Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) und das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) haben am Freitag alle Akteure im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo, DRK) eindringlich aufgefordert, die Gewalt zu beenden, die einen enormen Tribut unter der Zivilbevölkerung, insbesondere unter Kindern, fordert. Gewaltsame Zusammenstöße zwischen nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen (NSAGs) und Regierungstruppen haben in den letzten sechs Wochen mehr als 450.000 Menschen in den Gebieten Rutshuru und Masisi in der Provinz Nord-Kivu vertrieben.
Seit Anfang Oktober kommt es täglich zu Zusammenstößen zwischen Mitgliedern der Rebellengruppe Mouvement du 23 mars (M23), den kongolesischen Streitkräften und Koalitionen bewaffneter Gruppen in der Provinz Nord-Kivu. Die meisten Zusammenstöße finden in den Territorien Masisi, Rutshuru und Nyiragongo statt.
Nach Angaben der UN-Organisationen wird das Ausmaß der Vertreibungskrise außerdem durch den eingeschränkten Zugang der humanitären Hilfe zu den Notleidenden verschärft, was vor allem auf die Blockade der Hauptverkehrswege zurückzuführen ist.
"Abgeschnitten von lebenswichtiger humanitärer Hilfe sitzen derzeit rund 200.000 Binnenvertriebene fest", sagte Angele Dikongue-Atangana, die Vertreterin des UNHCR für die Demokratische Republik Kongo, am Freitag von Kinshasa aus.
"Tragischerweise wird erwartet, dass weitere 100.000 Menschen in den kommenden Tagen mit Zugangsbeschränkungen konfrontiert sein werden, wenn die derzeitigen Konflikttrends anhalten."
Die UN-Vertreterin wies bei einem Medienbriefing in Genf darauf hin, dass die Unterbrechung der Straßen nicht nur die Lieferung wichtiger humanitärer Hilfe behindere, sondern auch die Verwundbarkeit der vertriebenen Bevölkerung erhöhe, da sie ohne lebenswichtige Ressourcen und ohne Schutz bleibe.
"Obwohl das UNHCR in den letzten Monaten in der Nähe der Provinzhauptstadt Goma Unterkünfte für mehr als 40.000 Menschen gebaut und mehr als 30.000 Kits mit Planen, Kochtöpfen und Decken verteilt hat, muss die internationale Gemeinschaft dringend etwas gegen die Behinderung des humanitären Zugangs unternehmen, um sicherzustellen, dass die fast sieben Millionen Menschen, die vom Konflikt im Osten der DRK betroffen sind, dringend Hilfe erhalten", so Dikongue-Atangana.
Die UN-Organisationen und humanitären Partnerorganisationen stocken ihre humanitäre Hilfe und Schutzmaßnahmen derzeit rasch auf, um den dringenden Bedarf zu decken, der sich aus der Überfüllung und den unzureichenden Notunterkünften an spontanen Standorten in den östlichen Provinzen ergibt, wo der Zugang zu Nahrungsmitteln und sauberem Wasser begrenzt ist.
UNHCR und UNICEF erklärten, dass der Ernst der Lage durch die erschütternden Berichte von Vertriebenen die zu Zehntausenden in der Stadt Sake, 35 km westlich von Goma, ankamen, noch unterstrichen werde. Nachdem die Menschen zunächst gezwungen waren, in Gebiete zu fliehen, in denen keine Hilfsgüter zugänglich waren, schilderten sie UNHCR-Mitarbeitern, dass sie erschütternde Entscheidungen treffen mussten, darunter Männer, die den Tod riskierten, um hungernde Kinder zu ernähren, und Frauen, die eine Vergewaltigung riskierten, um Feuerholz zu sammeln.
Nach Angaben der UNHCR-Vertreterin wurden im Oktober mehr als 3.000 Menschenrechtsverletzungen gemeldet, darunter Vergewaltigungen, willkürliche Tötungen, Entführungen, Erpressungen und die Zerstörung von Eigentum - fast doppelt so viele wie im Vormonat, was ein zutiefst besorgniserregendes Muster der Übergriffe auf die Zivilbevölkerung verdeutlicht.
