Trotz einer zeitweiligen Einschränkung der Kampfhandlungen warnten Vertreter der Vereinten Nationen den UN-Sicherheitsrat am Mittwoch, dass der Jemen weiterhin von eskalierenden regionalen Spannungen heimgesucht wird, welche die Aussichten auf einen dauerhaften Frieden zunichtemachen, sowie von einer sich verschärfenden Wirtschaftskrise und einer sich verschlimmernden humanitären Krise, die weiterhin die Zivilbevölkerung, insbesondere Kinder, verheerend trifft.
Die Hälfte der Kinder im Jemen – etwa 2,3 Millionen – sind akut unterernährt, 600.000 von ihnen leiden an schwerer akuter Unterernährung und benötigen dringend medizinische Behandlung, um zu überleben.
„Auch wenn die Frontlinien derzeit relativ stabil erscheinen mögen, herrscht im Jemen derzeit kein Frieden“, sagte Hans Grundberg, UN-Sondergesandter für Jemen, in einer Unterrichtung des Sicherheitsrats.
Er begann seine Unterrichtung mit der Begrüßung der am 6. Mai angekündigten Einstellung der Feindseligkeiten zwischen den Vereinigten Staaten und Ansar Allah, auch bekannt als Huthi-Rebellen.
„Dieser Schritt stellt eine wichtige und notwendige Deeskalation im Roten Meer und im Jemen dar, nachdem die USA am 15. März ihre Luftangriffe auf Ziele in den von Ansar Allah kontrollierten Gebieten wieder aufgenommen hatten“, sagte Grundberg.
„Wie ich bereits mehrfach gesagt habe, wird immer deutlicher, dass eine Deeskalation im Roten Meer und in der gesamten Region notwendig ist, um den Jemen wieder auf den Weg zum Frieden zu bringen.“
Laut lokalen Behörden und weiteren öffentlich zugänglichen Berichten wurden seit Jahresbeginn fast 1.000 Zivilisten im Jemen getötet oder verletzt, ein erheblicher Teil davon seit der Wiederaufnahme der US-Luftangriffe am 15. März. Die Militärschläge der USA und Israels haben nicht nur Zivilisten getötet und verletzt, sondern auch zivile Infrastruktur beschädigt, darunter Gesundheitseinrichtungen und Kraftwerke sowie den Flughafen von Sanaa und den Hafen von al-Hudaida.
Die jüngsten Ereignisse – darunter der Angriff der Ansar Allah auf den israelischen Flughafen Ben-Gurion am 4. Mai und die darauf folgenden israelischen Angriffe auf den Hafen von al-Hudaida, den Flughafen von Sanaa und andere Ziele im von der Ansar Allah kontrollierten Gebiet – unterstreichen, wie tief Jemen in die eskalierenden regionalen Spannungen verstrickt ist.
Unterdessen verliert die Landeswährung weiter an Wert, und anhaltende Stromausfälle – bis zu 15 Stunden täglich in Aden und wochenlange Stromausfälle in Lahj und Abyan – lähmen das tägliche Leben in den von der Regierung kontrollierten Gebieten.
In den von Ansar Allah kontrollierten Gebieten bleiben die öffentlichen Bediensteten ohne Bezahlung, die Liquidität schwindet und die Unterdrückung der Zivilgesellschaft verschärft sich.
Grundberg verurteilte die willkürliche und anhaltende Inhaftierung von UN-Mitarbeitern durch Ansar Allah und forderte ihre sofortige und bedingungslose Freilassung.
„Ihre Inhaftierung verstößt nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern hat auch eine erhebliche abschreckende Wirkung auf die gesamte internationale Gemeinschaft, die nur ein Ergebnis haben kann: die Untergrabung der Unterstützung für den Jemen, was leider vor allem die bedürftigsten Jemeniten treffen wird“, sagte er.
Grundberg begrüßte die kürzlich erfolgte Freilassung von Mitarbeitern der niederländischen Botschaft und einer internationalen Organisation und stellte fest, dass dies zeige, „was möglich ist, aber diese Freilassungen sind völlig unzureichend“.
"Ansar Allah muss seinen Kurs ändern", forderte er und rief alle Konfliktparteien dazu auf, "Mut zu zeigen und den Dialog zu wählen". Er bekräftigte außerdem das unerschütterliche Engagement der Vereinten Nationen für eine Verhandlungslösung des Konflikts.
„Lassen Sie uns klar sagen: Der Jemen ist noch nicht über den Berg“, sagte Tom Fletcher, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator, am Mittwoch in seinem Bericht an den Sicherheitsrat.
