Das Land
Der Sudan, der 1956 seine Unabhängigkeit vom Vereinigten Königreich erlangte, ist ein Staat in Nordostafrika mit Zugang zum Roten Meer. Das Land teilt gemeinsame Grenzen mit Ägypten, Eritrea, Äthiopien, Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik, dem Tschad und Libyen. Seine Hauptstadt ist Khartum. Der Sudan erstreckt sich über eine Fläche von 1.861.484 Quadratkilometern. Im Jahr 2024 hat das Land eine geschätzte Bevölkerung von rund 51 Millionen Menschen.
Die humanitäre Lage
Das Ausmaß der humanitären Katastrophe, die sich im Sudan abspielt, ist beispiellos. Am 15. April 2023 entbrannte ein Konflikt zwischen den paramilitärischen Rapid Support Forces und den sudanesischen Streitkräften, der zu weitreichenden Vertreibungen führte und die humanitäre Notlage im ganzen Land verschärfte. Im Laufe von achtzehn Monaten wurden infolge des andauernden Krieges mehr als 11,6 Millionen Menschen vertrieben. Die Zahl der Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen, beläuft sich inzwischen auf 24,8 Millionen - die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung.
Die katastrophale humanitäre Lage im Sudan erhält kaum die internationale politische und mediale Aufmerksamkeit, die sie verdient. Die Vereinten Nationen haben gewarnt, dass Hunger, Krankheit und Vertreibung den Sudan zu zerstören drohen, während sich der Krieg im ganzen Land ausbreitet und eine humanitäre Notlage von "epischem Ausmaß" heraufbeschwört. Ein andauernder Konflikt im Sudan könnte die gesamte Region in eine humanitäre Katastrophe stürzen.
Die Zivilbevölkerung trägt die Hauptlast der Kämpfe, die sich über den ganzen Sudan ausgebreitet haben. Seit dem Ausbruch der Kämpfe vor einem Jahr wurden Tausende von Menschen getötet und weitere Tausende verletzt. Der Konflikt zwischen dem sudanesischen Militär (SAF) unter der Führung von General Abdel Fattah Burhan und der paramilitärischen Gruppe Rapid Support Forces (RSF) unter der Leitung von General Mohammed Hamdan Dagalo begann nach Monaten zunehmender Spannungen über die politische Zukunft des Landes und die geplante Integration der RSF in die nationale Armee.
Die Gewalt, die zwischen den Kriegsparteien ausgebrochen ist, hat einen Großteil der wesentlichen Infrastruktur in der Hauptstadt Khartum zerstört und das Gesundheits- und Finanzsystem an den Rand des Zusammenbruchs gebracht, so dass die Menschen keinen Zugang zu Geld oder lebenswichtigen Gütern haben. Auch aus der westlichen Region von Darfur wurden heftige Kämpfe gemeldet. Die Zusammenstöße verhindern, dass die Menschen Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser, Treibstoff und medizinischer Versorgung für ihre Familien haben. Die anhaltenden Kämpfe im Sudan haben verheerende Auswirkungen auf die sudanesische Zivilbevölkerung. Viele Menschen sind dringend auf medizinische Hilfe angewiesen.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) benötigen fast 15 Millionen Menschen dringend medizinische Hilfe, um zu überleben. In den vom Krieg am stärksten betroffenen sudanesischen Bundesstaaten sind weniger als 25 Prozent der Gesundheitseinrichtungen funktionsfähig, in anderen Bundesstaaten sind es nur 45 Prozent. Die Krankenhäuser, die ganz oder teilweise funktionsfähig bleiben, sind von der Schließung bedroht, weil es an medizinischem Personal, Versorgungsgütern, Wasser und Strom fehlt.
Aus dem ganzen Land werden weiterhin Angriffe auf die Gesundheitsversorgung gemeldet. Seit dem Ausbruch des Krieges im April 2023 hat die WHO 109 Angriffe auf das Gesundheitswesen verifiziert - darunter auf Gesundheitseinrichtungen, Krankenwagen und Transportmittel, Vermögenswerte, Patienten und medizinisches Personal -, bei denen 183 Menschen starben und 125 verletzt wurden (Stand: Oktober 2024).
