Eine hochrangige Vertreterin der Vereinten Nationen hat sich äußerst besorgt über die rasche Ausbreitung der bewaffneten Gruppe M23 im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) geäußert, insbesondere in der Provinz Nord-Kivu und deren Übergreifen auf die benachbarte Provinz Süd-Kivu. Die UN-Sondergesandte für die Demokratische Republik Kongo, Bintou Keita, beschrieb die Situation am Montag vor dem UN-Sicherheitsrat als "eine der schwersten, komplexesten und am meisten vernachlässigten humanitären Krisen unserer Zeit".
Keita, die auch die Stabilisierungsmission der Organisation der Vereinten Nationen in der Demokratischen Republik Kongo (MONUSCO), die größte UN-Friedensmission der Welt, leitet, warnte, dass die "schnell eskalierende M23-Krise das sehr reale Risiko birgt, einen größeren regionalen Konflikt zu provozieren".
Die Eskalation des Konfliktes im Osten der Demokratischen Republik Kongo verursacht ein Rekordniveau an Vertreibung, Hunger und geschlechtsspezifischer Gewalt. Die mehr als zwei Jahre andauernden bewaffneten Auseinandersetzungen in der Provinz Nord-Kivu haben Millionen von Menschen dazu gezwungen, aus ihren Häusern in der DR Kongo zu fliehen, was zu einer Gesamtzahl von 6,5 Millionen Binnenvertriebenen in den Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri geführt hat.
Die Kämpfe zwischen der kongolesischen Armee und der bewaffneten Gruppe Mouvement du 23 mars (M23) eskalierten im März 2022. Seitdem konzentriert sich die Gewalt auf die Gebiete Rutshuru und Masisi in Nord-Kivu, und die meisten Vertriebenen sind in das Gebiet Nyiragongo geflohen.
Die Lage im Osten des Landes hat sich in den letzten Wochen und Monaten trotz zahlreicher Militäroperationen der Streitkräfte der Demokratischen Republik Kongo (FARDC), die häufig von der MONUSCO und der Sicherheitsmission der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC) in der DRK unterstützt werden, weiter verschlechtert.
In den vergangenen zwei Wochen habe die M23 mehrere strategische Orte in Nord-Kivu eingenommen, mehrere FARDC-Stützpunkte niedergebrannt und Massenvertreibungen ausgelöst, sagte Keita und wies darauf hin, dass ein UN-Expertengremium, das dem Sanktionsausschuss des Rates Bericht erstattet, festgestellt habe, dass Ruanda seine Unterstützung für die M23 verstärkt habe.
Seit Oktober 2023 kam es in Nord-Kivu erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Mitgliedern der M23, der FARDC und Koalitionen bewaffneter Gruppen, die sich in der ersten Hälfte des Jahres 2024 verschärften und die im laufenden Jahr bereits mehr als eine Million Menschen zur Flucht zwangen.
So wurden beispielsweise im Juni bei einer Offensive der M23 auf die Stadt Kanyabayonga innerhalb einer Woche 350.000 Menschen vertrieben. Der Zustrom von Vertriebenen in die Aufnahmegemeinschaften hat die vorhandenen Ressourcen überfordert und die humanitäre Krise verschärft.
Viele vertriebene Familien haben in rudimentären Lagern am Rande von Goma, der Hauptstadt von Nord-Kivu, Zuflucht gesucht. In der Zwei-Millionen-Stadt sind zwischen 600.000 und 1 Million Binnenvertriebene zusammengepfercht.
Unter Hinweis auf 7,3 Millionen Binnenvertriebene bezeichnete die UN-Sonderbeauftragte die Lage im Land als "eine der schwersten, komplexesten und am meisten vernachlässigten humanitären Krisen unserer Zeit".
Die Demokratische Republik Kongo zählt zu den Ländern mit den meisten Binnenvertriebenen weltweit. Mehr als 7,3 Millionen Menschen sind über das ganze Land verteilt, die meisten von ihnen leben jedoch in den östlichen Provinzen. 2,8 Millionen Menschen sind derzeit inerhalb der Provinz Nord-Kivu auf der Flucht.