Er hob die Notlage der Kinder des Landes hervor, von denen die Hälfte unterernährt ist, und führte aus, dass Unterernährung das Immunsystem schwächt, wodurch Lungenentzündung und Durchfall zu den häufigsten Todesursachen bei Kindern im Jemen geworden sind, während Cholera- und Masernfälle aufgrund niedriger Impfraten zunehmen.
„Die Kinder müssen zudem mit minenverseuchten Feldern und Schulen ohne Lehrer zurechtkommen“, sagte er.
„Und natürlich sind nicht nur Kinder unverhältnismäßig stark betroffen. Wie ich bereits früher berichtet habe, sind mittlerweile auch 1,4 Millionen schwangere und stillende Frauen von Unterernährung betroffen, wodurch Mütter und Neugeborene in große Gefahr geraten.“
Im Jahr 2025 werden mehr als 19,5 Millionen Menschen im Land humanitäre Hilfe benötigen. Unter ihnen sind 9,6 Millionen Frauen und Mädchen, die dringend auf lebensrettende Hilfe angewiesen sind, da sie Hunger, Gewalt und einem zusammenbrechenden Gesundheitssystem ausgesetzt sind.
„Der humanitäre Reaktionsplan für den Jemen für 2025 ist zu kaum 9 Prozent finanziert – weniger als die Hälfte dessen, was wir zum gleichen Zeitpunkt im letzten Jahr erhalten haben“, betonte Fletcher und wies darauf hin, dass diese Defizite sehr reale Folgen haben, darunter die Schließung von 400 Gesundheitseinrichtungen, einschließlich von 64 Krankenhäusern, wodurch fast 7 Millionen Menschen betroffen sind.
20 therapeutische Ernährungszentren und 2.200 therapeutische Ernährungsprogramme mussten bereits ihre Arbeit einstellen, wodurch mehr als 350.000 unterernährte Kinder und Mütter in den von den Huthi-Rebellen kontrollierten Gebieten von lebensrettender Ernährungstherapie abgeschnitten sind.
„Wir rechnen bereits im Juni oder Juli mit Versorgungslücken – genau dann, wenn die Zahl der Unterernährten ihren Höhepunkt erreichen wird“, sagte er.
„Die Kürzungen sind, wie ich bereits beschrieben habe, gravierend. Menschen sterben“, betonte der Leiter der UN-Nothilfe.
Gleichzeitig sind die Vereinten Nationen dabei, ihre Betriebskosten deutlich zu senken, damit mehr Geld für die Rettung von Menschenleben ausgegeben werden kann.
„Hier wie anderswo sind wir entschlossen, mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln so viele Leben wie möglich zu retten“, sagte Fletcher.
In den ersten Monaten des Jahres 2025 haben humanitäre Organisationen weltweit einen abrupten und beispiellosen Rückgang der Mittel erfahren, ausgelöst durch extreme Kürzungen der Finanzhilfen durch die Vereinigten Staaten. Der Jemen ist von dieser verheerenden Entwicklung schwer getroffen.
Infolge dieser Kürzungen sind Hilfsorganisationen gezwungen, lebensrettende Programme drastisch zu zurückzufahren. Ohne neue und zusätzliche Mittel von anderen Gebern wird sich die humanitäre Lage in vielen Teilen des Landes verschlechtern, da Millionen Jemeniten die Unterstützung verlieren, die sie zum Überleben benötigen.
Kürzlich haben humanitäre Organisationen im Jemen die wichtigsten lebensrettenden Maßnahmen ermittelt, für die 1,42 Milliarden US-Dollar erforderlich sind, um minimale humanitäre Hilfe für 8,8 Millionen Menschen aufrechtzuerhalten.
„Ja, die Menschen im Jemen brauchen Hilfe. Aber sie brauchen auch Frieden“, sagte Fletcher.
Er forderte den Rat außerdem auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung des humanitären Völkerrechts sicherzustellen, zusätzliche und flexible Finanzmittel für die Aufrechterhaltung lebenswichtiger Hilfsmaßnahmen bereitzustellen und die Bemühungen um einen dauerhaften Frieden zu unterstützen.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Briefing des UN-Sondergesandten für den Jemen, Hans Grundberg, vor dem UN-Sicherheitsrat, Büro des Sondergesandten des Generalsekretärs der Vereinten Nationen für den Jemen, 14. Mai 2025 (in Englisch)
https://osesgy.unmissions.org/briefing-special-envoy-hans-grundberg-un-security-council-6
Vollständiger Text: Briefing vor dem Sicherheitsrat zur humanitären Lage im Jemen durch Tom Fletcher, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator, OCHA, 14. Mai 2025 (in Englisch)
https://www.unocha.org/news/acting-un-relief-chief-warns-security-council-yemen-crisis-worsening-scale-and-severity