Während der Südsudan im Dezember 2024 seine ersten Wahlen abhalten will, müssen die wichtigsten Institutionen und rechtlichen Rahmenbedingungen erst noch geschaffen werden, und kritische Fragen bleiben unbeantwortet, erklärte der oberste UN-Beauftragte für das Land am Freitag vor dem UN-Sicherheitsrat. Bei der Sitzung warnten einzelne Redner davor, dass die Gewalt zwischen Gemeinschaften und der massive Zustrom von Rückkehrern und Flüchtlingen die ohnehin schon dramatische humanitäre Lage im Land weiter verschlimmert.
"Angesichts der Tatsache, dass noch 15 Monate bis zu den Wahlen verbleiben, welche die Übergangsperiode beenden sollen, ist Zeit für den Südsudan von entscheidender Bedeutung", sagte Nicholas Haysom, Sondergesandter des UN-Generalsekretärs und Leiter der UN-Mission im Südsudan (UNMISS), bei der Unterrichtung des Rates.
"Und es bleiben entscheidende Fragen unbeantwortet. Für die Lösung dieser Fragen sind keine materiellen Mittel erforderlich, sondern nur der politische Wille, Kompromisse und einen Konsens zu erzielen."
Haysom betonte die Notwendigkeit, die Art der durchzuführenden Wahlen, die Anforderungen an die Wählerregistrierung, die Art der Teilnahme von Flüchtlingen und Binnenvertriebenen sowie den Umgang mit wahlbezogenen Streitigkeiten festzulegen.
"Von besonderer Bedeutung ist der ins Stocken geratene Verfassungsgebungsprozess, der in einem Umfeld stattfinden soll, das die Meinungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Freiheit, sich friedlich zu versammeln, respektiert und das bürgerliche Engagement fördert. Dieser Prozess liegt laut Fahrplan 12 Monate hinter dem Zeitplan zurück", sagte er.
Der Sondergesandte erklärte, dass die Zeit drängt, damit der Südsudan die Ziele und Bestrebungen des wiederbelebten Friedensabkommens (Revitalized Peace Agreement) und der Roadmap verwirklichen kann, und dass die politische Führung des Landes weitere Schritte unternehmen sollte, um die Ziele zu erreichen.
"Die Notwendigkeit, die Prioritäten in der verbleibenden Zeit des Übergangszeitraums neu zu kalibrieren oder zu lösen, ist nunmehr dringlich. Dieses Gefühl der Dringlichkeit muss jedoch von den Parteien des Abkommens ausgehen und nicht von der internationalen Gemeinschaft", fügte Haysom hinzu.
Der Sondergesandte merkte an, dass der Waffenstillstand im ganzen Land weitgehend hält.
"Seit der Unterzeichnung des wiederbelebten Friedensabkommens (Revitalized Peace Agreement) im Jahr 2018 hat sich der Konflikt zwischen den Unterzeichnern deutlich verringert. Aber Konflikte zwischen Gemeinschaften und auf subnationaler Ebene sind nach wie vor ein Hindernis für die Friedenskonsolidierung, ebenso wie sporadische Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den Nicht-Unterzeichnern, wenn letztere nicht in den Friedensprozess integriert werden", sagte er.
Edem Wosornu, Direktorin für Operationen und Interessenvertretung im Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), wies die Ratsmitglieder darauf hin, dass die humanitäre Lage im Land nach wie vor großen Herausforderungen stehe, die durch den Konflikt im benachbarten Sudan noch verschärft würden, und zeichnete ein düsteres Bild der dramatischen humanitären Situation im Südsudan.
Zu Beginn des Jahres 2023 benötigten mehr als 9,4 Millionen Menschen im Land - 76 Prozent der Bevölkerung - humanitäre Hilfe. Darüber hinaus sind mehr als 260.000 Menschen auf der Suche nach Schutz und Sicherheit in den Südsudan gekommen, die meisten von ihnen südsudanesische Staatsangehörige, die vor der Gewalt im benachbarten Sudan fliehen.
