Nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sind Tausende von Menschen vertrieben worden, nachdem es seit Freitagmorgen in den Außenbezirken der sudanesischen Stadt Wad Madani zu Zusammenstößen zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) gekommen ist. Die Kämpfe in der Hauptstadt des Bundesstaates Al-Dschazira, die etwa 136 km südöstlich der sudanesischen Hauptstadt Khartum liegt, dauerten am Sonntag noch an.
Viele Menschen, die vor den Kämpfen in Khartum geflohen waren, hatten in Wad Madani Zuflucht gefunden und versuchen nun, die belagerte Stadt mit allen Mitteln zu verlassen. Fast 500.000 Menschen sind in den Bundesstaat Al-Dschazira geflohen, 86.400 davon halten sich in Wad Madani auf, einer Stadt mit derzeit rund 700.000 Einwohnern.
Wad Madani ist seit dem Ausbruch der Kämpfe zwischen der SAF und der RSF Mitte April dieses Jahres auch ein wichtiger Knotenpunkt für humanitäre Einsätze im Sudan. Die jüngste Unsicherheit hat humanitäre Organisationen dazu veranlasst, ihre Mitarbeiter in benachbarte Staaten zu verlegen. Nach Angaben des OCHA wurden alle humanitären Feldmissionen im und aus dem Bundesstaat Al-Dschazira heraus ab dem 15. Dezember bis auf Weiteres ausgesetzt.
Die Nichtregierungsorganisation International Rescue Committee (IRC) warnte am Samstag in einer Stellungnahme, dass die Eskalation des Konflikts in Wad Madani Millionen von Notleidenden den Zugang zu lebenswichtiger humanitärer Hilfe zu verwehren droht und zu neuen Vertreibungswellen führen wird. Nach Angaben des IRC war Wad Madani bisher ein sicherer Zufluchtsort für Vertriebene aus Khartum.
Das OCHA teilte am Samstag in einer Kurzmeldung mit, dass im Westen, Norden und Osten von Wad Madani sowie in der Nähe des Dorfes Al Sharfa Barakat nördlich der Stadt Luftangriffe geflogen wurden. Die Geschäfte und Märkte in Wad Madani sind seit Freitag geschlossen. Die örtlichen Behörden riefen den Ausnahmezustand aus und verhängten eine nächtliche Ausgangssperre in der Stadt.
Laut OCHA waren in verschiedenen Gebieten von Wad Madani sporadische Schusswechsel zu hören, die Zusammenstöße dauern an, während die Panik unter der Zivilbevölkerung in der Stadt zunimmt und Menschen gesehen wurden, die in Fahrzeugen und zu Fuß die Stadt verließen. Die Lage bleibt angespannt und unberechenbar, so das UN-Amt.
Humanitären Quellen vor Ort zufolge dauern die Kämpfe bereits seit drei Tagen an, wobei der Konflikt durch schweren Artilleriebeschuss, Luftangriffe und Beeinträchtigungen der Bewegungsfreiheit der Zivilbevölkerung, einschließlich der Schließung von Brücken in und um Wad Madani, gekennzeichnet ist. Die Kämpfe, an denen RSF- und SAF-Kräfte beteiligt sind, haben Berichten zufolge zur Einnahme des Dorfes Abu Guta und zu Zusammenstößen in Gebieten wie Abu Haraz und Al Sharfa geführt.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) wurden durch die Kämpfe etwa 14.000 bis 15.000 Menschen vertrieben. Die betroffenen Bewohner haben Zuflucht in den Vierteln westlich der Stadt Wad Madani sowie in anderen Orten in Al-Dschazira und in den Bundesstaaten Sennar und Gedaref gesucht.
Die internationale humanitäre Organisation Norwegian Refugee Council (NRC), die seit Juni 2023 in Wad Madani präsent ist und seit Beginn des Krieges mehr als 34.000 Menschen in der Stadt unterstützt hat, äußerte ihre tiefe Besorgnis über den eskalierenden Konflikt vor den Toren Wad Madanis.
"Wad Madani war ein Zufluchtsort für die aus Khartum vertriebenen Menschen, auch für humanitäre und medizinische Evakuierungsmaßnahmen. Nun nähern sich die Kämpfe, und seit drei Tagen sind schwere Artillerie und Schüsse zu hören", berichtete William Carter, NRC-Länderdirektor im Sudan, am Sonntag in einer Erklärung.
"Ein ununterbrochener Strom von Menschen, von denen viele bereits vor einigen Monaten um ihr Leben gerannt sind, strömt nun in die bereits stark belasteten und ressourcenarmen Städte in den Nachbarstaaten."
