streifen als Geiseln festgehalten. Mehr als 120 der Geiseln wurden seitdem freigelassen, die meisten von ihnen während eines einwöchigen Waffenstillstandsabkommens zwischen Israel und der HAMAS.
Nach dem massiven Angriff erklärte das israelische Kabinett den Krieg, und das Militär begann mit wahllosen und unverhältnismäßigen Angriffen auf den Gazastreifen. Dabei wurden mehr als 41.700 Palästinenser - mehr als 2 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens - getötet und mehr als 96.700 Menschen verwundet, von denen viele lebensverändernde Verletzungen erlitten haben, die sie für immer behindern werden, darunter mehr als 1.000 Kinder, die ein oder mehrere obere oder untere Gliedmaßen verloren haben.
Schätzungen zufolge wird ein Viertel der Verletzten in Gaza, etwa 24,000 Menschen, lebenslange spezialisierte Rehabilitation und unterstützende Pflege benötigen, darunter Menschen mit schweren Gliedmaßenverletzungen, Amputationen, Rückenmarksverletzungen, traumatischen Hirnverletzungen und schweren Verbrennungen.
Unter den Getöteten befinden sich mindestens 304 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, 226 UN-Mitarbeiter, 986 Angehörige des Gesundheitswesens und 174 Journalisten Über 10.000 Menschen – darunter Tausende Kinder – werden vermisst und gelten als tot. Insgesamt wurden bei den Luft- und Bodenoperationen Israels im Gazastreifen seit dem 7. Oktober letzten Jahres nahezu 150.000 Menschen getötet, verwundet oder gelten als vermisst, was über 7 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens entspricht.
Bis zu 70 Prozent der Todesopfer sind Berichten zufolge Kinder und Frauen. Schätzungen zufolge wurden mindestens 3.000 Frauen zu Witwen, 10.000 Kinder zu Waisen, und mehr als eine Million Menschen haben ihr Zuhause verloren.
Über 60 Prozent aller Wohneinheiten im Gazastreifen, einem dicht besiedelten Gebiet, wurden seit Beginn der Feindseligkeiten entweder zerstört oder beschädigt. Dabei wurden mehr als 70.000 Wohneinheiten zerstört und mehr als 290.000 beschädigt. Ganze Wohnviertel sind dem Erdboden gleichgemacht worden. Im Januar 2024 waren nach Angaben der Weltbank über 60 Prozent der Wohngebäude und über 80 Prozent der Geschäftsgebäude entweder zerstört oder beschädigt.
Seit mehr als neun Monaten spielt sich im Gazastreifen eine beispiellose humanitäre Katastrophe ab: Die Menschen sterben an den Folgen der Angriffe und des Hungers, und es droht eine Hungersnot. Führende UN-Vertreter haben die Situation in Gaza als "apokalyptisch", "die Hölle auf Erden" und "jenseits von katastrophal" bezeichnet und erklärt, dass der humanitären Gemeinschaft "die Worte ausgehen, um zu beschreiben, was in Gaza geschieht".
Etwa 1,9 Millionen Menschen - 90 Prozent der Gesamtbevölkerung des Gazastreifens - sind aufgrund der Angriffe des israelischen Militärs oder israelischer Evakuierungsbefehle vertrieben worden, darunter Menschen, die bis zu neun oder zehn Mal zur Flucht gezwungen waren. Unter den durch den Krieg entwurzelten Menschen befinden sich mindestens 1 Million Kinder, darunter etwa 17.000 unbegleitete oder getrennte Jungen und Mädchen.
Mehr als 85 Prozent des Gazastreifens wurden von den israelischen Streitkräften unter Evakuierungsbefehl gestellt oder zur "No-Go-Zone" erklärt, so dass 1,9 Millionen Binnenflüchtlinge auf etwa 15 Prozent des winzigen Gebiets beschränkt sind.
Im Juli schätzten die Vereinten Nationen die derzeitige Bevölkerung des Gazastreifens auf etwa 2,1 Millionen, während sie für 2024 von 2,3 Millionen ausgingen. Während mehr als 40.000 Menschen bei israelischen Angriffen getötet wurden, sind Berichten zufolge rund 110.000 Palästinenser nach Ägypten gelangt.
Die Vereinten Nationen und humanitäre Organisationen haben ihre tiefe Sorge um die Zivilbevölkerung im Gazastreifen zum Ausdruck gebracht, nachdem Israel die gesamte Bevölkerung - mehr als 1,1 Millionen Menschen - aufgefordert hatte, den nördlichen Teil des Gazastreifens zu verlassen. Sie befürchteten katastrophale Folgen und warnten, dass weder die Aufforderung zum Verlassen noch die von Israel verhängte totale Belagerung des Gazastreifens mit dem humanitären Völkerrecht vereinbar sind.
Hunderttausende Palästinenser sind angesichts der israelischen Luftangriffe in Panik aus ihren Häusern geflohen. Mehr als eine Million Menschen, die Hälfte der Bevölkerung des Gazastreifens, wurden aus dem Norden des Gazastreifens in den Süden gedrängt. Der Süden blieb von den Bombardierungen jedoch nicht verschont, und es gibt dort eine Vielzahl von getöteten Zivilisten.
