Der oberste Vertreter der Vereinten Nationen im Südsudan hat am Dienstag die politischen Führer des ostzentralafrikanischen Landes aufgefordert, die Umsetzung des 2018 wiederbelebten Friedensabkommens zu beschleunigen und Ende nächsten Jahres Wahlen abzuhalten. Seit Mitte April 2023 sind mehr als 117.000 Frauen, Kinder und Männer aus dem Sudan entlang der Grenzgebiete in den Südsudan geflüchtet. 93 Prozent davon sind südsudanesische Rückkehrerinnen und Rückkehrer.
"Jetzt ist nicht die Zeit, den Blick vom Geschehen im Südsudan abzuwenden", sagte Nicholas Haysom, Leiter der UN-Mission im Südsudan, vor dem UN-Sicherheitsrat. "Was wir vom Sudan lernen können, ist, wie schnell hart erkämpfte Friedenserfolge wieder zunichtegemacht werden können."
Dies ist ein kritisches Jahr für das jüngste Land der Welt. Es muss eine neue Verfassung ausgearbeitet und die Vorbereitungen für die ersten nationalen Wahlen, die für Dezember 2024 geplant sind, abgeschlossen werden.
"Unserer Einschätzung nach liegt der Verfassungsprozess zehn Monate hinter dem Zeitplan zurück, die Wahlplanung acht Monate, und mehrere Aspekte der Sicherheitsübergangsregelungen hängen in der Schwebe", berichtete Haysom.
Er sagte, es sei möglich, dass der Südsudan den Rückstand bei den Wahlvorbereitungen aufhole. Er forderte die Abgeordneten auf, das Nationale Wahlgesetz im Parlament zu verabschieden und die Nationale Wahlkommission einzurichten.
Nach der Unabhängigkeit vom Sudan im Juli 2011 schlitterte der Südsudan in einen mehr als fünf Jahre andauernden Bürgerkrieg, in dem die Truppen von Präsident Salva Kiir gegen die Anhänger von Vizepräsident Riek Machar kämpften.
Tausende starben in diesem Krieg, und mehr als 2 Millionen Menschen flohen in die Nachbarländer, darunter auch in den Sudan. Seit Mitte April, als eine Rivalität zwischen zwei sudanesischen Generälen in einen offenen Konflikt ausartete, sind mehr als 117.000 Menschen auf der Suche nach Sicherheit in den Südsudan gekommen. Haysom sagte den Ratsmitgliedern, dass 93 Prozent von ihnen Südsudanesen sind, die in ihre Heimat zurückkehren.
"Ich möchte die Regierung des Südsudan für ihre Politik der offenen Grenzen für alle Menschen loben, die vor dem Konflikt fliehen, ob mit oder ohne Reisedokumente", sagte Haysom. "Die Aufnahmekapazitäten der Regierung und der humanitären Organisationen stehen jedoch unter Druck, da die lokalen Ressourcen begrenzt sind und es in den südsudanesischen Grenzstädten, insbesondere in Renk, zu Engpässen bei der Aufnahme von Flüchtlingen kommt."
Während die humanitären Helfer ihre Hilfspläne anpassen, um den Bedürfnissen der Rückkehrer und der Aufnahmegemeinschaften gerecht zu werden, werden dringend zusätzliche Mittel und Ressourcen benötigt, um den sprunghaften Anstieg der Nachfrage zu decken.
Haysom wies darauf hin, dass sich die Kämpfe im Sudan auch auf die Wirtschaft des Südsudan auswirken, da viele aus dem nördlichen Nachbarland importierte Waren nicht mehr geliefert werden können, was die Preise in die Höhe treibt. Die südsudanesische Wirtschaft ist von seinen Ölexporten abhängig, die über Port Sudan abgewickelt werden. Ihre Unterbrechung könnte verheerende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben.
"Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Konflikts werfen einen Schatten auf die ohnehin fragile Lage des Landes. Die plötzliche Unterbrechung der Importe aus dem Sudan hat dazu geführt, dass lebenswichtige Güter für die Menschen im Südsudan unerreichbar geworden sind. Die Rohölexporte aus dem Südsudan über Port Sudan sind eine wirtschaftliche Lebensader, deren Unterbrechung, wie kürzlich angedroht, verheerende Auswirkungen auf die südsudanesische Wirtschaft haben könnte", so Haysom.
Mit 4,5 Millionen Vertriebenen hatte der Südsudan vor Beginn der Gewalt im Sudan mit 40 Prozent den höchsten Anteil an Vertriebenen unter allen afrikanischen Ländern. Mehr als 2,3 Millionen Menschen waren in die Nachbarländer geflohen. Die meisten von ihnen befinden sich immer noch in Uganda, das 1 Million südsudanesische Flüchtlinge aufgenommen hat. 2,2 Millionen Menschen waren Binnenvertriebene.
Vor Ausbruch des Konflikts im Sudan benötigten mindestens 9,4 Millionen Menschen im Südsudan humanitäre Hilfe. Unter den Bedürftigen befinden sich 4,7 Millionen Kinder. Diese Zahlen werden mit der Rückkehr der Flüchtlinge wahrscheinlich noch steigen.
Einige Informationen für diesen Bericht wurden von VOA zur Verfügung gestellt.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Erklärung von Nicholas Haysom, Sonderbeauftragter des UN-Generalsekretärs und Leiter von UNMISS, Briefing des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen, 20. Juni 2023 (in Englisch)
https://reliefweb.int/report/south-sudan/statement-mr-nicholas-haysom-special-representative-secretary-general-and-head-unmiss-united-nations-security-council-briefing-20-june-2023