Humanitäre Hilfe und Menschenrechte sind zwei Konzepte, die eng miteinander verknüpft sind, sich jedoch in ihrem Ansatz zur Lösung globaler Probleme unterscheiden. Beide sind bestrebt, das Wohlergehen von Einzelpersonen und Gemeinschaften zu fördern, aber sie tun dies mit unterschiedlichen Mitteln. Im Kern haben humanitäre Maßnahmen und Menschenrechte das gemeinsame Ziel, die Menschenwürde zu fördern und menschliches Leid zu lindern. Im Mittelpunkt beider Ideen stehen der Mensch und das Konzept der Menschlichkeit.
Obgleich sowohl die humanitäre Hilfe als auch die Menschenrechte darauf abzielen, das Wohlergehen der Menschen zu fördern, haben sie unterschiedliche Zielsetzungen, Wirkungsbereiche, Akteure und Leitprinzipien. Kurz gesagt, konzentriert sich humanitäre Hilfe auf die Bereitstellung von Soforthilfe in Krisensituationen, während Menschenrechte darauf abzielen, sicherzustellen, dass die Grundrechte des Einzelnen jederzeit geschützt werden.
Begriffsbestimmungen
Der Begriff humanitär hat zwei unterscheidbare Bedeutungen: a) auf die Linderung menschlicher Not gerichtet, auf das Wohl von Menschen gerichtet; b) auf die Notlage von Menschen bezogen, gekennzeichnet durch die existenzielle Hilfsbedürftigkeit vieler Menschen.
Ziel der humanitären Hilfe ist es, Menschen in Krisensituationen zu unterstützen, zum Beispiel Menschen, die von Naturkatastrophen, bewaffneten Konflikten oder anderen Notlagen betroffen sind. Der Schwerpunkt der humanitären Maßnahmen liegt auf dem unmittelbaren Bedarf, zum Beispiel der Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Wasser, Unterkünften und medizinischer Versorgung, sowie dem Schutz vor Gefahren und Ausbeutung.
Unter einer humanitären Krise versteht man ein Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen, welche die Gesundheit, die Sicherheit, das Wohlergehen oder die Lebensgrundlage einer großen Gruppe von Menschen bedrohen.
Menschenrechte hingegen sind Rechte, die allen Menschen zustehen, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit, Sprache, Religion oder einem anderen Status. Zu den Menschenrechten gehören das Recht auf Leben und Freiheit, das Recht auf Freiheit von Sklaverei und Folter, das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie das Recht auf Arbeit und Bildung und viele weitere. Jeder Mensch hat Anspruch auf diese Rechte, ohne Diskriminierung.
Die Menschenrechte zielen auf die Förderung und den Schutz der Rechte und Freiheiten von Einzelpersonen und Gemeinschaften ab, wie sie in den internationalen Menschenrechtsvereinbarungen verankert sind. Die Menschenrechte sind universell, unveräußerlich und unteilbar und umfassen bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. Der Schwerpunkt liegt auf der Gewährleistung eines Lebens in Würde und Respekt, frei von Diskriminierung, Unterdrückung und anderen Formen von Menschenrechtsverletzungen.
Unterschiede
Zielsetzung
Bei der humanitären Hilfe geht es in erster Linie darum, Menschen und Gemeinschaften in Krisen- und Notsituationen wie Naturkatastrophen, Kriegen, Konflikten, Epidemien und anderen von Menschen verursachten Katastrophen zu unterstützen, um ihr Leid zu lindern und ihr Überleben zu sichern. Die humanitäre Hilfe konzentriert sich auf die Deckung des unmittelbaren Bedarfs, während die Menschenrechte darauf abzielen, die Ursachen von Leid und Ungleichheit zu bekämpfen. Bei den Menschenrechten geht es in erster Linie um die Förderung und den Schutz der allen Menschen innewohnenden Würde, Freiheiten und Rechte.
Umfang
Humanitäre Hilfe wird häufig in Notsituationen geleistet und konzentriert sich auf die Bereitstellung von Soforthilfe und Katastrophenhilfe, mit dem Ziel, Leben zu retten und menschliches Leid zu lindern. Die Menschenrechte sind jedoch weiter gefasst und sollen sicherstellen, dass die Grundrechte aller Menschen jederzeit geachtet und geschützt werden.
Während sich die humanitäre Hilfe auf die Bereitstellung von Soforthilfe und Katastrophenhilfe fokussiert, um kurzfristig Leben zu retten und menschliches Leid zu lindern, ist der Schutz der Menschenrechte und die Förderung ihrer allgemeinen Achtung eine langfristige Herausforderung.
