Dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) ist es nach eigenen Angaben gelungen, dringend benötigte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel in die sudanesische Region Darfur zu bringen. Dies ist der erste WFP-Konvoi, der die vom Krieg zerrüttete Region seit Monaten erreicht. Die UN-Organisation warnte jedoch am Freitag, dass sich die Hungerkatastrophe in dem Land weiter verschlimmern wird, wenn die Menschen im Sudan nicht über alle möglichen humanitären Korridore - aus den Nachbarländern und über die Frontlinien hinweg - kontinuierlich mit Hilfsgütern versorgt werden.
Nach Angaben des WFP überquerten Ende März zwei Hilfskonvois aus dem benachbarten Tschad die Grenze nach Darfur und brachten Nahrungsmittel und Ernährungshilfe für rund 250.000 Menschen, die in den Bundesstaaten Nord-, West- und Zentral-Darfur akut vom Hunger betroffen sind.
Die ersten grenzüberschreitenden Konvois folgten auf langwierige Verhandlungen zur Wiedereröffnung dieser Routen, nachdem die sudanesischen Behörden in Port Sudan im Februar die Genehmigungen für humanitäre Korridore aus dem Tschad widerrufen hatten.
"Wir müssen dafür sorgen, dass die Hilfe die vom Krieg verwüsteten Gemeinden auf allen möglichen Wegen erreicht. Der Hunger im Sudan wird nur noch zunehmen, wenn in wenigen Wochen die magere Jahreszeit beginnt", erklärte der WFP-Vertreter und Landesdirektor im Sudan, Eddie Rowe, in einer Stellungnahme.
"Ich befürchte, dass wir in dieser mageren Jahreszeit ein noch nie dagewesenes Ausmaß an Hunger und Unterernährung im Sudan erleben werden."
Erschwerend kommt hinzu, dass die sudanesische Getreideproduktion für 2023, einschließlich der Weizenernte, die im März 2024 eingebracht werden soll, auf 4,1 Millionen Tonnen geschätzt wird und damit 46 Prozent unter der Vorjahresernte und etwa 40 Prozent unter jener der letzten fünf Jahre liegt.
Die vorübergehende Schließung des Korridors für humanitäre Hilfe aus dem Tschad sowie anhaltende Kämpfe, langwierige Abfertigungsverfahren für humanitäre Güter, bürokratische Hindernisse und Sicherheitsbedrohungen haben es den humanitären Organisationen unmöglich gemacht, in dem Umfang tätig zu werden, der erforderlich ist, um den Hunger im Sudan zu lindern.
Letzte Woche erreichten 37 Lastwagen mit 1.300 Tonnen Hilfsgütern aus Adre im Tschad West-Darfur, und die Verteilung von Nahrungsmitteln in West- und Zentral-Darfur ist im Gange. Das WFP weiß jedoch nicht, wann der nächste Konvoi aus dem Tschad nach Darfur fahren kann.
West-Darfur wird weitgehend von den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) kontrolliert. Gleichwohl behindern beide Kriegsparteien den Zugang nach Darfur.
Weitere 16 Lastwagen mit rund 580 Tonnen Hilfsgütern erreichten Nord-Darfur am 23. März über den tschadischen Grenzübergang Tina, während sechs Lastwagen mit 260 Tonnen Lebensmitteln einige Tage später von Port Sudan aus in das Gebiet gelangten.
Aufgrund heftiger Kämpfe, mangelnder Sicherheit und langwieriger Freigaben durch die Kriegsparteien hat sich die Verteilung dieser Hilfsgüter an die Bedürftigen jedoch verzögert, so das Welternährungsprogramm.
"Das WFP und seine Partner brauchen dringend Sicherheitsgarantien, damit die Hilfsgüter in Nord-Darfur an die Menschen verteilt werden können, die darum kämpfen, auch nur eine Grundmahlzeit pro Tag zu bekommen", sagte Rowe.
"Grenzüberschreitende Einsätze vom Tschad nach Darfur sind entscheidend, um Gemeinden zu erreichen, in denen Kinder bereits an Unterernährung sterben. Alle Korridore für den Transport von Nahrungsmitteln müssen offen bleiben, insbesondere der Korridor von Adre im Tschad nach West-Darfur, wo das Ausmaß des Hungers alarmierend ist", fügte er hinzu.
Letzten Monat warnte die Exekutivdirektorin des Welternährungsprogramms, Cindy McCain, dass der Krieg im Sudan die schlimmste Hungerkrise der Welt auszulösen drohe, wenn die Familien im Sudan und diejenigen, die in den Südsudan und den Tschad geflohen sind, nicht die dringend benötigte Nahrungsmittelhilfe erhielten.
Am 15. April jährt sich der Krieg im Sudan, der durch einen Machtkampf zwischen zwei rivalisierenden Generälen ausgelöst wurde, zum ersten Mal. Nach Angaben von Hilfsorganisationen hat der Krieg katastrophale Folgen für eine Bevölkerung von fast 49 Millionen Menschen, von denen mehr als die Hälfte, nämlich 24,8 Millionen, lebensrettende humanitäre Hilfe benötigen.
Zehntausende von Menschen wurden bereits getötet und verletzt, und Millionen wurden aus ihren Häusern vertrieben.