Die israelischen Militäroperationen haben sich auf den südlichen Gazastreifen ausgeweitet und zwingen erneut Zehntausende zur Flucht. Israel hatte die Palästinenser in den Gebieten um die Stadt Khan Younis im Gazastreifen angewiesen, nach Rafah, weiter südlich, nahe der Grenze zu Ägypten, zu evakuieren. Viele dieser Menschen wurden bereits mehr als einmal aus anderen Teilen des Gazastreifens vertrieben. Monatelang beherbergte Rafah mehr als 50 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens.
Laut OCHA gibt es im Gazastreifen keinen Strom, kein Wasser, keinen Treibstoff, keine Lebensmittelvorräte. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezeichnete die humanitären Auswirkungen des Evakuierungsbefehls als "Todesurteil" für viele Menschen und erklärte, es sei "unmöglich, gefährdete Krankenhauspatienten aus dem Norden des Gazastreifens zu evakuieren".
Die Zerstörung der Wasserversorgung und der Abwasserentsorgung, der Krankenhäuser, der Stromleitungen und der Mobilfunkmasten, von denen viele als militärische Ziele behandelt werden, erschwert das Funktionieren der kritischen Versorgungseinrichtungen zusätzlich. Israel hat die Kommunikations- und Internetdienste, einschließlich der Satellitenverbindungen, mehrfach vollständig unterbrochen, was Panik auslöste und den Zugang zu wichtigen Versorgungsleistungen und die humanitären Bemühungen erheblich beeinträchtigte.
Die Vertriebenen kampieren auf der Straße, sind in informellen Unterkünften, Notunterkünften (UNRWA und öffentlichen Unterkünften) oder in unmittelbarer Nähe von bis zu 155 UNRWA-Unterkünften und -Verteilungsstellen sowie in den Aufnahmegemeinden unter immer schlechteren Bedingungen untergekommen. Schätzungen zufolge haben über 15 Prozent der Binnenvertriebenen Behinderungen und besondere Bedürfnisse.
Die UNRWA-Unterkünfte nehmen weit mehr Menschen auf, als für sie vorgesehen sind. Die Überbelegung führt zu einer Ausbreitung von Krankheiten, darunter akute Atemwegserkrankungen und Durchfall. Im Norden des Gazastreifens verbleiben Zehntausende von Menschen, die nicht in den Süden ziehen können oder wollen, inmitten heftiger Feindseligkeiten. Sie kämpfen darum, das Minimum an Wasser und Nahrungsmitteln zum Überleben zu beschaffen.
Intensive israelische Bombardierungen aus der Luft, vom Land und vom Meer aus dauern in weiten Teilen des Gazastreifens an und führen zu weiteren Opfern unter der Zivilbevölkerung und Zerstörungen. Die Bodenoperationen der israelischen Streitkräfte werden in weiten Teilen des Gazastreifens fortgesetzt. Hunderttausende von Zivilisten suchen Schutz, obwohl sie den Gazastreifen nicht verlassen können und es keine sicheren Zufluchtsorte gibt, da selbst Krankenhäuser und UN-Einrichtungen, die nach dem humanitären Völkerrecht besonderen Schutz genießen, angegriffen werden.
Nach Angaben des UNRWA wurden bisher mehr als 464 Angriffe gemeldet, die 190 UNRWA-Einrichtungenbetrafen, darunter direkte Treffer auf UNRWA-Einrichtungen und verschiedene UNRWA-Gebäude, die Kollateralschäden erlitten. Viele Menschen wurden von israelischen Sicherheitskräften getötet und verletzt, als sie sich an Orten in Sicherheit brachten, die durch das humanitäre Völkerrecht geschützt sind.
Das Gouvernement Rafah war der wichtigste Zufluchtsort für die Vertriebenen. Nach der Verschärfung der Feindseligkeiten in Khan Younis und Deir al Balah und den Evakuierungsbefehlen des israelischen Militärs waren rund 1,5 Millionen Menschen auf extrem überfülltem Raum zusammengepfercht. Nach Angaben des UN-Nothilfekoordinators waren ihre Lebensbedingungen katastrophal. Den Menschen fehlte das Nötigste zum Überleben, sie waren von Hunger, Krankheit und Tod bedroht.
Die Eskalation der militärischen Aktivitäten der israelischen Streitkräfte in und um Rafah behindert den humanitären Zugang weiter und verschlimmert die ohnehin schon verheerende Situation. Die israelische Bodenoffensive wird weiter ausgeweitet, insbesondere in Rafah.
Seit Anfang Mai wurden mehr als 1,4 Million Palästinenser - mehr als die Hälfte der Gesamtbevölkerung - durch israelische Evakuierungsbefehle oder Angriffe aus Rafah, der südlichsten Stadt des Gazastreifens, gewaltsam vertrieben. Israel intensiviert seine Boden- und Luftangriffe in dem Gebiet, wodurch Tausende von Menschenleben gefährdet und der Zugang zu lebenswichtiger humanitärer Hilfe blockiert wird. Die meisten der Geflüchteten wurden bereits mehrmals vertrieben.
