Laut einem neuen UN-Bericht, der am Dienstag veröffentlicht wurde, ist die Zahl der von bewaffneten Konflikten gravierend betroffener Kinder im Jahr 2022 mit fast 19.000 Jungen und Mädchen in 25 Ländern und in der Region des Tschadsees weiterhin erschreckend hoch. Während insgesamt 27.180 schwere Rechtsverletzungen festgestellt wurden, waren die Konflikte mit der höchsten Zahl betroffener Kinder im vergangenen Jahr in der Demokratischen Republik Kongo (DRK), Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten, Somalia, Syrien, der Ukraine, Afghanistan und Jemen.
Der Jahresbericht des UN-Generalsekretärs zu Kindern und bewaffneten Konflikten offenbart die düstere Realität dieser Kinder, die rekrutiert oder durch Streitkräfte und bewaffnete Gruppen eingesetzt, getötet, verstümmelt, vergewaltigt, Opfer sexueller Gewalt oder entführt wurden. Ihre Schulen und Krankenhäuser wurden beschädigt oder zerstört, und der Zugang zu humanitärer Hilfe für Kinder wurde wiederholt verweigert.
Der Bericht stellt fest, dass die eklatante und systematische Missachtung des humanitären Völkerrechts und der internationalen Menschenrechtsnormen den Schutz von Kindern weiterhin stark beeinträchtigt.
Im Jahr 2022 belief sich die Zahl der verifizierten schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, von denen Kinder in den beobachteten Situationen betroffen waren, einschließlich der kürzlich hinzugekommenen Länder Äthiopien, Mosambik und Ukraine, auf 27.180, was einem Anstieg von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht.
Dies ist aber nur die nachweisbare Spitze des Eisbergs. Laut Bericht liegt die tatsächliche Zahl mit Sicherheit wesentlich höher, und diese Tatsache deutet auf eine noch viel größere und erschütterndere menschliche Tragödie hin.
Während nichtstaatliche bewaffnete Gruppen für 52 Prozent der schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen insgesamt verantwortlich waren, waren Regierungstruppen die Hauptverantwortlichen, insbesondere für die Tötung und Verstümmelung von Kindern, Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser und die Verweigerung des Zugangs für humanitäre Hilfe.
"Militäroperationen, die durch Aufstände, Offensiven und Gegenoffensiven in Gang gesetzt wurden, haben zu einem verstärkten Einsatz von Explosivwaffen geführt, auch mit großer Wirkung in bewohnten Gebieten, was zu einer ungeheuerlichen Zahl von getöteten und verstümmelten Kindern und einer auffallenden Zunahme der Beschädigung von Schulen und Krankenhäusern geführt hat, wodurch Kindern die Bildung und der Zugang zur Gesundheitsversorgung verwehrt wird", sagte die Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte, Virginia Gamba.
"Die Zivilbevölkerung und insbesondere die Kinder zahlen den Preis für bewaffnete Konflikte. Wir müssen den Wert des Friedens um unserer Kinder willen neu überdenken".
Die meisten gravierenden Menschenrechtsverletzungen waren die Tötung und Verstümmelung von Kindern, gefolgt von der Rekrutierung von 7.622 Kindern und der Entführung von 3.985 Kindern. Die Vereinten Nationen haben die Tötung und Verstümmelung von mehr als 8.630 Kindern verifiziert, was einen Anstieg um 5 Prozent im Vergleich zu 2021 bedeutet.
Der Einsatz von explosiven Kampfmitteln, einschließlich explosiver Kampfmittelrückstände (ERW), improvisierter Sprengsätze (IEDs) und Landminen, war für mehr als 25 Prozent der Tötung und Verstümmelung von Kindern verantwortlich.
Mit 1.846 verifizierten Vorfällen verzeichnete die Zahl der Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser mit 112 Prozent den stärksten Anstieg aller schweren Verstöße, hauptsächlich in der Ukraine, Burkina Faso, Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten, Myanmar, Mali und Afghanistan.
Die Demokratische Republik Kongo verzeichnete 2022 zum zweiten Mal in Folge die höchste Zahl schwerer Menschenrechtsverletzungen gegen Kinder, wobei mindestens 2.420 Kinder Opfer von Tötung, Verstümmelung, Entführung und sexueller Gewalt wurden.
In dem Bericht wurden insgesamt 3.377 schwerwiegende Verstöße gegen Kinder in der DRK festgestellt. 46 Prozent dieser Verstöße betrafen die Rekrutierung von Kindern - einige von ihnen waren erst fünf Jahre alt - durch bewaffnete Kräfte oder Gruppen. Auf der diesjährigen List der Täter stehen bewaffnete Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo wie M23, Mai-Mai Zaire und CODECO.
