Global ist das Ausmaß des Hungers nach wie vor alarmierend hoch. Bis zu 50 Millionen Menschen in 45 Ländern stehen am Rande einer Hungersnot. Obwohl weltweit mehr als genug Nahrungsmittel produziert werden, um die Weltbevölkerung zu ernähren, hungern immer noch 10 Prozent der Menschen auf der Welt. Im Jahr 2023 werden nach Schätzungen der Vereinten Nationen (UN) weltweit mindestens 339 Millionen Menschen humanitäre Hilfe und Schutz benötigen.
Die UN und ihre humanitären Partnerorganisationen benötigen in diesem Jahr 51,5 Milliarden US-Dollar (GHO 2023), um der schlimmsten Not Einhalt zu gebieten. Internationale Geber haben für das Jahr 2022 29,55 Milliarden US-Dollar für den globalen humanitären Bedarf (GHO 2022) bereitgestellt, aber der Bedarf steigt schneller als die finanzielle Unterstützung. Laut Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) lag die Finanzierungslücke für humanitäre Einsätze im vergangenen Jahr bei 43 Prozent (22,15 Milliarden Dollar).
Und nicht alle Länder tragen zur Finanzierung bei. Der überwiegende Teil der Mittel - mehr als 80 Prozent - wird von nur zehn Ländern bzw. internationalen Organisationen aufgebracht. Darunter sind einige der wirtschaftsstärksten Staaten der Welt, aber bei weitem nicht alle. Viele der größten Ökonomien beteiligen sich überhaupt nicht und zahlreiche weitere nur geringfügig, was das fortgesetzte Leiden von Millionen Menschen zur Folge hat. Wenn viel zu wenige Gelder zusammenkommen, sind humanitäre Organisationen gezwungen zu entscheiden, wem sie die knappen verfügbaren Mittel zukommen lassen.
Die größten Volkswirtschaften
Die weltweit größten Wirtschaftsnationen - nach geschätztem realem Bruttoinlandsprodukt (BIP) für 2021 - sind in absteigender Reihenfolge: China, Vereinigten Staaten, Indien, Japan, Deutschland, Russland, Indonesien, Brasilien, Frankreich, Vereinigtes Königreich, Türkei, Italien, Mexiko, Südkorea, Kanada, Spanien, Saudi-Arabien, Iran, Polen und Australien (Quelle: CIA World Factbook 2022).
Während die Vereinigten Staaten von Amerika, Deutschland, Japan, Kanada und Großbritannien zu den zehn weltweit größten Gebern humanitärer Hilfe im Jahr 2022 zählten, unternimmt fast die Hälfte der Länder, die zu den wirtschaftsstärksten Staaten der Welt gehören, nichts oder so gut wie nichts, um Millionen von Menschen in humanitären Krisen auf der ganzen Welt zu unterstützen (Quelle: Financial Tracking Service).
China am Pranger
Der erschreckendste Fall ist bei weitem China. Im Jahre 2022 hat das bevölkerungsreichste Land und die größte Wirtschaftsmacht der Erde gerade mal 2,7 Millionen US-Dollar an dokumentierter humanitärer Hilfe gezahlt. Das sind 0,00001 Prozent des BIP (0,010 Prozent Mille des BIP). Besonders deutlich wird Chinas Verweigerung, notwendige humanitäre Hilfe zu finanzieren, wenn man es mit den Vereinigten Staaten vergleicht, die mit 16,8 Milliarden US-Dollar (0,08 Prozent des BIP, 80 Prozent Mille des BIP) im vergangenen Jahr weltweite humanitäre Hilfe finanziert haben oder Deutschland, das 5 Milliarden US-Dollar (0,113 Prozent des BIP, 113 Prozent Mille des BIP) für die schwächsten Menschen der Welt ausgegeben hat.
Gleichzeitig stellt sich die Volksrepublik China in ihrer Außenpolitik als freundliche Macht und globaler Heilsbringer dar, aber das Land kümmert sich offenbar nicht um Menschen in Not und Bedrängnis. Ressourcen für die Aufrüstung scheinen dagegen reichlich vorhanden zu sein. Nach Angaben des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) investierte China im Jahr 2022 293 Milliarden Dollar in sein Militär.
Weitere Länder, die nichts tun
Neben China fallen weitere aufstrebende große bzw. mittelgroße Ökonomien durch ihr Nichtstun unangenehm auf: Brasilien, Indien, Iran, Indonesien, Mexiko, Polen und Russland. Alle diese Länder zählen zu den zurückhaltendsten humanitären Gebern der Welt.
Die Türkei - ein Sonderfall
Die Türkei ist ein besonderer Fall, da es global zwar wenige finanzielle Ressourcen einsetzt, stattdessen aber viele materielle Ressourcen bereitstellt als das größte Aufnahmeland für Flüchtlinge weltweit. Allein 3,6 Millionen syrische Flüchtlinge werden derzeit in der Türkei beherbergt. Nach den verheerenden Erdbeben von 6. Februar 2023 ist das Land überdies selbst von einer außerordentlichen Krise betroffen und benötigt massive humanitäre Unterstützung.
Spielraum für westlich orientierte Demokratien
Polen wurde als ein Land identifiziert, das äußerst wenig zur humanitären Finanzierung beiträgt. Aber auch Spanien, Südkorea, Italien, Australien, Frankreich und Japan, die einen ordentlichen Beitrag im Jahr 2022 geleistet haben, könnten bezogen auf ihre Wirtschaftskraft viel mehr tun. Verglichen mit Deutschland, das im vergangenen Jahr 0,11 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für humanitäre Hilfe aufgewandt hat, besteht auch für große Geberländer wie das Vereinigte Königreich, Kanada und die Vereinigten Staaten noch viel Spielraum für Steigerungen.
Nicht zu vergessen
Mehrere Staaten auf der Welt geben noch einen größeren Anteil ihrer Wirtschaftskraft als Deutschland für humanitäre Hilfe aus. Diese Länder rangieren jedoch nicht unter den zwanzig größten Ökonomien der Welt und wurden deshalb bislang nicht betrachtet. Zur Gruppe der Staaten, die einen überdurchschnittlichen Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts in die internationale humanitäre Hilfe investieren, gehören Norwegen (0,23 Prozent), Schweden (0,19 Prozent) und Dänemark (0,14 Prozent). Die drei skandinavischen Länder können für die größten Volkswirtschaften der Welt als Vorbild und Mahnung dienen.