Die Vereinten Nationen, Regierungen und Hilfsorganisationen hatten die israelischen Behörden seit Wochen aufgefordert, Rafah zu verschonen, und gewarnt, dass eine groß angelegte israelische Militäroperation in Rafah ein Blutbad anrichten und die lebensrettende humanitäre Arbeit im gesamten Gazastreifen lähmen würde. Seit Wochen sind viel zu wenige Hilfsgüter in den Gazastreifen gelangt, und lebenswichtige Güter wie Treibstoff, Lebensmittel und Wasser sind ausgegangen oder werden in gefährlicher Weise knapp.
Der wichtigste Grenzübergang zum Gazastreifen in der Nähe der ägyptischen Grenze ist nach wie vor geschlossen oder unsicher, da er sich in der Nähe oder in Kampfgebieten befindet. Am 7. Mai übernahmen israelische Streitkräfte die Kontrolle über die palästinensische Seite des Grenzübergangs Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen und stoppten alle wichtigen Hilfslieferungen in den Gazastreifen.
Die anhaltenden Evakuierungsbefehle verschlimmern die humanitäre Katastrophe und destabilisieren den Fluss der humanitären Hilfe weiter. Die ständigen militärischen Angriffe der IDF haben ein unsicheres Umfeld für die Hilfsorganisationen geschaffen, was dazu führt, dass nur wenig Hilfe die Notleidenden erreicht.
Die Vereinten Nationen äußerten sich sehr besorgt über die von Israel im Juli angeordnete Evakuierung großer Teile von Khan Younis, die etwa ein Drittel des Gazastreifens ausmacht und von der bis zu 250.000 Zivilisten betroffen waren. Eine Vielzahl von Menschen ist gezwungen, auf Befehl des israelischen Militärs zu fliehen, ohne Rücksicht auf ihre Sicherheit oder Würde. Trotz der Versprechungen, dass ein Gebiet "sicher" sei, kommt es regelmäßig zu Angriffen, bei denen eine enorme Anzahl von Zivilisten getötet wird.
Die von Israel als "humanitär" und "sicher" bezeichneten Gebiete sind in Wirklichkeit das Gegenteil und stellen die Familien vor die grausame Wahl, in einer aktiven Kampfzone zu bleiben oder in ein gefährliches, bereits hoffnungslos überfülltes und unbewohnbares Gebiet zu ziehen. Trotz der häufigen Evakuierungsbefehle und der großen Zahl von Menschen, die zur erneuten Flucht gezwungen werden, ist keine der erklärten "sicheren Zonen" und "Evakuierungsrouten" in Gaza tatsächlich sicher.
Israels unerbittlicher Angriff auf die Enklave birgt weiterhin erhebliche Gefahren für Vertriebene und humanitäre Helfer. Das israelische Militär hat systematisch Zivilisten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen angegriffen, auch in den klar ausgewiesenen "sicheren Zonen" und "Evakuierungsrouten", aber nirgendwo in Gaza ist es sicher.
Vertreter der Vereinten Nationen warnen davor, dass der Gazastreifen in einen Zustand der Anarchie verfallen ist, der die Bemühungen um die Bereitstellung humanitärer Hilfe für Millionen von Palästinensern in verzweifelter Lage behindert. Laut OCHA schaffen verstärkte Angriffe, Zugangsbeschränkungen, Treibstoffmangel und der Zusammenbruch von Recht und Ordnung weiterhin ein äußerst unbeständiges und risikoreiches Arbeitsumfeld für die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, wodurch die Bereitstellung lebensrettender Hilfe im gesamten Gazastreifen weiter behindert wird.
Krankenhäuser haben mit einem gravierenden Mangel an Treibstoff und medizinischem Material zu kämpfen und können ihre Vorräte nicht auffüllen. Kliniken, die nach dem humanitären Völkerrecht unter besonderem Schutz stehen, werden von den israelischen Streitkräften angegriffen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat seit dem 7. Oktober 2023 mehr als 1000 Angriffe auf die Gesundheitsversorgung im Gazastreifen und im Westjordanland registriert.
Die WHO berichtet außerdem von einem Anstieg der Infektionskrankheiten im Gazastreifen. Bis zum 7. Juli wurden fast 1 Million Fälle von akuten Atemwegsinfektionen, 577.000 Fälle von akuter wässriger Diarrhöe, 107.000 Fälle von akuter Gelbsucht und 12.000 Fälle von blutiger Diarrhöe registriert. Außerdem wurden fast 200.000 Fälle von Krätze, Läusen, Hautausschlägen, Windpocken und anderen Krankheiten registriert.
UN-Organisationen und lokale Behörden warnen, dass angesichts der chronischen Wasserknappheit und der völligen Unmöglichkeit, Abfälle und Abwässer zu entsorgen, ein hohes Risiko einer weiteren Ausbreitung von Infektionskrankheiten im Gazastreifen besteht. Besonders besorgniserregend ist der jüngste Nachweis von zirkulierenden Polioviren des Typs 2 im Abwassersystem des Gazastreifens. Unter den herrschenden katastrophalen Bedingungen in Gaza besteht ein hohes Risiko der Ausbreitung dieser tödlichen Lähmungskrankheit innerhalb der palästinensischen Enklave und über die Grenzen hinweg.