Die Demokratische Republik Kongo leidet aufgrund der anhaltenden Gewalt bereits unter einer der größten Vertreibungskrisen in Afrika - nach dem Sudan. Mehr als 8,2 Millionen Menschen im Land waren gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. Darunter befinden sich fast 7 Millionen Binnenvertriebene und 1,3 Millionen Flüchtlinge, die in den Nachbarländern Schutz gesucht haben. Darüber hinaus beherbergt die DRK rund 500.000 Flüchtlinge.
Im November 2023 lebten die meisten Binnenvertriebenen, etwa 5,5 Millionen Menschen (80 Prozent), in Nord-Kivu (2,41 Millionen Binnenvertriebene), Ituri (1,65 Millionen) und Süd-Kivu (1,49 Millionen).
Angesichts der andauernden Konflikte, der eskalierenden Gewalt und der weit verbreiteten Menschenrechtsverletzungen ist die DR Kongo mit einer der größten humanitären Krisen der Welt konfrontiert. Seit Jahrzehnten erlebt das Land mehrere, sich überschneidende Notsituationen, die hauptsächlich durch Konflikte und Zwangsvertreibungen verursacht werden, insbesondere in den östlichen Provinzen Nord-Kivu, Süd-Kivu und Ituri.
UNHCR und UNICEF betonten am Freitag, dass die Verschärfung der Gewalt verheerende Auswirkungen auf das Leben von Kindern hat, die mit einer alarmierenden Zahl von schweren Verletzungen ihrer Rechte konfrontiert sind.
Grant Leaity, UNICEF-Vertreter für die DR Kongo, sagte, ebenfalls aus Kinshasa zugeschaltet, dass die Zahl der gemeldeten Verstöße gegen die Rechte von Kindern zwischen Juli und September 2023 gegenüber der bereits hohen Zahl von Verstößen in der ersten Jahreshälfte 2018 um 130 Prozent gestiegen sei.
Kinder seien in zunehmendem Maße der Rekrutierung und dem Missbrauch durch bewaffnete Gruppen ausgesetzt, mit mehr als 450 verifizierten Fällen von Juli bis September, was einem Anstieg von 50 Prozent gegenüber der ersten Jahreshälfte entspreche, sagte Leaity.
Er berichtete auch, dass UNICEF seit Juni 2023 fast 700.000 Menschen mit lebensrettender und lebensverbessernder Hilfe erreicht hat, darunter sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen, Schutz für Kinder, Hilfsgüter, Gesundheit, Ernährung und Bildung.
Im Juni dieses Jahres kündigten die weltweit führenden Vertreter der Hilfsorganisationen eine systemweite Ausweitung an, die es den humanitären Organisationen ermöglichte, ihre Maßnahmen im Osten der DR Kongo nach Monaten unerbittlicher Gewalt, Vertreibung und steigendem humanitären Bedarf auszuweiten. In den letzten Monaten haben die humanitären Organisationen ihre Einsätze ausgeweitet. Die Hilfsorganisationen benötigen jedoch dringend zusätzliche finanzielle Unterstützung, um ihre Operationen fortzusetzen und zu verstärken.
UNHCR und UNICEF appellieren eindringlich an alle Akteure im Osten der Demokratischen Republik Kongo, die Gewalt zu beenden, die einen enormen Tribut unter der Zivilbevölkerung fordert.
"Wir sind uns einig in unserem Engagement, das Leid der von der Krise betroffenen Menschen zu lindern, aber die internationale Gemeinschaft muss schnell und großzügig handeln, um sicherzustellen, dass ausreichende Ressourcen mobilisiert werden", sagte Dikongue-Atangana.
Die humanitäre Hilfe in der Demokratischen Republik Kongo ist deutlich unterfinanziert. Für das Jahr 2023 sieht der Humanitäre Reaktionsplan 2,3 Milliarden US-Dollar für lebensrettende Maßnahmen vor, die aber mit Stand vom 25. November nur zu 37 Prozent finanziert sind.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: UNHCR und UNICEF äußern große Besorgnis über die humanitäre Belastung der Zivilbevölkerung im Osten der DR Kongo, UNHCR, Briefing Notizen, veröffentlicht am 24. November 2023 (in Englisch)
https://www.unhcr.org/news/briefing-notes/unhcr-and-unicef-express-grave-concern-over-humanitarian-toll-civilians-eastern