Der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) berichtet, dass 6,7 Millionen Menschen von geschlechtsspezifischer Gewalt bedroht sind und 3,5 Millionen Frauen und Mädchen im reproduktiven Alter medizinische Leistungen im Bereich der reproduktiven Gesundheit benötigen.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe im Sudan war bereits vor der Zuspitzung der Lage so hoch wie nie zuvor: Anfang 2023 benötigten rund 15,8 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Der wachsende Bedarf im Sudan war auf die politische Instabilität nach der Machtübernahme durch das Militär am 25. Oktober 2021, eine sozioökonomische Krise, Unsicherheit und Gewalt, Vertreibungen, Überschwemmungen, Dürre und den Ausbruch von Krankheiten zurückzuführen.
Im Jahr 2024 ist mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung - 24,8 Millionen Menschen - auf humanitäre Hilfe und Schutz angewiesen sein. Unter den Notleidenden befinden sich 14 Millionen Kinder.
Krankheitsausbrüche verschlimmern sich und greifen um sich: Bis zum April 2024 hatte sich die Cholera von drei auf elf Bundesstaaten ausgeweitet, einschließlich größerer Städte und Gebiete, in denen Konflikte andauern, mit über 11.000 vermuteten und bestätigten Fällen und 305 Todesfällen. In mehreren Bundesstaaten sind weitere Krankheiten ausgebrochen, darunter Malaria, Masern und Dengue-Fieber.
Für das Jahr 2024 haben die Vereinten Nationen und ihre humanitären Partnerorganisationen 4,1 Mrd. US-Dollar gefordert, um Millionen von Menschen im Land und Hunderttausenden auf der Flucht in die Nachbarländer zu helfen. Da die Zahl der Todesopfer steigt, der Bedarf an humanitärer Hilfe in die Höhe schießt und die Zahl der Vertriebenen zunimmt, haben die Vereinten Nationen Pläne für die Bereitstellung von Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung, Unterkünften, Schutz und anderen wichtigen Hilfsleistungen aufgestellt.
Vor dem Ausbruch der schweren Kämpfe beherbergte der Sudan etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge, eine der größten Flüchtlingspopulationen in Afrika. Mehr als 70 % der Flüchtlinge im Sudan waren Südsudanesen (758.000), gefolgt von 135.000 eritreischen Flüchtlingen (11 %) und 131.000 Flüchtlingen aus Äthiopien (11 %). Etwa 3,8 Millionen Sudanesen waren Binnenvertriebene im eigenen Land, vor allem in der Region Darfur, in der die Sicherheitslage seit 2003 instabil ist.
Im November 2024 sind mehr als 11,3 Millionen Frauen, Männer und Kinder Binnenvertriebene, davon waren 2,8 Millionen bereits vor April 2023 vertrieben worden, was den Sudan zur größten Binnenvertreibungskrise weltweit macht. Mindestens 500.000 Sudanesen waren vor der Eskalation der Auseinandersetzungen in Nachbarländer geflohen. Die Gesamtzahl der sudanesischen Flüchtlinge wird inzwischen auf mehr als 3,6 Millionen Menschen geschätzt.
Insgesamt sind rund 14,9 Millionen Menschen durch Konflikte im Sudan vertrieben worden. Damit ist der Sudan mit Abstand die größten Vertreibungskrise der Welt.
Nach der jüngsten Analyse der Integrierten Ernährungssicherheitsphase (Integrated Food Security Phase, IPC), die im Juni 2024 veröffentlicht wurde, sind 25,6 Millionen Menschen - 50 Prozent der Bevölkerung - zwischen Juni und September 2024 von akuter Ernährungsunsicherheit auf hohem Niveau (IPC-Phase 3 oder schlechter) betroffen.
Die rasche Verschlechterung der Ernährungssicherheit im Sudan hat dazu geführt, dass sich nunmehr 755.000 Menschen in einer katastrophalen Lage befinden (IPC-Phase 5) und in 14 Gebieten, darunter in den Darfur Staaten, in den Kordofan Staaten, im Al Jazirah Staat und in einigen Krisengebieten im Khartum Staat, eine Hungersnot droht. Für 8,5 Millionen Menschen wird eine Hungernotlage prognostiziert (IPC-Phase 4).
Am Schlimmsten ist die Lage in den Gebieten, die am stärksten von den Kämpfen betroffen sind und in denen sich die vom Krieg vertriebenen Menschen konzentrieren. Dies ist das erste Mal seit der Einführung der IPC im Jahr 2004, dass im Sudan katastrophale Bedingungen (IPC-Phase 5) bestätigt wurden. Es ist zugleich das schlimmste Ausmaß an akuter Ernährungsunsicherheit, das die IPC jemals in dem Land festgestellt hat.