Seit Beginn der Feindseligkeiten mussten bis zu 70 Prozent der Krankenhäuser im Gazastreifen aufgrund der erlittenen Schäden, fehlender Strom- und Versorgungsquellen oder Evakuierungsanordnungen geschlossen werden, was den Druck auf die verbleibenden, noch funktionierenden Gesundheitseinrichtungen erhöht. Nach elf Monaten der Feindseligkeiten hat das Gesundheitssystem in Gaza 70 Prozent seiner Bettenkapazität verloren.
Derzeit sind nur 17 von 36 Krankenhäusern im Gazastreifen und 56 von 131 Einrichtungen der medizinischen Grundversorgung teilweise funktionsfähig und in der Lage, neue Patienten aufzunehmen, auch wenn die Leistungen eingeschränkt sind. Alle drei Krankenhäuser in Rafah sind derzeit nicht funktionsfähig, so dass mehr als 70.000 Menschen keinen Zugang haben.
Im Gazastreifen sind etwa 50.000 schwangere Frauen dringend auf pränatale und postnatale Versorgung angewiesen. 350.000 Menschen leiden an nicht übertragbaren Krankheiten und benötigen Zugang zu medizinischer Versorgung. Insgesamt sind 155.000 schwangere Frauen und stillende Mütter sowie mehr als 135.000 Kinder unter zwei Jahren im Gazastreifen besonders gefährdet.
Die humanitären Hilfsgüter, die seit dem 21. Oktober in den Gazastreifen gelangt sind, haben den Mangel an Wasser, Lebensmitteln und Medikamenten nur geringfügig gelindert. Vor der aktuellen Krise wurden an jedem Werktag rund 500 Lastwagenladungen mit Gütern nach Gaza transportiert - ein monatlicher Durchschnitt von fast 10.000 Lkw-Ladungen mit kommerziellen und humanitären Gütern. Die israelischen Behörden beschränken weiterhin den Zustrom von humanitären Hilfsgütern, einschließlich Treibstoff, insbesondere in den Norden und den Süden des Gazastreifens.
Nach dem humanitären Völkerrecht (HVR) muss Israel sicherstellen, dass die Grundbedürfnisse der Bevölkerung des Gazastreifens gedeckt werden. Unter anderem muss es sicherstellen, dass der Gazastreifen mit ausreichend Wasser, Lebensmitteln, medizinischer Versorgung und anderen lebensnotwendigen Gütern versorgt wird, um der Bevölkerung das Überleben zu ermöglichen.
Seit Israel am 9. Oktober die vollständige Belagerung des Gazastreifens verhängt hat, ist jedoch nie genügend Hilfe in die Enklave gelangt, um den Bedarf vor Ort zu decken. Seit mehr als elf Monaten hat Israel es unterlassen, überlebenswichtige Hilfsgüter für die rund 2,1 Millionen Menschen, die noch immer im Gazastreifen leben, zu liefern oder auch nur deren Lieferung zu gewährleisten.
Hilfsorganisationen bestätigen, dass zwischen April und Anfang Mai mehr Hilfsgüter in den Gazastreifen geliefert werden konnten. Sie betonten jedoch, dass dies noch immer nicht ausreiche und die Gefahr einer Hungersnot nicht gebannt sei. OCHA berichtete, dass die humanitären Organisationen in diesem Zeitraum weiterhin mit einer Reihe von Zugangsbeschränkungen konfrontiert waren, wenn sie die Not leidenden Menschen im gesamten Gazastreifen erreichen wollten, einschließlich der Verweigerung geplanter Missionen oder langer Verzögerungen an israelischen Militärkontrollpunkten.
In den UN-Unterkünften und im gesamten Gazastreifen zeichnet sich eine Wasserkrise ab, da die Infrastruktur beschädigt ist, der für den Betrieb von Pumpen und Entsalzungsanlagen erforderliche Strom fehlt und das Wasserangebot auf dem lokalen Markt begrenzt ist. Aufgrund der Blockade des Gazastreifens durch die israelischen Behörden können die Wasservorräte nicht wieder aufgefüllt werden. Das einzige Kraftwerk in Gaza hat keinen Treibstoff mehr und musste seinen Betrieb einstellen, was zu einem sofortigen Stromausfall führte, der im gesamten Gazastreifen anhält.
Zwei von drei aus Israel kommende Wasserversorgungsleitungen sind teilweise in Betrieb. Es besteht nach wie vor große Besorgnis über durch Wasser übertragene Krankheiten, die auf den Konsum von Wasser aus unsicheren Quellen zurückzuführen sind.