Die lang andauernde humanitäre Krise in der Demokratischen Republik Kongo wird von Gebern, Medien und politischen Entscheidungsträgern weitgehend vernachlässigt. Es werden dringend zusätzliche Mittel benötigt, um den humanitären Bedarf im Land zu decken. Der Humanitäre Reaktionsplan (HRP) für 2024 sieht 2,6 Milliarden US-Dollar vor, um 8,7 Millionen der am stärksten von der Krise betroffenen Menschen zu unterstützen, doch sind bisher nur 26 Prozent der Mittel aufgebracht.
Keita forderte eine Aufstockung der finanziellen Unterstützung und appellierte an die UN-Mitgliedstaaten und die regionalen Organisationen, ihre Bemühungen um eine Verringerung des humanitären Leids zu verstärken, indem sie sich verstärkt um politische und regionale Lösungen bemühen und sich erneut mit den eigentlichen Ursachen des Konflikts befassen.
"Es wird keine militärische Lösung für diesen Konflikt geben, und der Frieden kann nur durch dauerhafte politische Lösungen wiederhergestellt werden", sagte sie und wies darauf hin, dass die MONUSCO weiterhin die Bemühungen der Regierung um Entwaffnung, Demobilisierung und Wiedereingliederung sowie die Reform des Sicherheitssektors unterstütze.
Sie begrüßte die zweiwöchige humanitäre Waffenruhe im Osten des Landes, die am 5. Juli begann. Die humanitäre Waffenruhe, die bis zum 19. Juli andauern wird, verpflichtet die Konfliktparteien, ihre Waffen ruhen zu lassen, die freiwillige Rückkehr von Vertriebenen zu ermöglichen und humanitären Helfern ungehinderten Zugang zu gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu gewähren.
Am Freitag warnte eine Gruppe von 13 internationalen humanitären Organisationen, dass Hunderttausende von Menschen im Zuge des jüngsten Aufflammens des Konflikts und der Gewalt im Osten der Demokratischen Republik Kongo gewaltsam vertrieben wurden, wobei Zivilisten, zivile Infrastrukturen sowie Mitarbeiter und Einrichtungen von Nichtregierungsorganisationen zunehmend zur Zielscheibe werden.
"Während Nord-Kivu seit über zwei Jahrzehnten von Konflikten geplagt wird, hat sich die aktuelle Situation drastisch verschlechtert und zu einer katastrophalen Schutzkrise geführt. Die Konfliktparteien setzen nun regelmäßig schwere Artillerie ein, darunter Mörser, Granaten und Bomben, und nehmen gezielt Zivilisten ins Visier, darunter auch Binnenvertriebene", erklären sie.
Die gemeinsame Erklärung wurde von ActionAid, Catholic Agency for Overseas Development (CAFOD), Concern Worldwide, COOPI - Cooperazione Internazionale, Danish Refugee Council, Inter-Agency Working Group East and Central Africa (IAWG), International Rescue Committee (IRC), INTERSOS, Islamic Relief, Mercy Corps, Oxfam, Save the Children und Tearfund unterzeichnet.
Die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) warnten, dass die Beteiligung der Nachbarländer durch ihre Unterstützung für nichtstaatliche bewaffnete Gruppen, die Präsenz mehrerer nationaler und regionaler Streitkräfte und mehr als 120 bewaffnete Gruppen "eine Übermilitarisierung der Region darstellt und dem Konflikt in der DR Kongo eine weitere Komplexitätsebene hinzufügt, die, wenn sie nicht eingedämmt wird, zu einer regionalen Eskalation führen könnte."
Trotz des enormen und wachsenden Bedarfs an humanitärer Hilfe und Schutzmaßnahmen wird der Zugang zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen zunehmend eingeschränkt.
"Glaubwürdige Berichte deuten darauf hin, dass die Konfliktparteien ihre Präsenz in und um die Vertriebenenlager militarisiert haben, was deren zivilen Charakter beeinträchtigt und nicht nur für die Binnenvertriebenen, sondern auch für die humanitären Helfer eine ernsthafte Gefahr darstellt", heißt es in der Erklärung der NGOs.
Am 30. Juni wurden zwei Tearfund-Mitarbeiter bei einem Angriff in Nord-Kivu getötet. Die beiden humanitären Helfer waren in einem Konvoi von der Stadt Lubero in die Stadt Butembo unterwegs, als sie angegriffen und getötet wurden.