Humanitäre Hilfe wird meist durch direkte Unterstützung geleistet, während die Menschenrechte durch Lobbyarbeit, politische Reformen und rechtliche Maßnahmen gefördert werden.
Während die Menschenrechte in allen Kontexten gelten, auch in Zeiten des Friedens und der Stabilität, wird humanitäre Hilfe häufig in Notsituationen geleistet.
Überdies wird humanitäre Hilfe auf der Grundlage der Bedürftigkeit erbracht, während die Menschenrechte universell sind und für alle Menschen gelten.
Akteure
Humanitäre Hilfe wird von einer Reihe von Akteuren geleistet, darunter internationale Organisationen, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und nationale Regierungen. Im Gegensatz dazu sind für den Schutz und die Förderung der Menschenrechte in erster Linie Regierungen zuständig, obwohl auch Organisationen der Zivilgesellschaft und internationale Organisationen eine wichtige Rolle spielen.
Internationale Organisationen und Einrichtungen
Zahlreiche internationale Organisationen sind im Bereich der humanitären Hilfe tätig. Dazu gehören UN-Organisationen und -Einrichtungen wie das UN-Welternährungsprogramm (WFP), das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) oder das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA).
Während OCHA und WFP in erster Linie als humanitäre Akteure gelten, gehören UNHCR und UNICEF zu den humanitären Organisationen, die auch für den Schutz der Menschenrechte großer Gruppen weltweit zuständig sind, nämlich für Flüchtlinge und Kinder.
Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) hingegen ist die für die Menschenrechte verantwortliche UN-Einrichtung, aber er ist gleichzeitig auch eine wichtige Stimme für die Notlage der Menschen in humanitären Krisen, da Menschenrechtsverletzungen oftmals die Ursache oder das Zentrum einer Krise bilden.
Nichtregierungsorganisationen
Amnesty International, Human Rights Watch und die International Federation for Human Rights sind klassische Menschenrechtsorganisationen. Beispiele für typische humanitäre Organisationen umfassen das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) sowie die nationalen Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften, CARE International, Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF), OXFAM International, Mercy Corps, Concern Worldwide oder den Norwegian Refugee Council (NRC).
Viele Nichtregierungsorganisationen bezeichnen sich sowohl als humanitäre Organisation als auch als Menschenrechtsorganisation. Save the Children ist eine internationale NGO, die sich für die Rechte und den Schutz von Kindern einsetzt und darüber hinaus weltweit humanitäre Soforthilfe für Kinder leistet. Médecins du monde (MdM, Ärzte der Welt) ist eine internationale humanitäre und Menschenrechtsorganisation, die medizinische Not- und Langzeithilfe für die bedürftigsten Menschen der Welt leistet. Die Nichtregierungsorganisation setzt sich außerdem dafür ein, dass alle Menschen weltweit ihr Recht auf Gesundheit wahrnehmen können.
Weitere Informationen zu Akteuren
Eine Zusammenstellung von Organisationen, die sich vorrangig um die Durchsetzung der Menschenrechte bemühen, finden Sie unter Menschenrechtsorganisationen. Humanitäre Organisationen können Sie unter folgenden Seiten nachschlagen: Humanitäre Krisenhilfe, Flucht und Vertreibung, Kinder in Not, Hunger und Ernährungsunsicherheit, Medizinische Nothilfe, Vulnerable Gruppen, Glaubensbasierte humanitäre Organisationen.
Prinzipien
Humanitäre Hilfe beruht auf dem Grundsatz der Menschlichkeit, der den Wert jedes menschlichen Lebens und die Verpflichtung zur Linderung von Leiden betont. Weitere wichtige humanitäre Grundsätze sind Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit.
Die Menschenrechte beruhen auf dem Grundsatz der Universalität, der besagt, dass die Menschenrechte für alle Menschen gelten, unabhängig von ihrer Nationalität, ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihrer Religion, ihrem Geschlecht oder anderen Merkmalen. Weitere wichtige Grundsätze der Menschenrechte sind Unteilbarkeit und Interdependenz.
Verknüpft: Menschenrechte in humanitären Krisensituationen
Trotz dieser Unterschiede gibt es erhebliche Überschneidungen zwischen humanitärer Hilfe und Menschenrechten. Beide erkennen den inhärenten Wert des menschlichen Lebens und die Bedeutung der Förderung der Menschenwürde an. Menschenrechte und humanitäre Hilfe sind mitunter eng miteinander verwoben. In humanitären Krisen auf der ganzen Welt sind die elementarsten Menschenrechte bedroht, wie das Recht auf Leben oder das Recht auf Gesundheit.