Die gesamte Bevölkerung des Gazastreifens - mehr als 2,2 Millionen Menschen - ist von akutem Hunger betroffen und von einer Hungersnot bedroht. Der jüngste Bericht der Integrated Food Security Phase Classification (IPC) für den Gazastreifen, der am 25. Juni veröffentlicht wurde, zeigt, dass 96 Prozent der Bevölkerung von akuter Ernährungsunsicherheit auf Krisenniveau oder schlimmer betroffen sind, wobei fast eine halbe Million Menschen unter katastrophalen Bedingungen leiden.
Der Analyse zufolge werden 2,15 Millionen der untersuchten 2,25 Millionen Menschen in der Zeit bis September 2024 von einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit betroffen sein, wobei 745.000 Menschen (33 Prozent) in eine Notlage (IPC-Phase 4) und über 495.000 Menschen (22 Prozent) in eine katastrophale Lage geraten sind (IPC-Phase 5).
Am 25. Juni veröffentlichte auch das IPC Famine Review Committee (FRC) seine neuesten Erkenntnisse und Empfehlungen. Es kommt zu dem Schluss, dass die Lage im Gazastreifen nach wie vor katastrophal ist und dass im gesamten Gazastreifen ein hohes und anhaltendes Risiko einer Hungersnot besteht.
Das Netzwerk für Hungerfrühwarnsysteme (FEWS NET) erklärte in einer am 31. Mai veröffentlichten Analyse, es sei möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich, dass alle drei IPC-Schwellenwerte für eine Hungersnot - Nahrungsmittelverbrauch, akute Unterernährung und Sterblichkeit - im nördlichen Gazastreifen im April erreicht oder überschritten wurden. Dutzende von Kindern sind an den Folgen von Unterernährung und Dehydrierung gestorben.
Israel macht vor der Weltöffentlichkeit geltend, dass seine Luftangriffe und Vergeltungsmaßnahmen auf Einrichtungen der HAMAS abzielten, aber die Zivilbevölkerung - einschließlich der Mitarbeiter humanitärer Organisationen und des Gesundheitspersonals - trägt die Hauptlast der Angriffe, was einen schweren Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen darstellt. Die Vereinten Nationen haben die israelische Regierung nachdrücklich aufgefordert, die kollektive Bestrafung der gesamten Bevölkerung des Gazastreifens einzustellen, und betont, dass kollektive Bestrafung ein Kriegsverbrechen ist.
Die Vereinten Nationen, darunter Generalsekretär António Guterres und der Hochkommissar für Menschenrechte Volker Türk, humanitäre Organisationen, Menschenrechtsorganisationen und unabhängige UN-Menschenrechtsexperten haben wiederholt den Schutz der Zivilbevölkerung, einen sofortigen Waffenstillstand und die Zulassung dringend benötigter humanitärer Hilfe für den Gazastreifen gefordert, während einflussreiche Regierungen auf der Welt den Konflikt weiter anheizen und keine Maßnahmen ergreifen, um die anhaltende humanitäre Katastrophe in Gaza zu beenden. Ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand für Millionen Menschen im Gazastreifen zu einer Frage von Leben und Tod geworden.
Am 27. Oktober verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen (GA) eine Resolution, in der eine "sofortige, dauerhafte und anhaltende humanitäre Waffenruhe" gefordert wird. Die Resolution der Generalversammlung fordert außerdem eine "kontinuierliche, ausreichende und ungehinderte" Versorgung der im Gazastreifen eingeschlossenen Zivilisten mit lebenswichtigen Gütern und Dienstleistungen. Das Gremium nahm die Resolution mit einer überwältigenden Mehrheit von 120 zu 14 Stimmen an, bei 45 Enthaltungen.
Am 12. Dezember verabschiedete die Generalversammlung mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, in der ein "sofortiger humanitärer Waffenstillstand", die sofortige und bedingungslose Freilassung aller Geiseln sowie die "Sicherstellung des humanitären Zugangs" gefordert werden. In der Resolution wird auch die Forderung der Generalversammlung bekräftigt, dass alle Parteien ihren Verpflichtungen aus dem Völkerrecht, einschließlich des humanitären Völkerrechts, nachkommen müssen, "insbesondere im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung". Die Resolution wurde mit einer überwältigenden Mehrheit von 153 Ja-Stimmen bei 10 Gegenstimmen und 23 Enthaltungen angenommen.
Die Resolutionen der Generalversammlung sind jedoch nicht rechtsverbindlich wie jene des Sicherheitsrates.
Nachdem es dem UN-Sicherheitsrat wochenlang nicht gelungen war, eine Resolution zu beschließen, die zumindest eine gewisse Einstellung der Feindseligkeiten forderte, um die Lieferung humanitärer Hilfe zu unterstützen, verabschiedete er am 15. November seine erste Resolution zum Krieg Israels gegen Gaza.
Die Resolution 2712 fordert "verlängerte humanitäre Pausen und Korridore" im Gazastreifen "für eine ausreichende Anzahl von Tagen", um Hilfslieferungen zuzulassen, Schäden an kritischer Infrastruktur wie Krankenhäusern, Wasserbrunnen und Bäckereien zu beheben und medizinische Evakuierungen, insbesondere von Kindern, zu ermöglichen. Der Sicherheitsrat appellierte ferner an alle Parteien, der Zivilbevölkerung im Gazastreifen im Einklang mit dem humanitären Völkerrecht nicht die für ihr Überleben unerlässliche Grundversorgung und Hilfe vorzuenthalten.