Außerdem zeigen die neuen Daten eine drastische Verschlechterung für die sudanesische Bevölkerung gegenüber der letzten Prognose vom Dezember 2023, in der von 17,7 Millionen Menschen ausgegangen wurde, die unter akutem Hunger litten (IPC-Phase 3 oder schlimmer), darunter fast 5 Millionen Menschen, die sich in einer Hungernotlage befanden (IPC-Phase 4). Mit Stand vom Februar 2024 befand sich nur einer von zehn Menschen, die von akutem Hunger betroffen waren, in Gebieten, in denen sie aufgrund von Zugangsbeschränkungen und anhaltenden Feindseligkeiten Hilfe erhalten konnten.
Im Jahr 2024 wird im Sudan eine Hungersnot erwartet, insbesondere in den Regionen Darfur und Kordofan sowie in den Bundesstaaten Khartum und Al-Jazirah. In diesem Jahr werden voraussichtlich mindestens 3,5 Millionen Kinder an akuter Unterernährung leiden, darunter mehr als 700.000, die an schwerer akuter Unterernährung leiden und lebensrettende Behandlung benötigen.
Bevor sich die Lage zuspitzte, war ein Viertel der sudanesischen Bevölkerung - 11,7 Millionen Menschen - von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Mehr als 3 Millionen Kinder unter 5 Jahren litten im Land an akuter Unterernährung, wobei schätzungsweise 650.000 Kinder unter 5 Jahren von schwerer akuter Unterernährung betroffen waren.
Unsicherheit, Zugangsbeschränkungen und knappe Finanzmittel schränken die Möglichkeiten der Hilfsorganisationen ein, auf die humanitären Erfordernisse im Sudan zu reagieren. Ohne ein Ende der Kämpfe und ungehinderten Zugang für die Lieferung humanitärer Hilfe wird sich die Krise in den kommenden Monaten voraussichtlich dramatisch verschärfen und könnte Konsequenzen für die gesamte Region haben. Die Hälfte der Bundesstaaten ist von Sudan aus nicht erreichbar. Darfur und Kordofan sind unzugänglich und von der humanitären Hilfe abgeschnitten.
Um humanitäre Hilfe im Sudan zu leisten, benötigen die Vereinten Nationen und ihre Partner laut dem Humanitären Reaktionsplan (HRP) 2,7 Milliarden US-Dollar, um 14,7 Millionen Menschen im Jahr 2024 zu helfen. Für diejenigen, die aus dem Land geflohen sind, hat das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) laut dem Regionalen Flüchtlingsreaktionsplan (RRP) in diesem Jahr zusätzliche 1,4 Mrd. USD zur Unterstützung von Vertriebenen in fünf an den Sudan angrenzenden Ländern angefordert.
Die Mittelausstattung ist nach wie vor völlig unzureichend. Im Oktober war der Humanitäre Reaktionsplan 2004 nur zu 51 Prozent finanziert, während für den Regionalen Flüchtlingsreaktionsplan nur 23 Prozent aufgebracht wurden. Auf einer Konferenz in Paris im April waren mehr als 2 Mrd. US-Dollar der benötigten 4,1 Mrd. US-Dollar an Finanzmitteln zugesagt worden, aber bisher ist nur ein Teil davon eingetroffen.
Trotz Unsicherheit, Zugangsproblemen und mangelnder Finanzierung haben 128 humanitäre Hilfsorganisationen zwischen Januar 2024 und Mai 2024 mehr als 7,1 Millionen Menschen in irgendeiner Form mit humanitärer Hilfe erreicht, von den 14,7 Millionen Menschen, die für Hilfe vorgesehen sind.
Der überarbeitete humanitäre Reaktionsplan (HRP) 2023 für den Sudan sah 2,6 Mrd. US-Dollar vor, um bis zum Ende des Jahres lebensrettende Hilfe für schätzungsweise 18,1 Millionen Menschen zu leisten. Mit Stand vom Dezember war der HRP nur zu 38 Prozent finanziert. Dennoch erreichten Hilfsorganisationen zwischen April und Dezember 2023 mindestens 8,1 Millionen Menschen mit humanitärer Hilfe innerhalb des Landes.