Das NRC erklärte, es sei äußerst besorgt um die besonders gefährdeten Familien in Wad Madani, die seit Monaten in Vertriebenenunterkünften in Schulen zusammengepfercht sind und sich nirgendwo vor der Gewalt verstecken können, keine Möglichkeit haben zu entkommen und nirgendwo anders hin fliehen können.
"Dies ist mehr als nur eine weitere Stadt, die angegriffen wird, es ist einer der wenigen verbliebenen Zufluchtsorte im Sudan, der unter Beschuss geraten könnte", so Carter.
Das NRC forderte alle Konfliktparteien auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und betonte, dass alle möglichen Vorkehrungen getroffen werden müssen, um den Verlust von Menschenleben und Verletzungen sowie die Beschädigung von zivilen Objekten zu vermeiden oder zu minimieren.
"Wir fordern außerdem, dass alle Konfliktparteien die sichere Durchreise von Menschen, die vor dem Konflikt fliehen, und die dringende Bereitstellung von lebensrettender Hilfe ermöglichen", fügte der NRC-Länderdirektor hinzu.
Das Ausmaß der humanitären Katastrophe, die sich im Sudan abspielt, ist beispiellos. Die Vereinten Nationen sprechen von einer "humanitären Krise epischen Ausmaßes" in dem Land. Millionen von Menschen haben keinen Zugang zu Schutz, Nahrungsmitteln, Wasser, Unterkünften, Strom, Bildung und medizinischer Versorgung.
Die Zahl der Menschen im Sudan, die humanitäre Hilfe benötigen, beläuft sich derzeit auf 24,8 Millionen - mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung. Unter ihnen sind mehr als 13 Millionen Kinder, die dringend lebensrettende humanitäre Hilfe benötigen. Fast 18 Millionen Menschen im Sudan sind von akutem Hunger betroffen - mehr als doppelt so viele wie zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr.
Derzeit sind rund 4,9 Millionen Menschen von einer Notsituation der Ernährungsunsicherheit betroffen, wobei mehr als drei Viertel dieser Menschen in Gebieten leben, in denen der Zugang für humanitäre Hilfe nur sporadisch möglich ist und in einigen Gebieten aufgrund der anhaltenden Kämpfe sogar unmöglich ist. Im Bundesstaat Al-Dschazira sind etwa 1,9 Millionen Menschen von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen.
Der Bürgerkrieg zwischen der SAF und der RSF wird mit einem neuen Ausmaß an Gewalt und Brutalität gegen die Zivilbevölkerung geführt, insbesondere in den Staaten von Darfur. Tausende werden aus ethnischen Gründen angegriffen, getötet, verletzt, missbraucht und ausgebeutet, so dass immer mehr Menschen gezwungen sind, vor der Gewalt zu fliehen.
Seit dem Ausbruch des Konflikts im Sudan vor acht Monaten sind rund 7 Millionen Menschen innerhalb und außerhalb des Landes vor den Kämpfen geflohen. Mehr als 5,6 Millionen Menschen - Sudanesen und Flüchtlinge, die sich bereits im Land aufhielten - wurden innerhalb des Sudans vertrieben, während mehr als 1,3 Millionen Frauen, Männer und Kinder in Nachbarländern wie dem Tschad, Ägypten, Südsudan, Äthiopien und der Zentralafrikanischen Republik Zuflucht gesucht haben.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Sudan: Zusammenstöße in Wad Madani zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den Rapid Support Forces (RSF) - Flash Update No: 02 (Stand: 16. Dezember 2023), UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), veröffentlicht am 16. Dezember 2023 (in Englisch)
https://www.unocha.org/publications/report/sudan/sudan-clashes-wad-madani-between-sudanese-armed-forces-saf-and-rapid-support-forces-rsf-flash-update-no-02-16-december-2023
Vollständiger Text: Sudan: Mehr Menschenleben in Gefahr, während sich der Konflikt auf Teile des Bundesstaates Al-Dschazira ausweitet und den Zugang zu Hilfeleistungen einschränkt, warnt das IRC, International Rescue Committee (IRC), Pressemitteilung, veröffentlicht am 16. Dezember 2023 (in Englisch)
https://www.rescue.org/press-release/sudan-more-lives-risk-conflict-spreads-parts-al-jazirah-state-restricting-access-aid
Vollständiger Text: Stellungnahme zu den anhaltenden Angriffen im Bundesstaat Al-Dschazira, Sudan, Norwegian Refugee Council (NRC), Stellungnahme, veröffentlicht am 17. Dezember 2023 (in Englisch)
https://www.nrc.no/news/2023/december/statement-on-ongoing-attack-in-al-jazirah-state-sudan/