Am 22. Dezember verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine weitere Resolution zu Gaza. In der Resolution 2720 (2023) wird allerdings kein Waffenstillstand gefordert, sondern die Kriegsparteien werden aufgefordert, "die Bedingungen für eine dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten" zu schaffen. Das 15-köpfige Gremium rief zu dringenden Schritten auf, um unverzüglich einen sicheren, ungehinderten und erweiterten Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen und die Bedingungen für eine dauerhafte Einstellung der Feindseligkeiten zu schaffen. Der Rat forderte den Generalsekretär außerdem auf, einen leitenden Koordinator für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau im Gazastreifen zu ernennen.
Am 20. Februar 2024 scheiterte der UN-Sicherheitsrat erneut an einem Veto der USA, als er eine Resolution verabschieden wollte, in der ein sofortiger humanitärer Waffenstillstand im Gazastreifen gefordert wurde. Dies war das zweite Mal seit Anfang Dezember 2023, dass Washington einen solchen Text blockierte.
Am 25. März 2024 nahm der UN-Sicherheitsrat eine Resolution an, in der eine "sofortige, von allen Parteien eingehaltene Waffenruhe für den Monat Ramadan, die zu einer dauerhaften und nachhaltigen Waffenruhe führt" im Gazastreifen verlangt wird. Die Resolution 2728 (2024), in der auch die dringende Notwendigkeit einer Ausweitung der Hilfslieferungen in den Gazastreifen gefordert wird, wurde mit 14 Ja-Stimmen bei keiner Gegenstimme angenommen, wobei sich die Vereinigten Staaten der Stimme enthielten.
Die Resolution 2728 benennt jedoch weder die schwerwiegenden Verstöße gegen das Völkerrecht, die in Gaza begangen wurden, noch die Hauptverantwortlichen.
Am 10. Juni 2024 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat eine Resolution (Resolution 2735 (2024)), in der er ein umfassendes dreistufiges Waffenstillstandsabkommen zur Beendigung des Krieges im Gazastreifen vorschlug und sowohl Israel als auch die HAMAS aufforderte, dieses Abkommen vollständig und ohne Verzögerungen und Bedingungen umzusetzen.
Am 22. November wurde ein viertägiger Waffenstillstand angekündigt. Israel und die bewaffnete palästinensische Gruppe HAMAS vereinbarten die Freilassung israelischer Geiseln - ausschließlich Frauen und Kinder - im Gegenzug für eine viertägige Kampfpause und die Freilassung palästinensischer Gefangener. Seitdem die humanitäre Pause am 24. November in Kraft getreten war, wurden die Luftangriffe, der Beschuss und die Bodenkämpfe eingestellt.
Die Unterbrechung der Kämpfe hatte es dem palästinensischen und dem ägyptischen Roten Halbmond sowie den UN-Organisationen ermöglicht, die Bereitstellung humanitärer Hilfe zu verstärken. Der Waffenstillstand wurde zweimal verlängert und lief am 30. November aus. Am 1. Dezember nahm das israelische Militär die Angriffe auf Gaza wieder auf.
Internationale Menschenrechtsgruppen fordern die internationale Gemeinschaft und insbesondere die Vereinigten Staaten, die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und Großbritannien auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die Zivilbevölkerung des Gazastreifens vor völkerrechtswidrigen Angriffen zu schützen, und sich jeglicher Äußerungen oder Handlungen zu enthalten, die Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht im Gazastreifen auch nur indirekt rechtfertigen würden.
Humanitäre Organisationen, Menschenrechtsorganisationen und Rechtsexperten haben erklärt, dass die Tötung Tausender unschuldiger Kinder und Frauen, die Belagerung einer ganzen Zivilbevölkerung und das Festhalten von bombardierten Zivilisten hinter geschlossenen Grenzen im Gazastreifen Verbrechen nach internationalem Recht darstellen. Sie fordern, dass die politische und militärische Führung sowie diejenigen, die Waffen und politische oder sonstige Unterstützung zur Verfügung gestellt haben, für die an der Zivilbevölkerung in Gaza begangenen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.
Am 6. April verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat mit überwältigender Mehrheit eine Resolution, in der Israel aufgefordert wird, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Gazastreifen zur Rechenschaft gezogen zu werden. Angesichts der anhaltenden humanitären Katastrophe in Gaza werden in der Resolution auch alle Staaten aufgefordert, "den Verkauf, die Weitergabe und die Umleitung von Waffen, Munition und anderer militärischer Ausrüstung an Israel einzustellen".
Hunderte von humanitären Organisationen und Menschenrechtsgruppen aus der ganzen Welt haben ebenfalls ein Ende der Waffenlieferungen an Israel gefordert.