Im Rahmen des Regionalen Flüchtlingsreaktionsplans (RRP) für den Sudan 2023 wurde eine Milliarde US-Dollar angefordert, um den Menschen, die in fünf Nachbarländer geflohen sind, grundlegende Hilfe und Schutz zu bieten. Bis Dezember 2023 waren erst 7 Prozent für den regionalen Flüchtlingshilfeplan aufgebracht worden. Im Jahr 2022 hatten die Vereinten Nationen um 1,94 Milliarden US-Dollar für die Sudankrise gebeten. Bis Dezember 2022 waren nur 837 Millionen US-Dollar von den Gebern eingegangen (Deckung von 43 %).
Die Sicherheitslage
Im April 2019 kam es zu einem Aufstand der Zivilbevölkerung, der sich aus Protesten gegen hohe Brotpreise, Treibstoffknappheit und andere wirtschaftliche Probleme entwickelte. Am 11. April stürzte das sudanesische Militär den langjährigen Präsidenten Omar al-Bashir mit Unterstützung einer vom Volk ausgehenden Massenerhebung. Die anschließende politische Unsicherheit trug zu verstärkter Besorgnis hinsichtlich der humanitären Sicherheit und des humanitären Schutzes bei. Im August 2019 wurden in einer unterzeichneten Verfassungserklärung Vorkehrungen für die Bildung einer zivil geführten Übergangsregierung für einen Zeitraum von 39 Monaten getroffen, wobei Abdalla Hamdouk zum Premierminister ernannt wurde.
Am 25. Oktober 2021 übernahm jedoch das Militär die Regierung und verhaftete die zivile Führung. Am 21. November wurde Hamdouk im Rahmen eines Abkommens über die Teilung der Macht mit dem Militärführer Abdel Fattah al-Burhan wieder als Premierminister eingesetzt, doch trat Hamdouk bereits am 2. Januar 2022 zurück. Aufgrund des Militärputsches und der faktischen Aussetzung des Übergangs zur Zivilregierung befand sich der Sudan danach in einer politischen Pattsituation.
Die Machtübernahme durch das Militär im Oktober 2021 hat den demokratischen Übergang im Sudan zum Scheitern gebracht und auch das Friedensabkommen von Juba aus dem Jahr 2020 zwischen der Übergangsregierung und den bewaffneten Gruppen im Lande infrage gestellt. Die anschließende eskalierende Gewalt, insbesondere in der Region Darfur, vertrieb im Jahr 2021 mehr als 700.000 Sudanesen. Im Jahr 2022 nahm die Zahl und Intensität der gewalttätigen Zwischenfälle im gesamten Sudan zu. Ende Dezember 2022 waren 300.000 Menschen aufgrund von Konflikten neu vertrieben.
Am 5. Dezember 2022 unterzeichneten mehr als fünfzig sudanesische politische Kräfte, zivilgesellschaftliche Gruppen und die derzeitige Militärführung ein Abkommen zur Teilung der Macht, das die Hoffnung auf ein Ende der gewaltsamen Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten weckte. In der Vereinbarung werden sofortige Sicherheits- und Militärreformen gefordert, zu denen auch die Zusammenlegung aller Milizen, einschließlich der paramilitärischen Sudan Rapid Support Forces (RSF), zu einer einheitlichen Armee gehört.
In der Vereinbarung wird auch die Notwendigkeit betont, Fragen der Übergangsjustiz im Land zu klären. Vertreter der Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union und der Europäischen Union beglückwünschten die sudanesischen Parteien zu der Einigung und forderten sie auf, einen echten Dialog zu führen, um die verbleibenden Aufgaben zu erfüllen, die zur Bildung einer Übergangsregierung führen könnten.
Am 15. April 2023 brachen in der Hauptstadt und anderen Gebieten außerhalb von Khartum heftige Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften und den rivalisierenden Rapid Support Forces aus, die die Hoffnungen auf einen Übergang zur Demokratie zunichte machten und die Angst vor einem größeren Konflikt schürten. DDie Kampfhandlungen weiteten sich rasch auf den gesamten Sudan aus. Nach Angaben des Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) wurden seit April mehr als 20.000 Zivilisten getötet und mehr als 33.000 verletzt, wie Regierungsquellen angeben.
