Die Vereinten Nationen sind zutiefst besorgt über die alarmierende Verschlechterung der humanitären Lage in der östlichen Provinz Nord-Kivu in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo, DRC). Nach Angaben des Amtes für humanitäre Hilfe der Vereinten Nationen (OCHA) sind Kämpfe in mehreren Teilen der Städte Masisi, Rutshuru und Sake wieder ausgebrochen, während sich die Kampfhandlungen auch auf die Stadt Kanyabanyonga zubewegen.
Das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten teilte am Freitag mit, dass die erneuten Kämpfe zur Vertreibung von Zivilisten führen, von denen viele in nahe gelegenen Städten Schutz gesucht haben. In Kanyabayonga leben derzeit mehr als 100.000 Menschen, die vor der Gewalt in den Territorien Rutshuru und Masisi geflohen sind.
Die humanitären Maßnahmen in Kanyabanyonga wurden ausgesetzt, und mindestens 48.000 Menschen waren in der vergangenen Woche von jeglicher Hilfe abgeschnitten.
OCHA rief alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht zu achten und unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung und der zivilen Infrastruktur zu ergreifen. Die eskalierende Gewalt droht die bereits prekäre humanitäre Lage in Nord-Kivu, wo über 2,7 Millionen Binnenvertriebene leben, weiter zu verschlechtern.
Die andauernde humanitäre Krise in der Demokratischen Republik Kongo wird von den Geberländern, den Medien und politisch Verantwortlichen weitgehend vernachlässigt. Um den humanitären Bedarf im Lande zu decken, werden dringend zusätzliche Mittel benötigt.
Nach Ablauf von fünf Monaten in diesem Jahr ist der Humanitäre Reaktionsplan 2024 für die Demokratische Republik Kongo nur zu 23 Prozent finanziert: Von den fast 2,6 Milliarden US-Dollar, die benötigt werden, sind nur 591 Millionen US-Dollar eingegangen.
Trotz des Finanzierungsdefizits haben humanitäre Hilfsorganisationen in den ersten drei Monaten des Jahres mehr als 3,1 Millionen Menschen in der DR Kongo mit lebensrettender humanitärer Hilfe erreicht.
Der seit zwei Jahren andauernde Konflikt in der Provinz Nord-Kivu hat mehr als 1,3 Millionen Menschen dazu gezwungen, aus ihren Häusern zu fliehen, was zu einer Gesamtzahl von 5,7 Millionen Binnenvertriebenen in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri geführt hat, weit verbreitetem Hunger und geschlechtsspezifischer Gewalt in nie gekanntem Ausmaß.
Die Kämpfe zwischen der kongolesischen Armee (FARDC) und der bewaffneten Gruppe Mouvement du 23 mars (M23) eskalierten im März 2022. Seitdem konzentriert sich die Gewalt auf die Territorien Rutshuru und Masisi in Nord-Kivu, und die meisten Vertriebenen sind in das Territorium Nyiragongo geflohen.
Viele vertriebene Familien haben in rudimentären Lagern am Rande von Goma, der Hauptstadt von Nord-Kivu, Zuflucht gesucht. Unter den zwei Millionen Einwohnern der Stadt drängen sich zwischen 600.000 und 1 Million Binnenvertriebene.
Die anhaltende bewaffnete Gewalt, die von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen ausgeübt wird, verschärft weiterhin die humanitären Nöte und führt zu massiven Vertreibungen, darunter die Menschen, die durch die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten zwischen M23 und FARDC zur Flucht gezwungen wurden.
Seit Oktober 2023 kam es in Nord-Kivu erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Mitgliedern der M23, der FARDC und Koalitionen bewaffneter Gruppen, die sich im ersten Quartal 2024 verschärften und Hunderttausende von Menschen zur Flucht zwangen. Der Zustrom von Vertriebenen in die Aufnahmegemeinschaften hat die vorhandenen Ressourcen überfordert und die humanitäre Notlage verschlimmert.
Die von bewaffneten Gruppen verübte zyklische Gewalt und die anschließende Vertreibung betrifft Millionen gefährdeter Zivilisten. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind mehrere bewaffnete Gruppen aktiv, darunter die M23, die Coopérative pour le développement du Congo (CODECO), die Rebellen der Allied Democratic Forces (ADF) und Kämpfer der Zaire-Gruppen.
Während die meiste Aufmerksamkeit auf die sich zuspitzende Lage in der Provinz Nord-Kivu gerichtet ist, wird die humanitäre Situation in der Provinz Ituri immer kritischer.
In Ituri hat die bewaffnete Gruppe ADF parallel zu den Zusammenstößen zwischen den CODECO und Kämpfern der Zaire-Gruppen ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung intensiviert, was zu zahlreichen Tötungen, gravierenden Menschenrechtsverletzungen und schweren Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht führte. Im April 2024 waren etwa 1,8 Millionen Menschen in der Provinz Ituri Vertriebene.
Zusammen mit der bewaffneten Gruppe M23 ist die ADF für die meisten Sicherheitsvorfälle in der Provinz Nord-Kivu verantwortlich. Die nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen ADF und CODECO sind für die meisten Tötungen von Zivilisten in den östlichen Provinzen verantwortlich.
Die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass in diesem Jahr 25,4 Millionen Menschen, darunter schätzungsweise 14,9 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen sein werden. In den drei östlichen Provinzen Ituri, Nord-Kivu und Süd-Kivu, die stark von Gewalt und Unsicherheit betroffen sind, benötigen etwa 8 Millionen Frauen, Männer und Kinder dringend humanitäre Hilfe.
Insgesamt mussten mehr als 8,3 Millionen Menschen im Land aus ihrer Heimat fliehen. Davon sind 7,2 Millionen Binnenvertriebene, was die Demokratische Republik Kongo zur zweitgrößten Binnenvertreibungskrise der Welt nach dem Sudan macht. Etwa 1,1 Millionen Kongolesen haben in den Nachbarländern Zuflucht gesucht.
Mehr als 25 Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo - sind nach wie vor von einer krisenhaften oder Notlage der Ernährungsunsicherheit betroffen, was die Situation zu einer der größten Ernährungskrisen der Welt macht. Mehr als 1,1 Millionen Kinder sind akut mangelernährt. 250.000 Kinder leiden an schwerer akuter Unterernährung (SAM) und benötigen dringend medizinische Hilfe.
Klimaextreme, die durch das El-Niño-Phänomen noch verschärft werden, stellen eine weitere Bedrohung für die ohnehin schon gefährdeten Familien dar. Starke Regenfälle, Sturzfluten und Flussüberschwemmungen haben in diesem Jahr Millionen von Kongolesen betroffen und Hunderte von Menschen getötet.
Während die Demokratische Republik Kongo weiterhin unter der Gewalt von mehr als 130 bewaffneten Gruppen leidet, die in den östlichen Regionen operieren, ist die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO) seit 1999 in den östlichen Provinzen tätig und bildet die größte UN-Friedensmission der Welt.
Im Rahmen des Abzugsplans der UN-Mission aus der Demokratischen Republik Kongo sollen die Friedenstruppen aus den östlichen Provinzen abgezogen werden. Aus der Provinz Süd-Kivu hat sich die Mission bereits zurückgezogen. Die MONUSCO wird ihren Abzug aus dem Land bis Ende 2024 abschließen, was Befürchtungen hinsichtlich des Schutzes der Zivilbevölkerung weckt und eine Verschärfung der humanitären Notlage befürchten lässt.