Am 25. März legte die UN-Sonderberichterstatterin zur Lage der Menschenrechte in den palästinensischen Gebieten eindeutige Belege dafür vor, dass Israels Exekutive, Militärs und Soldaten in Gaza in völkermörderischer Absicht handeln. Nach einer Analyse der Handlungen und Gewaltmuster Israels bei seinem Angriff auf den Gazastreifen, der entmenschlichenden Rhetorik hochrangiger israelischer Beamter und der Handlungen der Soldaten vor Ort stellte die Sonderberichterstatterin in ihrem Dokument fest, dass der Schwellenwert für die Begehung eines Völkermords durch Israel erreicht sei.
Unterdessen leisten Israels Verbündete - darunter die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Deutschland - weiterhin politische und militärische Unterstützung für einen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, der bereits mehr als 41.000 Menschenleben gefordert hat und durch schwere Kriegsverbrechen und andere gravierende Verstöße der israelischen Streitkräfte gegen das humanitäre Völkerrecht gekennzeichnet ist. Dazu gehören die kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung, die Verweigerung humanitärer Hilfe, der Einsatz von Aushungern als Methode der Kriegsführung, die wahllose Tötung von Zivilisten, unverhältnismäßige Angriffe, Zwangsvertreibungen, Folter, Verschleppungen und weitere grausame Verbrechen.
Am 20. Mai kündigte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH), Karim Khan, an, dass er Haftbefehle gegen führende Vertreter Israels und der bewaffneten palästinensischen Gruppe HAMAS wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen beantragt. Haftbefehle werden gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, den israelischen Verteidigungsminister Yoav Gallant und drei HAMAS-Führer - Yahya Sinwar, Mohammed Diab Ibrahim Al-Masri und Ismail Haniyeh - angestrebt.
Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete und Israel hat in einem am 12. Juni veröffentlichten Bericht festgestellt, dass die israelischen Regierungs- und Militärbehörden für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind, die während der Militäroperationen und Angriffe im Gazastreifen seit dem 7. Oktober begangen wurden.
Die Kommission stellte fest, dass die israelischen Behörden für folgende Kriegsverbrechen verantwortlich sind: Aushungern als Methode der Kriegsführung, Mord oder vorsätzliche Tötung, gezielte Angriffe auf Zivilpersonen und zivile Objekte, gewaltsame Verbringung, sexuelle Gewalt, Folter und unmenschliche oder grausame Behandlung, willkürliche Inhaftierung und Verletzung der persönlichen Würde.
Die Untersuchungskommission stellte fest, dass die Verbrechen gegen die Menschlichkeit der Ausrottung, der geschlechtsspezifischen Verfolgung palästinensischer Männer und Jungen, des Mordes, der gewaltsamen Verbringung sowie der Folter und unmenschlichen oder grausamen Behandlung begangen wurden. Die Kommission stellte außerdem fest, dass palästinensische nichtstaatliche bewaffnete Gruppen für am 7. Oktober in Israel begangene Kriegsverbrechen verantwortlich sind.
Im Januar hat der Internationale Gerichtshof (IGH) mit der Anhörung in einem von Südafrika angestrengten Verfahren begonnen, in dem Israel beschuldigt wird, in seinem Krieg im Gazastreifen Völkermord zu begehen. Südafrika ersucht das Weltgericht, eine sofortige Aussetzung der israelischen Militäraktion im Gazastreifen zu veranlassen. Israel bestreitet den Vorwurf des Völkermordes, obwohl seine Sicherheitskräfte innerhalb weniger Monate mehr als ein Prozent der Zivilbevölkerung getötet haben und die politische Führung des Landes den Menschen in Gaza den Zugang zu überlebenswichtigen Gütern verwehrt.
Am 28. März erließ der IGH neue vorläufige Maßnahmen gegen Israel, da sich die katastrophale humanitäre Lage im bombardierten und belagerten Gazastreifen weiter verschlechtert und eine Hungersnot droht. Die rechtsverbindliche Anordnung zwingt Israel, "alle notwendigen und wirksamen Maßnahmen zu ergreifen, um unverzüglich" die "dringend benötigte Grundversorgung und humanitäre Hilfe" zu gewährleisten, einschließlich Lebensmittel, Wasser, Unterkünfte, Treibstoff und medizinische Versorgung.
Der Gerichtshof wies Israel außerdem einstimmig an, "die Kapazität und die Anzahl der Landübergangsstellen" zu erhöhen und sie "so lange wie nötig offen zu halten". In seiner neuen Anordnung erklärte der IGH, Israel müsse "in voller Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen" handeln.
Ungeachtet der Anordnungen des Gerichtshofs hat Israel seine unerbittlichen Angriffe auf den Gazastreifen nicht eingestellt und weigert sich nach wie vor, die für das Überleben von rund 2,3 Millionen Menschen im Gazastreifen notwendigen Hilfsgüter bereitzustellen oder auch nur deren Lieferung zu erleichtern. Humanitäre Organisationen haben eindringlich gewarnt, dass dringend mehr Hilfe benötigt wird, da die Unterstützung für die Palästinenser im Gazastreifen nach wie vor völlig unzureichend ist, um den enormen Bedarf von 2,3 Millionen Menschen zu decken.