Die tatsächliche Zahl der Todesopfer dürfte jedoch viel höher sein. Nach einer Studie der Forschungsgruppe Sudan an der London School of Hygiene and Tropical Medicine sind allein im Bundesstaat Khartum, wo die Kämpfe 2023 begannen, mehr als 60.000 Menschen gestorben. Viele weitere Menschen sind in anderen Teilen des Landes gestorben, insbesondere in der westlichen Region Darfur, wo zahlreiche Berichte über Gräueltaten und ethnische Säuberungen vorliegen.
Einem UN-Bericht zufolge wurden allein in El Geneina, der Hauptstadt des Bundesstaates West-Darfur, zwischen April und Juni letzten Jahres bis zu 15.000 Menschen durch ethnisch motivierte Gewalt getötet. Geheimdienstquellen zufolge wurden in El Geneina vermutlich zwischen 10.000 und 15.000 Männer, Frauen und Kinder getötet.
Eine von der humanitären Organisation Médecins Sans Frontières (Ärzte ohne Grenzen, MSF) für die Region El Geneina durchgeführte retrospektive Mortalitätserhebung zeigt, dass die Sterblichkeitsrate ab April um das Zwanzigfache anstieg und im Juni 2,25 Todesfälle pro 10.000 Menschen pro Tag erreichte. Die meisten Todesfälle ereigneten sich in der Stadt El Geneina, wobei 83 Prozent der Opfer Männer waren.
Seit Beginn der Kämpfe zwischen den beiden Kriegsparteien sind mehr als 11,6 Millionen Menschen vertrieben worden. Die Mehrheit der Binnenvertriebenen - 55 Prozent - sind Kinder unter 18 Jahren. Insgesamt sind mehr als 20 Prozent der sudanesischen Bevölkerung aufgrund des anhaltenden Krieges aus ihrer Heimat geflohen, entweder innerhalb des Landes oder über die Grenzen hinweg. Während mehr als 8,5 Millionen Menschen - Sudanesen und bereits im Land lebende Flüchtlinge - innerhalb des Sudans vertrieben wurden, haben über 3,1 Millionen Frauen, Männer und Kinder in anderen Ländern Zuflucht gesucht, darunter Südsudan, Tschad, Äthiopien, Uganda, Libyen, Ägypten und die Zentralafrikanische Republik.
Die meisten Sudanesen suchen Zuflucht in den sieben Ländern, die an den nordöstlichen afrikanischen Staat grenzen. Ägypten hat mit 1,2 Millionen Menschen die meisten Menschen aus dem Sudan aufgenommen, danach folgt der Südsudan - mehr als 842.000 Menschen - viele von ihnen Südsudanesen, die nach vielen Jahren zurückkehren. Der Tschad hat mit rund 712.000 Menschen, die die Grenze überquert haben, den größten Zustrom von Flüchtlingen in seiner Geschichte erlebt.
Der Krieg zwischen den sudanesischen Streitkräften und den Rapid Support Forces wird mit einem neuen Ausmaß an Gewalt und Brutalität gegen die Zivilbevölkerung geführt, insbesondere in den Bundesstaaten von Darfur. Der RSF werden insbesondere Massentötungen und Vergewaltigungen als Kriegsmittel, vor allem in Darfur, vorgeworfen. Beide Konfliktparteien wurden schwerer Kriegsverbrechen bezichtigt.
Tausende werden aus ethnischen Gründen angegriffen, getötet, verletzt, missbraucht und ausgebeutet, so dass immer mehr Menschen gezwungen sind, vor der Gewalt zu fliehen. Geschlechtsspezifische Gewalt (GBV), einschließlich sexueller Gewalt, wird als Kriegsmittel eingesetzt und konzentriert sich nicht mehr auf Khartum oder Darfur, sondern hat sich auf andere Teile des Landes wie Kordofan ausgebreitet.
Mehr als achtzehn Monate nach Beginn des Konflikts gehen die schweren Kämpfe zwischen der SAF und der RSF in gleichem Tempo weiter, ohne dass es nach zahlreichen gescheiterten Versuchen Anzeichen für eine mögliche Lösung des Konflikts oder einen erfolgreichen Waffenstillstand gibt. Berichten zufolge verschlechtert sich die Lage und es kommt weiterhin zu tödlichen Angriffen in Khartum, Darfur, den drei Kordofan-Staaten und dem Staat Blue Nile. Die Verabredung und Einhaltung eines Waffenstillstandes wäre von entscheidender Bedeutung, um die Lieferung humanitärer Hilfe an die Millionen von Notleidenden zu ermöglichen.
