Zehn Millionen Kinder in Burkina Faso, Mali und Niger benötigen dringend humanitäre Hilfe - doppelt so viele wie im Jahr 2020 - vor allem wegen der sich zuspitzenden Konflikte in der zentralen Sahelzone, warnt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) in einer am Freitag veröffentlichten Analyse. Laut UNICEF Child Alert sind überdies fast 4 Millionen Kinder in den Nachbarländern gefährdet, da die Feindseligkeiten zwischen bewaffneten Gruppen und nationalen Sicherheitskräften die Grenzen überschreiten.
Die Analyse 'Extreme Jeopardy' zeigt, wie Kinder zunehmend in bewaffnete Konflikte verwickelt werden, als Opfer der sich verschärfenden militärischen Auseinandersetzungen oder als Zielscheibe nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen. Einige der bewaffneten Gruppen, die in weiten Teilen von Burkina Faso, Mali und Niger operieren, wenden Taktiken an, zu denen die Blockade von Städten und Dörfern und die Sabotage von Wasserversorgungsnetzen gehören.
Die Sahelzone ist seit langem eine der am stärksten gefährdeten Regionen in Afrika. Doch bewaffnete Konflikte und sich verstärkende militärische Auseinandersetzungen gefährden Leben und Existenzgrundlagen, unterbrechen den Zugang zur Grundversorgung und gefährden die Zukunft der Kinder in der zentralen Sahelzone in höchstem Maße.
Nach Angaben der UN-Organisation werden Kinder direkt von nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen angegriffen, die in weiten Teilen Malis und Burkina Fasos und zunehmend auch in Niger operieren. In den drei Ländern wurden Hunderte von Kindern entführt, viele von ihnen Mädchen. Während sich die Aufmerksamkeit auf andere Länder richtet, verschlechtert sich die Lage in der Region in alarmierendem Tempo.
Dem Bericht zufolge haben nichtstaatliche bewaffnete Gruppen seit 2021 Nahrungsmittelreserven in einer Region vernichtet, die zu den hungrigsten und am schwersten unterernährten der Welt zählt. Einige der bewaffnete Gruppen, die das staatliche Bildungswesen ablehnen, brennen Schulen nieder, plündern sie und bedrohen, entführen oder töten Lehrer.
Bei nationalen Sicherheitsoperationen gegen bewaffnete Gruppen wurden nach Angaben der UN-Organisation mehrfach Kinder getötet, verletzt und verhaftet. Viele Schulen und Krankenhäuser in Burkina Faso, Mali und Niger sind beschädigt oder zerstört worden. Mehr als 8.300 Schulen in den drei Ländern sind aufgrund der Gewalt und der Unsicherheit geschlossen. In Burkina Faso ist fast ein Viertel aller Schulen geschlossen, in Niger ist es beinahe ein Drittel.
UNICEF warnt, dass die Unsicherheit und die Vertreibung über die Grenzen der zentralen Sahelzone hinausgehen und sich in abgelegenen Gemeinden mit spärlicher Infrastruktur und geringen Ressourcen ausbreiten, wo Kinder bereits einen stark eingeschränkten Zugang zu den Einrichtungen haben, auf die sie zum Überleben und zum Schutz angewiesen sind. All dies geschieht in einer der am stärksten vom Klimawandel betroffenen und von Wasserknappheit geprägten Regionen der Welt.
"Das Ausmaß der Krise in der zentralen Sahelzone und das zunehmende Übergreifen auf die westafrikanischen Küstenländer erfordert dringend eine stärkere humanitäre Reaktion. Aber es braucht auch flexible langfristige Investitionen für eine nachhaltige Entwicklung, die zur die zur Friedenskonsolidierung innerhalb der Gemeinschaften beitragen, insbesondere für Kinder. Weit mehr Investitionen in den Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen und sozialem Schutz, um die tieferen Ursachen von Konflikten und Unsicherheit zu bekämpfen", heißt es in dem Bericht.
"Die Bekämpfung der zugrunde liegenden Ursachen, die Stärkung der sozialen Dienste und die Vorbeugung von Krisen können den Ländern helfen, widerstandsfähige Gesellschaften mit einem starken sozialen Zusammenhalt aufzubauen, die es den Kindern ermöglichen, ihre Rechte wahrzunehmen und ihr Potenzial auszuschöpfen".
UNICEF fordert alle Konfliktparteien auf, ihren grundlegenden moralischen und rechtlichen Verpflichtungen gegenüber Kindern gemäß dem humanitären Völkerrecht und den Menschenrechten nachzukommen, wozu auch die Beendigung der Angriffe auf Kinder und die Einrichtungen, auf die sie angewiesen sind, gehört.
Die Sahelzone ist ein der am schnellsten wachsenden humanitären Krisen der Welt konfrontiert. Gleichzeitig ist die Krise aber auch eine der am meisten vergessenen. Bewaffnete Konflikte, die Verschlechterung der Sicherheitslage, politische Instabilität und weit verbreitete Armut sind die Hauptursachen für den beispiellosen humanitären Bedarf, insbesondere in der zentralen Sahelzone. Diese sich verschlimmernde humanitäre Notlage wird durch die weltweite Ernährungsunsicherheit und die Auswirkungen der Klimakrise noch verschärft.
UNICEF, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, ist die Organisation der Vereinten Nationen, die für die Bereitstellung von humanitärer Hilfe und Entwicklungshilfe für Kinder weltweit zuständig ist. UNICEF wurde 1946 als "United Nations International Children’s Emergency Fund" gegründet und ist heute eine der größten humanitären Organisationen der Welt. UNICEF ist in über 190 Ländern und Gebieten tätig, um die Rechte von Kindern zu schützen.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Extreme Jeopardy. Ten million children in the central Sahel need humanitarian assistance among spiralling conflict and punishing climate, UNICEF Child Alert, veröffentlicht am 17. März 2023 (in Englisch)
https://www.unicef.org/media/137091/file/English.pdf