Während die Demokratische Republik Kongo weiterhin unter der Gewalt von mehr als 120 bewaffneten Gruppen leidet, die in den östlichen Regionen operieren, ist die MONUSCO seit 1999 in diesen Regionen tätig.
Im Rahmen des Abzugsplans der Mission aus der Demokratischen Republik Kongo sollen die UN-Friedenstruppen jedoch aus den östlichen Provinzen abgezogen werden. Die Mission hat sich bereits aus der Provinz Süd-Kivu zurückgezogen. Die MONUSCO wird ihren Rückzug aus dem Land bis Ende 2024 abschließen, was Befürchtungen im Hinblick auf den Schutz der Zivilbevölkerung und die Gefahr einer Verschärfung der humanitären Notlage weckt.
Der geplante Abzug der UN-Mission wird wahrscheinlich ein Machtvakuum schaffen, das es nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen ermöglicht, ihre Aktivitäten zu konsolidieren und zu eskalieren, was zu einem Anstieg der Gewalt, zu Menschenrechtsverletzungen und zu weiterer Vertreibung der Bevölkerung führen wird, warnte die Nichtregierungsorganisationen
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Die meisten Binnenvertriebenen des Landes leben in Gebieten, die derzeit von der MONUSCO geschützt werden, so dass im Falle eines übereilten und ungeordneten Abzugs eine humanitäre Katastrophe droht.
"Die Uhr tickt für die Zivilbevölkerung. Da die Krise weiterhin von anderen humanitären Notsituationen überschattet wird und trotz der Verschärfung des Konflikts bleiben die politischen Führer und die Geberorganisationen in der ganzen Welt auf unerklärliche Weise unbeteiligt an der Tragödie, die sich abspielt", so die humanitären Organisationen.
Die von bewaffneten Gruppen verübte zyklische Gewalt und die anschließende Vertreibung betrifft Millionen von gefährdeten Zivilisten. Zu den bewaffneten Gruppen, die im Osten der DRK aktiv sind, gehören die M23, die Coopérative pour le développement du Congo (CODECO), Rebellen der Alliierten Demokratischen Kräfte (ADF) und Kämpfer der Gruppe Zaïre.
Während die meiste Aufmerksamkeit auf die sich verschlechternde Lage in der Provinz Nord-Kivu gerichtet bleibt, wird die humanitäre Situation in der Provinz Ituri immer kritischer. In Ituri hat die ADF parallel zu den Zusammenstößen zwischen den bewaffneten Gruppen der CODECO und Zaïre-Käpfern ihre Angriffe auf die Zivilbevölkerung intensiviert, was zu zahlreichen Tötungen, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und gravierenden Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht geführt hat.
Zusammen mit der bewaffneten Gruppe M23 ist die ADF für die meisten Sicherheitsvorfälle in der Provinz Nord-Kivu verantwortlich. Die nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen ADF und CODECO sind für die meisten Tötungen von Zivilisten in den östlichen Provinzen zur Verantwortung zu ziehen.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind im Jahr 2024 25,4 Millionen Menschen, darunter schätzungsweise 14,9 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. In den drei östlichen Provinzen Ituri, Nord-Kivu und Süd-Kivu sind rund 8 Millionen Frauen, Männer und Kinder auf Nothilfe angewiesen.
Insgesamt wurden mehr als 8,4 Millionen Menschen im Land gezwungen, aus ihren Häusern zu fliehen. Davon sind 7,3 Millionen Binnenvertriebene, was die Demokratische Republik Kongo zur zweitgrößten Binnenvertreibungskrise der Welt nach dem Sudan macht. Etwa 1,1 Millionen Kongolesen haben in den Nachbarländern Zuflucht gesucht.
Mehr als 25 Millionen Menschen - ein Viertel der Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo - sind nach wie vor von einer Krise oder Notsituation in Bezug auf die Ernährungssicherheit betroffen, was die Situation zu einer der größten Ernährungskrisen der Welt macht. Über 1,1 Millionen Kinder sind akut mangelernährt. 250 000 Kinder leiden an schwerer akuter Unterernährung (SAM) und benötigen dringend medizinische Hilfe.