Während die Gewalt in weiten Teilen des Sudan anhält, haben die Kämpfe im Dezember 2023 den Staat Al Jazirah, eine Region südlich von Khartum, erreicht. Innerhalb weniger Wochen wurden mehr als 600.000 Menschen durch Angriffe in der Stadt Wad Madani und in Teilen des Bundesstaates Al Jazirah, der wichtigsten Kornkammer des Sudan, vertrieben.
Die Ausweitung der Kämpfe zwischen der SAF und der RSF auf Teile des Zentral- und Ostsudans seit Dezember hat zu einem erheblichen Anstieg des Bedarfs an humanitärer Hilfe während der Erntesaison geführt. Infolgedessen wird erwartet, dass sich die akute Ernährungsunsicherheit im Südosten des Landes gegenüber den bisherigen Prognosen erheblich verschärft und die ohnehin schon schwierige Lage noch verschlimmert.
In der Region Darfur werden weiterhin Zivilisten aufgrund ihrer Hautfarbe und ethnischen Zugehörigkeit angegriffen und getötet. Hunderttausende von Zivilisten in El Fasher, der Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, sind mit einer immer schlimmer werdenden humanitären Notlage konfrontiert. Anfang Mai 2024 brachen in El Fasher schwere Kämpfe zwischen der SAF und der RSF aus, und in den letzten Monaten kam es in und um die Stadt zu heftigen Zusammenstößen, bei denen auch gezielte Angriffe auf Zivilisten, das Niederbrennen von Wohngebieten und wahlloser Bomben- und Granatenbeschuss zu verzeichnen waren.
Seit Mitte April wurden in El Fasher schätzungsweise 320.000 Menschen vertrieben. Man geht davon aus, dass etwa 150.000 bis 200.000 von ihnen seit Mitte Mai auf der Suche nach Sicherheit, grundlegenden Versorgungsmöglichkeiten und Nahrungsmitteln in das Vertriebenenlager Zamzam gezogen sind. Die Zahl der Lagerbewohner ist innerhalb weniger Wochen auf über 500.000 gestiegen. Das Famine Review Committee (FRC) des IPC ist zu dem Schluss gekommen, dass in Teilen von Nord-Darfur, darunter auch im Lager Zamzam südlich von El Fasher, eine Hungersnot vorherrscht.
Die Zusammenstöße zwischen den sudanesischen Streitkräften und den Rapid Support Forces im Bundesstaat Sennar haben seit Ausbruch der Kämpfe Ende Juni mehr als 151.000 Menschen zur Flucht gezwungen, viele von ihnen bereits zum zweiten oder dritten Mal seit Beginn des Krieges. Die Eskalation der Kämpfe im südwestlichen Bundesstaat Sennar hat die Lieferung humanitärer Hilfe in weiten Teilen des Landes stark behindert.
Seit Oktober 2024 ist die Situation im Land von den extremsten Gewalttaten seit Beginn des Konflikts geprägt. Durch eine Welle von Angriffen der Rapid Support Forces im Osten des Staates Al Jazirah wurden zahlreiche Zivilisten getötet und noch mehr Menschen zur Flucht gezwungen. Mehr als 135.000 Zivilisten wurden aus dem östlichen Al Jazirah vertrieben. Frauen und Mädchen wurden vergewaltigt, Märkte geplündert und Häuser und Bauernhöfe niedergebrannt.
Auch in El Fasher, Khartum, Kordofan und anderen Gegenden gehen die Kämpfe weiter, wobei die Zivilbevölkerung entsetzliches Leid erfährt.
Der Krieg im Sudan ist der Tiefpunkt monatelanger Spannungen zwischen dem sudanesischen Militär und der rivalisierenden paramilitärischen Gruppe und eine Folge von Meinungsverschiedenheiten über die Integration der RSF in die sudanesischen Streitkräfte. Die Spannungen hatten auch eine Einigung mit den politischen Parteien verzögert, um das Land zu seinem kurzlebigen Übergang zur Demokratie zurückzuführen. Die Ernennung einer zivilen Übergangsregierung war für April 2023 erwartet worden.