Zum ersten Mal wurde Russland in dem UN-Bericht wegen seiner Handlungen in der Ukraine, einschließlich der zahlreichen Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen während der Invasion und der Tötung von Kindern bei Militäroperationen, als einer der Hauptverantwortlichen für schwere Verstöße gegen Kinder benannt.
In dem Bericht bestätigen die Vereinten Nationen die Tötung von 136 Kindern und die Verstümmelung von 518 Kindern in der Ukraine, die den russischen Streitkräften und mit ihnen verbundenen Gruppen von Januar bis Dezember 2022 zugeschrieben werden. Russland hat am 24. Februar 2022 eine groß angelegte Invasion in der Ukraine begonnen, bestreitet aber, dass es Zivilisten ins Visier nimmt.
Dem Bericht zufolge wurden die meisten Opfer in der Ukraine durch den Einsatz von Sprengkörpern mit großer Reichweite verursacht, einschließlich des Beschusses durch schwere Artillerie, Mehrfachraketen, Raketen und Luftangriffe auf bewohnte Gebiete. Russland wurde zudem für 480 Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen in der Ukraine verantwortlich gemacht.
Die Ukraine wird zwar nicht als schwerwiegender Menschenrechtsverletzer aufgeführt, die Vereinten Nationen haben jedoch mindestens 80 Todesfälle und die Verstümmelung von 175 Kindern festgestellt, die ukrainischen Parteien zugeschrieben werden.
"Überall auf der Welt werden Kindern, die in Situationen bewaffneter Konflikte leben, ihre Grundrechte verweigert, darunter auch die Anerkennung als Kind. Die Altersdefinition eines Kindes, die in der Internationalen Konvention über die Rechte des Kindes auf 18 Jahre festgelegt ist, wird von bewaffneten Gruppen und Regierungen ignoriert", betonte Gamba.
Mindestens 2.496 Kinder wurden wegen ihrer tatsächlichen oder angeblichen Verbindung zu Konfliktparteien inhaftiert, was sie noch anfälliger für Misshandlung und Folter, einschließlich sexueller Gewalt, macht. Die Verweigerung des Zugangs für humanitäre Hilfe war mit 3.931 verifizierten Vorfällen weiterhin sehr hoch.
Dem Bericht zufolge hat sich die Lage der Kinder in einigen Ländern wie Myanmar, Südsudan oder Burkina Faso zwar besorgniserregend verschlechtert, gleichzeitig wurden in anderen Staaten aber auch Fortschritte beim Schutz der Kinder festgestellt. Vor allem Länder wie die Zentralafrikanische Republik, Kolumbien, Irak, Nigeria und Jemen haben proaktive Anstrengungen zum Schutz von Kindern unternommen, einschließlich der Einbeziehung von Konfliktparteien.
Wenn ein Zusammenwirken zwischen den Vereinten Nationen und den Konfliktparteien erreicht wurde oder wenn Friedensvereinbarungen und Waffenstillstände einen laufenden bewaffneten Konflikt beendeten, gingen die Übergriffe auf Kinder drastisch zurück. Infolgedessen erhielten im Jahr 2022 rund 12.460 Kinder, die früher mit Streitkräften oder bewaffneten Gruppen in Verbindung standen, Schutz oder Wiedereingliederungshilfe.
"Kinder werden immer die ersten sein, die den Preis für einen bewaffneten Konflikt zahlen müssen. Kinder haben das Recht auf eine Kindheit frei von Gewalt. Wir müssen die Einhaltung des humanitären Völkerrechts und der Menschenrechtsverpflichtungen durch Engagement, Überzeugung und konkrete Maßnahmen stärken", so die Sonderbeauftragte.
Der Bericht "Kinder und bewaffnete Konflikte" nennt die Täter, die Kinder rekrutieren, töten, verstümmeln oder entführen, sexuelle Gewalt gegen sie ausüben, ihnen humanitäre Hilfe verweigern oder Schulen und Krankenhäuser angreifen. Die Sonderbeauftragte des Generalsekretärs, Virginia Gamba, hat vom UN-Sicherheitsrat das Mandat erhalten, sich für die Verhinderung und Beendigung dieser schwerwiegenden Verstöße einzusetzen.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Zusammenfassung des Jahresberichts des UN-Generalsekretärs zu Kindern und bewaffneten Konflikten, veröffentlicht am 27. Juni 2023 (in Englisch)
https://childrenandarmedconflict.un.org/wp-content/uploads/2023/06/23-00045_CAAC_AnnualReport_Summary_2022-FINAL.pdf
Vollständiger Text: Jahresbericht des UN-Generalsekretärs zu Kindern und bewaffneten Konflikten, veröffentlicht am 27. Juni 2023 (in Englisch und weiteren UN-Sprachen)
https://childrenandarmedconflict.un.org/document/secretary-general-annual-report-on-children-and-armed-conflict-2/
Website: Amt der Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten (in Englisch und weiteren UN-Sprachen)
https://childrenandarmedconflict.un.org/