Wosornu erklärte, dass dieser massive Zustrom von Rückkehrern und Flüchtlingen vor dem Hintergrund begrenzter finanzieller Mittel stattfindet. Auch der Handel und die Wirtschaft des Südsudan wurden negativ beeinflusst, da die Lebensmittelpreise zwischen 20 und 75 Prozent gestiegen sind. Die steigenden Marktpreise haben wiederum die Gesamtkosten der humanitären Hilfe erhöht, und die zunehmende Ernährungsunsicherheit hat die geschlechtsspezifische Gewalt verstärkt.
Der Humanitäre Reaktionsplan 2023 für den Südsudan, der 1,7 Milliarden US-Dollar für die Unterstützung von 6,8 Millionen Menschen benötigt, ist nur zu 50 Prozent finanziert. Trotz der Unterfinanzierung erhielten in der ersten Hälfte des Jahres 2023 etwa 4 Millionen Menschen im Südsudan humanitäre Hilfe.
Wosornu betonte jedoch, dass "die Menschen im Südsudan die humanitäre Hilfe hinter sich lassen wollen, um auf eigenen Füßen zu stehen und als unabhängige Nation zu gedeihen und zu wachsen".
Konflikte, der Klimawandel und die explodierenden Kosten im Südsudan führen zu einer der höchsten Hungerraten der Welt. Schätzungsweise 7,8 Millionen Menschen - 68 Prozent der Bevölkerung des Landes - leiden im Südsudan unter akuter Ernährungsunsicherheit. Mehr als 1,4 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind Schätzungen zufolge akut unterernährt, darunter rund 346.000 Kinder unter fünf Jahren, die schwer akut unterernährt sind und dringend medizinische Hilfe benötigen.
Vor dem Ausbruch des Konflikts im benachbarten Sudan benötigten mindestens 9,4 Millionen Menschen im Südsudan humanitäre Hilfe, was einem Anstieg von einer halben Million Menschen im Vergleich zu 2022 entspricht. Unter den Notleidenden befinden sich 5 Millionen Kinder. Diese Zahlen werden durch die Rückkehrer aus dem Sudan wahrscheinlich noch steigen.
Mit 4,6 Millionen Menschen, die gewaltsam vertrieben wurden, hat der Südsudan von allen afrikanischen Ländern den höchsten Anteil an Vertriebenen (40 Prozent). Während 2,3 Millionen Menschen innerhalb des Landes vertrieben wurden, sind mehr als 2,3 Millionen Menschen in die Nachbarländer geflohen. Die meisten von ihnen befinden sich derzeit in Uganda, das 1 Million südsudanesische Flüchtlinge aufgenommen hat.
Der Südsudan ist nach wie vor die gewalttätigste Region der Welt für humanitäre Helfer. Nach Angaben der Aid Worker Security Database (AWSD) wurden im Jahr 2022 neunzehn Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in dem Land getötet.
Nach der Unabhängigkeit vom Sudan im Juli 2011 schlitterte der Südsudan in einen mehr als fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg, in dem die Anhänger von Präsident Salva Kiir gegen die Unterstützer von Vizepräsident Riek Machar kämpften. Fast 400.000 Südsudanesen starben in dem Konflikt, der im Dezember 2013 begann. Gräueltaten und Angriffe auf die Zivilbevölkerung, einschließlich weit verbreiteter sexueller Gewalt, prägten den Bürgerkrieg.
Ein erstes Friedensabkommen, das 2015 unterzeichnet wurde, scheiterte. Nach vielen Verzögerungen führte ein 2018 unterzeichnetes, wiederbelebtes Friedensabkommen (Revitalized Peace Agreement), zur Bildung einer Übergangsregierung der nationalen Einheit im Februar 2020. Die Umsetzung des Friedensabkommens kommt jedoch nur langsam voran, da sich die Parteien über die Aufteilung der Macht streiten.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Kritische Fragen im Zusammenhang mit den Wahlen bleiben inmitten der bedrückenden humanitären Lage im Südsudan unbeantwortet, so Vertreter der Vereinten Nationen vor dem Sicherheitsrat, Pressemitteilung des UN-Sicherheitsrats, veröffentlicht am 15. September 2023
https://press.un.org/en/2023/sc15412.doc.htm