Nicht selten sind Menschenrechtsverletzungen die Ursache oder stehen im Zentrum einer Krise. Auch humanitäre Organisationen müssen die Rechte von Menschen in Not respektieren und bei der Bereitstellung von Nothilfe beachten.
Während der Reaktion auf eine humanitäre Krise ist der Schutz der Menschenrechte ein übergreifender und wichtiger Bestandteil der humanitären Maßnahmen. Aber auch vor und nach einer Krise ist dies von entscheidender Bedeutung, entweder durch Vorsorge und Prävention oder durch die Stärkung der Widerstandsfähigkeit, dauerhafter Lösungen zu fördern und Stabilität und Frieden zu erhalten.
Humanitäre Krisen führen zu Menschenrechtsproblemen oder verschärfen bereits bestehende Menschenrechtsverletzungen. Wird nicht angemessen darauf reagiert und Abhilfe geschaffen, können die Auswirkungen auf die betroffenen Menschen eine Spirale von Leiden, Ungerechtigkeiten und Gräueltaten auslösen, die die Anfälligkeit und den Bedarf an humanitärer Hilfe noch verschärfen.
Eine humanitäre Krise kann allein dadurch entstehen, dass gefährdete Gruppen Opfer von Verfolgung und schwerer Menschenrechtsverletzungen werden. Besonders gefährdet sind hierbei Frauen und Mädchen, ethnische Minderheiten, LGBTI-Personen (lesbische, schwule, bisexuelle, transgender und intersexuelle Menschen), indigene Völker und religiöse Minderheiten.
Menschenrechtskrise oder humanitäre Krise?
Während sich Beobachter meist auf eine Art der Krise konzentrieren und eine Lage entweder als Menschenrechtskrise oder als humanitäre Krise beschreiben, können in vielen Situationen auf der ganzen Welt beide Bezeichnungen zutreffen.
Afghanistan ist mit einer der größten humanitären Krisen der Welt konfrontiert. Millionen von Menschen in dem Land leiden inmitten eines jahrzehntelangen Konflikts unter Elend und Hunger. Die kumulativen Auswirkungen von gewaltsamen Konflikten, Binnenvertreibung, Dürre und anderen Naturkatastrophen haben den Bedarf an humanitärer Hilfe in dem südasiatischen Land drastisch erhöht. 28,3 Millionen Menschen - zwei Drittel der Bevölkerung des Landes - benötigen in diesem Jahr humanitäre Hilfe.
Zugleich leidet Afghanistan unter einer schweren Menschenrechtskrise, vor allem da die De-facto-Machthaber - die Taliban - Menschenrechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan verletzen, indem sie diese vom öffentlichen und politischen Leben, von wirtschaftlichen Aktivitäten und von der Bildung ausschließen, wodurch sich die humanitäre Lage der weiblichen Bevölkerung weiter verschärft.
Millionen von Menschen in Chinas nordwestlicher Provinz Xinjiang sind mit einer der schlimmsten Menschenrechtskrisen in Asien konfrontiert. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen werden mehr als eine Million Menschen willkürlich und gegen ihren Willen in Lagern festgehalten. Hunderttausende wurden nur deshalb zu Haftstrafen verurteilt, weil sie der ethnischen Gruppe der Uiguren oder anderen überwiegend muslimischen Gemeinschaften angehören.
China wird beschuldigt, schwere Menschenrechtsverletzungen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord an der uigurischen Bevölkerung, anderen ethnischen Gruppen und religiösen Minderheiten in Xinjiang zu begehen. Da zwölf Millionen Uiguren um ihre Sicherheit sowie um die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Kinder und Familien fürchten, muss man aber auch von einer schweren humanitären Krise sprechen.
Zusammenfassung
Trotz entscheidender Unterschiede in Bezug auf Zielsetzung, Umfang, Akteure und Prinzipien haben humanitäre Angelegenheiten und Menschenrechte eine gemeinsame Basis: Beide konzentrieren sich auf das menschliche Wohlergehen und die Nöte und Bedürfnisse von Einzelpersonen oder Gruppen von Menschen, beide versuchen, das Wohlergehen und die Würde des Menschen zu fördern.
Viele internationale Organisationen und Nichtregierungsorganisationen befassen sich sowohl mit humanitären Fragestellungen als auch mit Menschenrechten, doch die meisten konzentrieren sich entweder auf eine humanitäre oder auf eine Menschenrechtsperspektive.
Wer die Gemeinsamkeiten und Unterschiede erkennt, kann besser verstehen, wie die globalen Herausforderungen angegangen und die Rechte und das Wohlergehen aller Menschen gefördert werden können. Die Unterstützung humanitärer Maßnahmen und die Förderung der Menschenrechte sind zwei der nobelsten Aufgaben auf diesem Planeten.