Die Vereinten Nationen berichten, dass mindestens 850.000 Menschen durch die Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), die am 15. April im Sudan begannen, vertrieben worden sind. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) teilte am Dienstag mit, dass mehr als 700.000 Menschen durch die Kämpfe innerhalb des Landes vertrieben wurden. Mindestens 150.000 Frauen, Männer und Kinder sind nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) in die Nachbarländer geflohen.
Der Konflikt zwischen dem sudanesischen Militär unter der Führung von General Abdel Fattah al-Burhan und der paramilitärischen Gruppe unter der Führung von General Mohammed Hamdan Dagalo brach vor mehr als drei Wochen aus, nachdem es monatelang zu Spannungen über die politische Zukunft des Landes und die geplante Integration der RSF in die nationale Armee gekommen war.
Nach Angaben des sudanesischen Gesundheitsministeriums wurden seit Ausbruch der Kämpfe mindestens 604 Menschen getötet und 5.127 weitere verletzt. Einige sudanesische Bundesstaaten melden jedoch keine Zahlen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits zuvor gewarnt, dass die tatsächlichen Zahlen noch viel höher sein dürften.
Paul Dillon, Sprecher der Internationalen Organisation für Migration, sagte heute auf einer Pressekonferenz in Genf, dass sich die Zahl der Binnenflüchtlinge im Sudan in der vergangenen Woche mehr als verdoppelt habe. Am vergangenen Dienstag lag die Zahl noch bei 340.000.
Schon vor Beginn der Kämpfe waren schätzungsweise 3,7 Millionen Menschen innerhalb des Landes Binnenvertriebene. Dillon sagte, die Zahl der Binnenvertriebenen habe in vielen Gebieten zugenommen, auch in der Hauptstadt Karthum, wo die Kämpfe noch andauerten.
Auf Nachfragen gab der IOM-Sprecher an, dass die Daten darüber, wohin die Binnenvertriebenen unterwegs seien, derzeit noch vorläufig seien und analysiert würden; ein umfassender Bericht werde später veröffentlicht werden. Die Binnenvertriebenen zögen jedoch in mehrere Staaten, unter anderem in den Staat Weißer Nil und den Staat Khartum.
Nach Angaben des UNHCR haben seit Beginn der Auseinandersetzungen Mitte April mehr als 154.000 Menschen die Grenzen zu den Nachbarländern überschritten. Die meisten von ihnen suchen Zuflucht in den sieben Ländern, die an den Sudan angrenzen, darunter Ägypten, Äthiopien, Tschad, Südsudan und die Zentralafrikanische Republik.
Unter den Menschen, die auf der Suche nach Hilfe und Schutz aus dem Sudan geflohen sind, befinden sich fast 50.000 Flüchtlingsrückkehrer. Das UN-Flüchtlingshilfswerk warnte kürzlich, dass die Kämpfe 860.000 Menschen zur Flucht aus dem nordostafrikanischen Staat veranlassen könnten.
Am Montag verurteilte UN-Generalsekretär António Guterres die Plünderung des Hauptquartiers des Welternährungsprogramms (WFP) in Khartum am Wochenende aufs Schärfste - der jüngste Angriff auf humanitäre Einrichtungen seit Beginn der Krise. Die meisten UN-Organisationen und humanitären Partnerorganisationen sind von weit verbreiteten und groß angelegten Plünderungen betroffen.
Das Welternährungsprogramm meldete, dass fast 17.000 Tonnen Lebensmittel im Wert von mindestens 13 Millionen US-Dollar aus seinen Lagern im Sudan gestohlen wurden. Vor Ausbruch der Kämpfe verfügte das WFP über 80.000 Tonnen an Vorräten im Land.
Nach Angaben der UN-Organisation werden fast 13.000 Tonnen Nahrungsmittel benötigt, um rund 384.000 Menschen in den Bundesstaaten Gedaref, Gezira, Kassala und Weißer Nil zu erreichen. Das WFP verfügt derzeit über rund 8.000 Tonnen an Nahrungsmitteln in Port Sudan.