Am 24. Mai entschied der Gerichtshof, dass Israel seine Militäroffensive im Gouvernement Rafah sofort einstellen und den Grenzübergang Rafah für die ungehinderte Lieferung dringend benötigter grundlegender Versorgungsleistungen und humanitärer Hilfe in ausreichendem Umfang offen halten muss.
Der IGH stellte fest, dass sich die Lebensbedingungen der Zivilbevölkerung verschlechtern, und forderte Israel auf, alle weiteren Maßnahmen in Rafah einzustellen, die "der palästinensischen Bevölkerungsgruppe im Gazastreifen Lebensbedingungen auferlegen können, die zu ihrer vollständigen oder teilweisen physischen Zerstörung führen könnten".
Der Staat Israel hält sich nicht an die gerichtlichen Auflagen. Für die Durchsetzung der Einhaltung des Völkerrechts ist der UN-Sicherheitsrat zuständig. Der Rat hat jedoch weder die Gerichtsentscheidungen vom 24. Mai noch die früheren Anordnungen des Gerichtshofs durchgesetzt, was einem weiteren Zusammenbruch der internationalen Rechtsstaatlichkeit gleichkommt.
Spenden
Ihre Spende für die Nothilfe in den besetzten palästinensischen Gebieten und die palästinensische Flüchtlingskrise kann dazu beitragen, dass die Organisationen der Vereinten Nationen, internationale humanitäre Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und ihre Partner vor Ort den Menschen, die sie am dringendsten benötigen, rasch Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Unterkünfte und andere Hilfsgüter zur Verfügung stellen können.
- UN-Krisenhilfe: Besetztes palästinensisches Gebiet
https://crisisrelief.un.org/opt-crisis - Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA): Spenden
https://donate.unrwa.org/-landing-page/en_EN - UNICEF Deutschland: Palästina Spenden
https://www.unicef.de/informieren/projekte/asien-4300/palaestina-19566 - Internationales Komitee vom Roten Kreuz (IKRK): Israel und die besetzten Gebiete
https://www.icrc.org/de/wo-wir-arbeiten/naher-osten/israel - medico international: Israel / Palestina
https://www.medico.de/projekte/israelpalaestina - Islamic Relief Deutschland: Nothilfe Gaza
https://www.islamicrelief.de/nothilfe-gaza/ - Caritas international Deutschland: Palästina: Humanitäre Hilfe im Nahost-Konflikt
https://www.caritas-international.de/hilfeweltweit/naherosten/palaestina/israel-palaestina-konflikt
Sie können auch eine nicht zweckgebundene Spende an Organisationen, die in den besetzten palästinensischen Gebieten tätig sind, in Betracht ziehen.
- Oxfam Deutschland: Besetzte palästinensische Gebiete
https://www.oxfam.de/unsere-arbeit/laender/besetzte-palaestinensische-gebiete - Save the Children Deutschland: Palästinensische Gebiete
https://www.savethechildren.de/informieren/einsatzorte/international/nahost-und-nordafrika-laenderuebersicht/palaestinensische-autonomiegebiete/ - Ärzte ohne Grenzen: Palästina
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/unsere-arbeit/einsatzlaender/palaestinensische-autonomiegebiete - Aktion gegen den Hunger: Besetzte palästinensische Gebiete
https://www.aktiongegendenhunger.de/laender/naher-osten/palaestinensische-autonomiegebiete
Weitere Organisationen, an die Sie spenden können, finden Sie unter: Humanitäre Krisenhilfe, Flucht und Vertreibung, Kinder in Not, Hunger und Ernährungsunsicherheit, Medizinische Nothilfe, Vulnerable Gruppen, Glaubensbasierte humanitäre Organisationen und Menschenrechtsorganisationen.
Weitere Informationen
- United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs - occupied Palestinian territory (in Englisch)
https://www.ochaopt.org/ - United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees (UNRWA) (in Englisch)
https://www.unrwa.org/ - ACAPS: Palestine Conflict (in Englisch)
https://www.acaps.org/en/countries/palestine - European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (ECHO): Palestine (in Englisch)
https://civil-protection-humanitarian-aid.ec.europa.eu/where/middle-east/palestine_en - International Crisis Group: Israel/Palestine (in Englisch)
https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/east-mediterranean-mena/israelpalestine - Council on Foreign Relations: Global Conflict Tracker: Israeli-Palestinian Conflict (in Englisch)
https://www.cfr.org/global-conflict-tracker/conflict/israeli-palestinian-conflict - UN Office of the High Commissioner for Human Rights: Palestine (in Englisch)
https://www.ohchr.org/en/countries/palestine - Human Rights Watch (HRW): World Report 2023: Israel and Palestine (in Englisch)
https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/israel-and-palestine - Human Rights Watch (HRW): World Report 2024: Israel and Palestine (in Englisch)
https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/israel-and-palestine - Amnesty International Report 2022/2023: Israel and Occupied Palestinian Territories (in Englisch)
https://www.amnesty.org/en/location/middle-east-and-north-africa/israel-and-occupied-palestinian-territories/report-israel-and-occupied-palestinian-territories/
Zuletzt aktualisiert: 03/10/2024