Ein Mob junger Menschen, darunter Studenten, hat am Mittwoch in der indonesischen Stadt Banda Aceh ein Kongresszentrum angegriffen, in dem Hunderte von Rohingya-Flüchtlingen aus Myanmar untergebracht sind, und ihre Abschiebung gefordert. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zeigte sich heute in einer Erklärung zutiefst besorgt über die Sicherheit der Flüchtlinge und forderte die örtlichen Strafverfolgungsbehörden auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um den Schutz der verzweifelten Menschen und humanitären Mitarbeiter zu gewährleisten.
Nach Angaben des UNHCR durchbrach der Mob in Banda Aceh, die Hauptstadt der Provinz Aceh, eine Polizeisperre, stürmte den Keller eines Gebäudes und zwang 137 Flüchtlinge, sich auf zwei Lastwagen zu verteilen, um sie an einen anderen Ort in Banda Aceh zu bringen. Medienberichten zufolge trugen die jungen Leute Jacken mit den Insignien verschiedener indonesischer Universitäten. Die Behörden hielten den Mob nicht davon ab, die Flüchtlinge zu verschleppen.
Nach Angaben der UN-Organisation hat der gewalttätige Vorfall bei den Flüchtlingen - hauptsächlich Kinder und Frauen - Schock und Traumatisierung hinterlassen. Fernsehbilder zeigten, wie Hunderte von Studenten in den großen Keller des Gebäudes eindrangen, wo eine große Anzahl von Rohingya-Frauen, -Männern und -Kindern auf dem Boden saß und vor Angst weinte.
Die Zahl der Rohingya, die sich in diesem Jahr auf die riskante Bootsfahrt über den Golf von Bengalen und die Andamanensee begeben haben, um dem zunehmenden Hunger und der Hoffnungslosigkeit in den Flüchtlingslagern von Bangladesch zu entkommen, hat die Zahlen des letzten Jahres übertroffen und könnte weiter steigen. Nach UN-Angaben sind seit November über 1.500 Rohingya in Indonesien gelandet.
Immer mehr verzweifelte Rohingya-Flüchtlinge kommen in überfüllten Schiffen in Indonesien an, während sich die Bedingungen in den Flüchtlingslagern in Bangladesch weiter verschlechtern, wo die Lebensmittelrationen erheblich gekürzt wurden.
Fast 1 Million ethnische Rohingya, eine überwiegend muslimische Minderheit aus dem mehrheitlich buddhistischen Myanmar, leben in den größten Flüchtlingslagern der Welt im Osten Bangladeschs. Die meisten von ihnen sind 2017 angekommen, auf der Flucht vor einer ethnischen Säuberungskampagne mit "völkermörderischen Absichten", wie es die Vereinten Nationen nennen, durch das Militär Myanmars.
Die Menschen, die aus Myanmar oder den Lagern in Bangladesch mit dem Boot fliehen, versuchen vorwiegend, über die Andamanensee nach Malaysia oder Indonesien zu gelangen, beides Länder mit muslimischer Mehrheit. Mehrere hundert Menschen sind bei dem Versuch der Überfahrt auf den überfüllten, oft alten und klapprigen Booten gestorben. Es wird vermutet, dass ganze Boote mit Flüchtlingen auf See verloren gegangen sind.
Nach Angaben des UNHCR ist der Angriff auf die Flüchtlinge vom Mittwoch kein Einzelfall, sondern das Ergebnis einer koordinierten Online-Kampagne mit Fehlinformationen, Desinformationen und Hassreden gegen Flüchtlinge und ein Versuch, die Bemühungen Indonesiens zur Rettung verzweifelter Menschen in Seenot zu verleumden.
Ein Dekret des indonesischen Präsidenten aus dem Jahr 2016 weist die Behörden an, in Seenot geratenen Booten in den Gewässern des Landes zu helfen und sie anlanden zu lassen. Indonesien ist weder der UN-Flüchtlingskonvention von 1951 noch dem dazugehörigen Protokoll von 1967 beigetreten und verfügt auch nicht über ein nationales System zur Bestimmung des Flüchtlingsstatus.
Der Grundsatz der Nichtzurückweisung, ein Eckpfeiler des Völkerrechts, verbietet es Staaten jedoch, Flüchtlinge in Länder oder Gebiete zurückzuschicken, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein könnten. Da dieser Grundsatz Teil des Völkergewohnheitsrechts ist, ist er für alle Staaten verbindlich, unabhängig davon, ob sie der Flüchtlingskonvention oder anderen völkerrechtlichen Konventionen beigetreten sind oder nicht.
In ihrer Stellungnahme erinnert die UN-Organisation daran, dass die verzweifelten Flüchtlingskinder, Frauen und Männer, die in Indonesien Schutz suchen, Opfer von Verfolgung und Konflikten sind und die gefahrvollen Überfahrten auf dem Meer überlebt haben.
Am 25. August 2023 jährte es sich zum sechsten Mal, dass mehr als 700.000 Rohingya-Frauen, -Männer und -Kinder nach koordinierten Angriffen des myanmarischen Militärs aus Myanmar nach Bangladesch flohen. Sie schlossen sich Hunderttausenden anderer Rohingya an, die zuvor im Land Zuflucht gesucht hatten. Die Rohingya, eine ethnische muslimische Minderheit, sind in Myanmar seit Jahrzehnten mit institutionalisierter Diskriminierung konfrontiert, etwa durch den Ausschluss von der Staatsbürgerschaft.
Die Rohingya leiden seit Jahren unter unsäglichem Elend. Schätzungsweise 600.000 Rohingya, die immer noch in Myanmars Rakhine-Staat leben, können sich nicht frei bewegen und sind der Verfolgung und Gewalt durch die Regierung ausgesetzt.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk warnt die Öffentlichkeit vor der koordinierten und gut choreografierten Online-Kampagne auf Social-Media-Plattformen, die indonesische Behörden, lokale Gemeinschaften, Flüchtlinge und humanitäre Helfer gleichermaßen angreift, Hass schürt und Leben in Gefahr bringt. Das UNHCR appelliert insbesondere an die Öffentlichkeit in Indonesien, die online geposteten Informationen zu überprüfen, da ein Großteil davon falsch oder verdreht sei und von Roboterkonten aus künstlich erzeugte Bilder und Hassreden versendet würden.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk erklärte, es sei nach wie vor zutiefst besorgt über die Sicherheit der Flüchtlinge in Indonesien und fordere die örtlichen Strafverfolgungsbehörden auf, dringend Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit der verzweifelten Menschen und des humanitären Personals zu gewährleisten.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: UNHCR beunruhigt über Mob-Angriff und Zwangsverschleppung von Flüchtlingen in Aceh, Indonesien, UNHCR-Pressemitteilung, veröffentlicht am 27. Dezember 2023 (in Englisch)
https://www.unhcr.org/asia/news/press-releases/unhcr-disturbed-over-mob-attack-and-forced-eviction-refugees-aceh-indonesia