Auch die Weltgesundheitsorganisation meldete Angriffe und Plünderungen von Gesundheitseinrichtungen im Sudan. Seit dem 15. April hat die WHO 15 Angriffe auf Mitarbeiter des Gesundheitswesens direkt verifiziert, und weitere werden derzeit überprüft, darunter auch gewaltsame Angriffe mit Waffen und die gewaltsame Besetzung von WHO-Einrichtungen. Die Plünderungen beeinträchtigen die Gesundheitseinrichtungen und untergraben den Zugang der Sudanesen zur Gesundheitsversorgung.
Unterdessen wurden die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Staaten vermittelten Friedensgespräche zwischen den kriegführenden Generälen des Landes am Montag in Dschidda, Saudi-Arabien, fortgesetzt, während die Kämpfe im Sudan Berichten zufolge nachließen. Tausende von Sudanesen versuchen jedoch immer noch, aus dem Land zu fliehen, und Beobachter sind skeptisch, dass eine Einigung zwischen den beiden Seiten einen langfristigen Frieden bringen wird.
Offiziell gilt weiterhin ein Waffenstillstand zwischen den beiden Seiten, doch Augenzeugen in Khartum berichteten, sie hätten am Montag erneut Schüsse und einen Luftangriff in der Stadt und in der Umgebung des Stadtzentrums gehört. Es gibt kaum Anzeichen dafür, dass der neue Waffenstillstand funktioniert, nachdem bei früheren Waffenstillständen die Kämpfe weitergegangen waren.
Die Vermittlungsgespräche wurden am Montag einen dritten Tag lang fortgesetzt, wobei nicht bekannt war, ob die Verhandlungen Fortschritte machten. Vertreter des Militärs und der Rapid Support Forces (RSF) waren nach Dschidda eingeladen worden, um eine vorgeschlagene Waffenruhe zu erörtern, damit humanitäre Hilfsorganisationen Zugang zu den Menschen erhalten, die nach mehr als drei Wochen Kampf verwundet, hungrig oder vertrieben sind.
Wie die Sudan Tribune am Sonntag berichtete, haben die Unterhändler der Armee drei Forderungen gestellt: den bedingungslosen Rückzug der RSF aus Khartum, die Verlängerung eines humanitären Waffenstillstands und die Integration der RSF in die sudanesische Armee innerhalb von zwei Jahren. Die Zeitung berichtete: "Es ist nicht klar, wie die Unterhändler der RSF auf diese Forderungen reagieren werden."
Auf einem Gipfeltreffen der Außenminister der Arabischen Liga am Sonntag in Kairo wurde ein vollständiger Waffenstillstand im Sudan gefordert. Die Minister bildeten auch einen Ausschuss, der versuchen soll, einen Weg zur Einstellung der Kämpfe zu finden. In einer Stellungnahme forderte die Afrikanische Union (AU) die Konfliktparteien auf, das Feuer aus humanitären Gründen sofort einzustellen und dringend humanitäre Korridore zu öffnen.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe im Sudan war bereits vor der Zuspitzung der Lage rekordverdächtig: Rund 15,8 Millionen Menschen - etwa ein Drittel der Bevölkerung - benötigten humanitäre Hilfe. Ein Viertel der sudanesischen Bevölkerung, d. h. 11,7 Millionen Menschen, litten unter schwerer Ernährungsunsicherheit.
Vor Beginn der Kämpfe beherbergte der Sudan etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge, eine der größten Flüchtlingsgruppen Afrikas, und etwa 3,7 Millionen Sudanesen waren Binnenvertriebene, vor allem in der Region Darfur, in der die Sicherheitslage seit 2003 instabil ist. Mehr als 800.000 Sudanesen waren in die Nachbarländer geflohen.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Pressebriefing des Informationsdienstes der Vereinten Nationen (UNIS) in Genf, 9. Mai 2023 (in Englisch)
https://www.ungeneva.org/en/news-media/bi-weekly-briefing/2023/05/press-briefing-united-nations-information-service-1