Die Kriegsparteien im Jemen haben am Freitag mit der Freilassung von fast 900 Gefangenen begonnen und damit die Hoffnung auf eine breitere politische Lösung des Konflikts geweckt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) leitet die Durchführung der Freilassungsaktion, bei der drei Tage lang Flüge zwischen sechs Flughäfen im Jemen und in Saudi-Arabien durchgeführt werden, um die Gefangenen zurückzubringen.
Vom Iran unterstützte Houthi-Rebellen und eine von Saudi-Arabien angeführte Koalition, welche die jemenitische Regierung unterstützt, führen seit 2015 einen Krieg, der zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt geführt hat.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz wird die Gefangenen mit seinen Flugzeugen in mehrere Städte im Jemen und in Saudi-Arabien ein- und ausfliegen. IKRK-Teams werden die Gefangenen auch während ihrer Reise begleiten und sie unterwegs medizinisch versorgen.
Die Aufgabe des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz besteht darin, dafür zu sorgen, dass die humanitären Grundsätze eingehalten und die Gefangenen während des gesamten Prozesses human behandelt werden. IKRK-Mitarbeiter haben den Gesundheitszustand der Häftlinge untersucht und bestätigt, dass sie reisefähig sind.
"Mit diesem Akt des guten Willens werden Hunderte von Familien, die durch den Konflikt auseinandergerissen wurden, während des heiligen Fastenmonats Ramadan wieder zusammengeführt, was einen Hoffnungsschimmer inmitten großen Leids darstellt", sagte Fabrizio Carboni, der Regionaldirektor des IKRK für den Nahen und Mittleren Osten.
Nach Angaben des IKRK werden auch die jemenitische Rothalbmondgesellschaft (YRCS) und die saudische Rothalbmondbehörde (SRCA) eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der Häftlinge spielen. Ihr medizinisches Personal und ihre Freiwilligen werden den Gefangenen mit Behinderungen beim Ein- und Aussteigen aus den Flugzeugen helfen und bei Bedarf Erste Hilfe und Sanitätsdienste leisten.
"Wir wünschen uns sehr, dass diese Freilassungen den Anstoß für eine breitere politische Lösung darstellen und dazu führen, dass noch mehr Gefangene zu ihren Angehörigen zurückkehren", sagte Carboni.
Die Freilassungsaktion ist das Ergebnis von Gesprächen, die am 20. März 2023 in Bern, Schweiz, abgeschlossen wurden, wo die Konfliktparteien im Jemen den Plan für die Freilassung endgültig festlegten. Das IKRK leitete diese Gespräche gemeinsam mit dem Büro des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für Jemen (OSESGY).
Die Parteien haben sich verpflichtet, im Mai erneut zusammenzukommen, um weitere Freilassungen zu organisieren.
Der UN-Sonderbeauftragte für den Jemen, Hans Grundberg, begrüßte den Beginn der Freilassungsaktion und dankte den Parteien für ihre Zusammenarbeit mit seinem Büro und dem IKRK bei der Umsetzung des im März vereinbarten Plans.
"Diese Freilassungsaktion kommt zu einem Zeitpunkt der Hoffnung für den Jemen und erinnert uns daran, dass ein konstruktiver Dialog und gegenseitige Kompromisse mächtige Instrumente sind, mit denen große Erfolge erzielt werden können. Heute können Hunderte von jemenitischen Familien das Eidfest mit ihren Angehörigen feiern, weil die Parteien verhandelt und eine Einigung erzielt haben. Ich hoffe, dass sich dieser Geist auch in den laufenden Bemühungen um eine umfassende politische Lösung widerspiegelt", sagte Grundberg.
Ende nächster Woche werden die Muslime das Ende ihres täglichen Fastens während des heiligen Monats Ramadan mit dem Fest Eid al-Fitr (Fest des Fastenbrechens) begehen.
"Tausende von Familien warten immer noch darauf, mit ihren Angehörigen wiedervereint zu werden. Ich hoffe, dass die Parteien auf dem Erfolg dieser Operation aufbauen, um ihre im Stockholmer Abkommen eingegangene Verpflichtung gegenüber dem jemenitischen Volk zu erfüllen, alle konfliktbedingten Gefangenen freizulassen und dem Leiden ein Ende zu setzen", sagte der Sondergesandte.
Nach der diplomatischen Annäherung zwischen Saudi-Arabien und dem Iran wächst in der Region die Hoffnung auf ein baldiges Ende des seit acht Jahren andauernden Krieges im Jemen. Die beiden Regionalmächte führen in dem Land einen Stellvertreterkrieg. Ein vor einem Jahr vereinbarter Waffenstillstand zwischen den Kriegsparteien wurde zweimal verlängert, lief aber im Oktober aus, als die Konfliktparteien nicht bereit waren, ihn zu verlängern. Trotzdem haben die Kämpfe deutlich nachgelassen.
Der seit acht Jahren andauernde bewaffnete Konflikt im Jemen hat Zehntausende von zivilen Opfern gefordert und Millionen von Menschen zur Flucht gezwungen, was den Jemen zu einer der größten humanitären Krisen der Welt gemacht hat. Seit Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 2015 waren fast 6 Millionen Menschen zum Verlassen ihrer Häuser gezwungen. 4,5 Millionen Menschen sind Binnenflüchtlinge innerhalb des Landes.
Das derzeitige Ausmaß des Hungers im Jemen ist beispiellos. Die Rate der Unterernährung bei Kindern ist eine der höchsten der Welt, und die Ernährungssituation verbessert sich nur leicht. Diese Fortschritte sind jedoch äußerst fragil und könnten sich schnell umkehren, wenn Hilfsorganisationen aufgrund von Finanzierungsengpässen gezwungen sind, ihre Programme zu reduzieren oder auszusetzen.
Nach Schätzungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2023 21,6 Millionen Menschen humanitäre Hilfe benötigen. Unter ihnen befinden sich 12,9 Millionen Kinder.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Fast 900 Gefangene aus dem Jemen-Konflikt kehren mit IKRK-Flügen nach Hause zurück, Internationales Komitee vom Roten Kreuz, Pressemitteilung, veröffentlicht am 14. April 2023 (in Englisch)
https://www.icrc.org/en/document/nearly-900-detainees-yemen-conflict-return-home-icrc-flights
Vollständiger Text: Hunderte von Gefangenen im Jemen freigelassen, Büro des Sondergesandten des Generalsekretärs für den Jemen (OSESGY), Pressemitteilung, veröffentlicht am 14. April 2023 (in Englisch)
https://osesgy.unmissions.org/hundreds-detainees-released-yemen