Das Leben von Millionen von Menschen im Sudan ist in Gefahr, während Politik, Geldgeber und Öffentlichkeit den enormen humanitären Bedarf in dem vom Krieg zerrissenen Land ignorieren. Am 15. April 2024 hatte der Sudan ein Jahr Krieg hinter sich, der die größte von Menschen verursachte humanitäre Krise der Welt ausgelöst hat.
Spenden
Ihre Spende für die Nothilfe im Sudan kann dazu beitragen, dass die Organisationen der Vereinten Nationen, internationale humanitäre Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und ihre Partner vor Ort den Menschen, die es am nötigsten brauchen, rasch Wasser, Nahrungsmittel, Medikamente, Unterkünfte und andere Hilfsgüter zur Verfügung stellen können.
- UN-Krisenhilfe: Sudan-Krise
https://crisisrelief.un.org/sudan-crisis - Welternährungsprogramm: Nothilfe Sudan
https://www.wfp.org/emergencies/sudan-emergency - UNICEF Deutschland: Sudan Spenden
https://www.unicef.de/informieren/projekte/afrika-2244/sudan-195518 - Welthungerhilfe: Spenden für den Sudan
https://www.welthungerhilfe.de/spenden-sudan/ - Plan International: Patenschaft für Kinder im Sudan
https://www.plan.de/patenschaft-afrika/patenschaft-sudan.html - Diakonie Katastrophenhilfe: Sudan-Krise
https://www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spende/sudan-krise - International Rescue Committee: Sudan
https://help.rescue.org/de/donate/sudan - Caritas International: Bewaffneter Konflikt im Sudan
https://www.caritas-international.de/spenden/soforthilfe/sudan-bewaffneter-konflikt-im-sudan - Internationales Komitee vom Roten Kreuz: Spendenappell für den Sudan
https://www.icrc.org/de/spende/spende-fuer-menschen-im-sudan - Aktion Deutschland Hilft: Nothilfe Sudan.
https://www.aktion-deutschland-hilft.de/de/hilfseinsaetze/sudan-darfur-tschad/ - Islamic Relief Deutschland: Nothilfe Sudan
https://www.islamicrelief.de/nothilfe-sudan/ - Internationale Organisation für Migration (IOM): Notlage Sudan
https://donate.iom.int/?form=sudan
Sie können auch eine nicht zweckgebundene Spende in Betracht ziehen an humanitäre Organisationen, welche im Sudan aktiv sind.
- Ärzte ohne Grenzen: Sudan
https://www.aerzte-ohne-grenzen.de/unsere-arbeit/einsatzlaender/sudan - CARE Deutschland: Sudan
https://www.care.de/schwerpunkte/einsatzorte/afrika/sudan/ - UNO-Flüchtlingshilfe: Sudan
https://www.uno-fluechtlingshilfe.de/hilfe-weltweit/sudan - Aktion gegen den Hunger: Spenden
https://www.aktiongegendenhunger.de/spenden - Save the Children Deutschland: Sudan
https://www.savethechildren.de/nothilfe/spenden/sudan/
Weitere Organisationen, an die Sie spenden können, finden Sie unter: Humanitäre Krisenhilfe, Flucht und Vertreibung, Kinder in Not, Hunger und Ernährungsunsicherheit, Medizinische Nothilfe, Vulnerable Gruppen, Glaubensbasierte humanitäre Organisationen und Menschenrechtsorganisationen.
Weitere Informationen
- UN OCHA: Lagebericht Sudan (in Englisch)
https://reports.unocha.org/en/country/sudan/ - ACAPS: Komplexe Krise im Sudan (in Englisch)
https://www.acaps.org/country/sudan/crisis/complex-crisis - International Crisis Group: Sudan (in Englisch)
https://www.crisisgroup.org/africa/horn-africa/sudan - Human Rights Watch: World Report 2024: Sudan (in Englisch)
https://www.hrw.org/world-report/2024/country-chapters/sudan - European Civil Protection and Humanitarian Aid Operations (ECHO): Sudan (in Englisch)
https://civil-protection-humanitarian-aid.ec.europa.eu/where/africa/sudan_en - Amnesty International World Report 2023/2024: Sudan (in Englisch)
https://www.amnesty.org/en/location/africa/east-africa-the-horn-and-great-lakes/sudan/report-sudan/
Zuletzt aktualisiert: 15/11/2024