Der Krieg im Sudan treibt den Hunger auf ein Rekordniveau: 18 Millionen Menschen leiden unter akutem Hunger, darunter 5 Millionen in Notsituationen - am Rande einer Hungersnot. In Darfur sind 1,7 Millionen Menschen von einer akuten Notlage betroffen.
Während die Vereinten Nationen Berichte über Kinder erhalten haben, die an Unterernährung gestorben sind, warnen Experten, dass in Teilen von West-Darfur, Khartum und unter den Binnenvertriebenen, insbesondere in den schwer zugänglichen Gebieten von Darfur, ein katastrophales Ausmaß an Ernährungsunsicherheit - also eine Hungersnot - zu erwarten ist.
Aufgrund von Unsicherheit, Zugangsbeschränkungen und fehlenden Finanzmitteln haben Hilfsorganisationen in diesem Jahr nur 2,3 Millionen von 14,7 Millionen anvisierten Menschen mit lebensrettender Hilfe erreicht.
Unter den Kindern im Sudan benötigen 14 Millionen dringend humanitäre Hilfe, 19 Millionen gehen nicht zur Schule und mehr als 4 Millionen sind auf der Flucht, so dass der Sudan heute die größte Kindervertreibungskrise der Welt darstellt.
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) hat davor gewarnt, dass der brutale Krieg im Sudan das Land auf eine Hungersnot und katastrophale Verluste an Menschenleben, speziell bei Kindern, zusteuert. Die Bedingungen sind katastrophal, es herrscht akuter Mangel an Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser.
UNICEF geht davon aus, dass in diesem Jahr fast 3,7 Millionen Kinder im Sudan akut unterernährt sein werden, darunter 730.000 mit schwerer akuter Unterernährung, die eine lebensrettende Behandlung benötigen. Die UN-Organisation hat darauf hingewiesen, dass ohne verbesserten Zugang und zusätzliche Unterstützung, einschließlich einer Aufstockung der internationalen Finanzmittel, Zehntausende von Kindern wahrscheinlich sterben werden.
Laut der Nichtregierungsorganisation Save the Children könnten in den kommenden Monaten 230.000 Kinder, schwangere Frauen und junge Mütter an Hunger sterben, wenn nicht dringend lebensrettende Mittel und Hilfe bereitgestellt werden, um ihren Bedarf zu decken.
Erschwerend kommt hinzu, dass zwei Drittel der Sudanesen keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung haben, nachdem 70 bis 80 Prozent der Krankenhäuser ihren Betrieb eingestellt haben, weil es an medizinischen Hilfsgütern, einschließlich lebensrettender Medikamente, mangelt, so die Weltgesundheitsorganisation (WHO). Nach Angaben der WHO verhindern die eskalierenden Kämpfe, dass die dringend benötigte humanitäre Hilfe Millionen von Menschen im ganzen Land erreicht.
Unterdessen kommt es im Land immer wieder zu Ausbrüchen von Cholera, Masern, Dengue-Fieber und Malaria.
Im vergangenen April brachen Kämpfe zwischen den Truppen des sudanesischen Armeechefs, General Abdel-Fattah Burhan, und Mohammed Hamdan Dagalo aus, der die paramilitärischen Rapid Support Forces befehligt. Die beiden Generäle waren einst Verbündete in der sudanesischen Übergangsregierung, die nach einem Staatsstreich im Jahr 2021 gebildet wurde, sind jedoch zu Rivalen um die Macht geworden. Der Konflikt entbrannte inmitten eines ins Stocken geratenen Übergangs zu Wahlen und einer zivil geführten Regierung.
Der darauf folgende Machtkampf hat zu mehr als 14.000 Toten und 28.000 Verletzten, einer massiven Vertreibungskrise und massenhaften Gräueltaten, insbesondere gegen nicht-arabische Gemeinschaften in der Region Darfur, geführt.
Fast zwölf Monate nach Beginn des Krieges zwischen der SAF und der RSF in der Hauptstadt Khartum sind mehr als 8,7 Millionen Menschen Vertriebene, und mussten innerhalb und außerhalb des Sudans Zuflucht zu suchen.
Mehr als 6,7 Millionen der Vertriebenen befinden sich im Sudan, während über 2 Millionen Menschen in anderen Ländern Zuflucht gesucht haben. Davon sind mindestens 1,8 Millionen über die Grenzen in die Nachbarländer Südsudan, Tschad, Äthiopien, Ägypten und die Zentralafrikanische Republik geflohen.
Insgesamt sind derzeit etwa 12 Millionen Menschen durch Konflikte im Sudan vertrieben, davon mehr als 9,5 Millionen innerhalb des Landes. Damit ist der Sudan die größte interne Vertreibungskrise der Welt und neben dem Krieg in Syrien eine der beiden größten Vertreibungskrisen der Welt.
Die katastrophale humanitäre Lage im Sudan erhält kaum die internationale politische und mediale Aufmerksamkeit, die sie erfordert.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Erste Nahrungsmittelhilfe seit Monaten erreicht Darfur, doch eingeschränkter humanitärer Zugang verschlimmert die Hungerkatastrophe im Sudan, WFP, Pressemitteilung, veröffentlicht am 5. April 2024 (in Englisch)
https://www.wfp.org/news/first-food-aid-months-reaches-darfur-yet-limited-humanitarian-access-worsening-sudans-hunger