UN-Organisationen, internationale Rechtsexperten und humanitäre Organisationen fordern die Staaten auf, Flüchtlinge und Migranten in Seenot zu schützen, indem sie unter anderem Such- und Rettungsoperationen (SAR) verstärken und sicherstellen, dass Retter nicht kriminalisiert werden. Der Aufruf, der am Mittwoch, dem Internationalen Tag der Migranten, veröffentlicht wurde, erfolgt vor dem Hintergrund der steigenden Zahl von Todesfällen auf See.
Jedes Jahr riskieren Tausende von Flüchtlingen und Migranten auf ihrer verzweifelten Flucht vor Gewalt, Verfolgung und Armut lebensgefährliche Reisen. Viele begeben sich in überfüllten, klapprigen und unsicheren Booten auf eine gefährliche, lebensbedrohliche Reise.
Diese gefährlichen Reisen – beispielsweise über das Mittelmeer, das Andamanische Meer oder den Golf von Aden – werden oft auf seeuntüchtigen Booten unternommen, die nicht über die notwendige Sicherheitsausrüstung wie Rettungswesten und Notfall-Kommunikationsgeräte zum Senden von Notsignalen verfügen.
Zudem werden diese Boote in der Regel von einem Flüchtling oder Migranten gesteuert, der gezwungen ist, ohne nautische Kenntnisse und angemessene Ausrüstung zu manövrieren, was die Risiken erhöht und die Passagiere in lebensbedrohliche Situationen bringt.
Aufgrund begrenzter Rettungsbemühungen und zunehmender Beschränkungen sind unzählige Menschen ums Leben gekommen. Laut dem 'Missing Migrants Project' wurden bisher mindestens 40.972 Todesfälle durch Ertrinken registriert. Die tatsächliche Zahl der Todesfälle auf See wird jedoch noch viel höher vermutet.
In einem gemeinsamen Aufruf zum Handeln haben das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), die Internationale Organisation für Migration (IOM), das Büro des Hohen Kommissars für Menschenrechte (OHCHR), die UN-Sonderberichterstatter für Menschenhandel und für die Menschenrechte von Migranten sowie die Stiftung für humanitäre Hilfe auf See am Mittwoch eine Stellungnahme veröffentlicht.
Darin werden die Staaten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen erinnert, Menschen in Not zu retten, die Menschenrechte zu wahren und die Verantwortlichkeit für Menschenrechtsverletzungen auf See sicherzustellen.
Laut der Erklärung ist ein humanitärer und präventiver Ansatz unerlässlich, um die Wirksamkeit von Such- und Rettungsaktionen zu gewährleisten und die grundlegende Verpflichtung aufrechtzuerhalten, jeder Person in Seenot Hilfe zu leisten. Es wird betont, wie wichtig es ist, Notsituationen zu verhindern und darauf zu reagieren, wobei andere SAR-bezogene Grundsätze, wie die Ausschiffung von Personen an einen sicheren Ort, uneingeschränkt zu respektieren sind.
Unterdessen tragen begrenzte staatliche Rettungsaktionen und zunehmende Behinderungen humanitärer Rettungsaktionen zur Ausbreitung von Seenot bei, wodurch viele Menschen in Gefahr sind, zu driften, zu ertrinken oder spurlos zu verschwinden.
In der Erklärung wird auch eine Erhöhung der SAR-Kapazitäten durch die Zusammenarbeit mit dem privaten und humanitären Sektor sowie die Einrichtung regionaler Vereinbarungen zur Verbesserung der Koordinierung gefordert. Die Staaten werden außerdem aufgefordert, Überwachungsmechanismen einzurichten, Fälle von unterlassener Hilfeleistung zu untersuchen und Transparenz bei SAR-Einsätzen zu gewährleisten, um diejenigen, die sich auf See befinden, besser zu schützen.
In der Erklärung wird betont, dass bei der Identifizierung und Reaktion auf mögliche Notsituationen ein humanitärer und vorsorglicher Ansatz verfolgt werden muss, wie er in den einschlägigen Seerechtsinstrumenten verankert ist und mit den internationalen Menschenrechten und dem internationalen Flüchtlingsrecht im Einklang steht.
Die genaue Zahl der Todesfälle auf See zu ermitteln, ist schwierig, aber die jüngsten Zahlen der Todesopfer unterstreichen die dringende Notwendigkeit einer verstärkten Überwachung der Meere, vorbeugender Maßnahmen und wirksamer und koordinierter Such- und Rettungseinsätze im Einklang mit dem SAR-Übereinkommen und anderen völkerrechtlichen Standards.
Die Verpflichtung, jeder Person, die auf See in Lebensgefahr angetroffen wird, Hilfe zu leisten und so schnell wie möglich zur Rettung von Menschen in Not zu eilen, ist im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, im Internationalen Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See und im Internationalen Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See verankert.
Ein Flüchtling ist eine Person, die infolge von Verfolgung, Krieg, Konflikten, Gewalttaten, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen, Ereignissen, die die öffentliche Ordnung ernsthaft stören, oder aus anderen Gründen, die es ihr unmöglich oder gefährlich gemacht haben, in ihrem Herkunftsland oder in dem Land, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, zu bleiben, gezwungen war, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort zu verlassen und außerhalb dieses Landes Zuflucht zu suchen.
Flüchtlinge sind Personen, die eine international anerkannte Grenze überschritten haben und aufgrund von Umständen, die außerhalb ihrer Kontrolle liegen, gezwungen waren, aus ihrem Herkunftsland zu fliehen, und die Schutz und Hilfe benötigen, um in einem anderen Land Sicherheit und Zuflucht zu finden. Flüchtlinge werden durch das Völkerrecht definiert und geschützt.
Ein Migrant ist in der Regel eine Person, die freiwillig und ohne Zwang von einem Ort zum anderen, über Grenzen hinweg oder innerhalb eines Landes, mit der Absicht umzieht, einen neuen Wohnsitz zu gründen, entweder vorübergehend oder dauerhaft. Migration kann aus verschiedenen Gründen erfolgen, darunter Arbeit, Bildung, Familienzusammenführung, Entkommen vor Hunger oder Armut, wirtschaftliche Aussichten, bessere Lebensbedingungen oder eine Reihe anderer Beweggründe.
Im Allgemeinen können Migranten ohne Gefahr für Leib und Leben in ihre Heimatländer zurückkehren. Viele Migranten müssen jedoch unsägliche Entbehrungen erdulden und gehen lebensgefährliche Risiken ein, um ihr Heimatland zu verlassen und ein Zielland zu erreichen. Einige Migrantengruppen benötigen humanitäre Hilfe und Schutz, insbesondere diejenigen, die gefährliche Routen durch Wüsten und über das Meer auf sich nehmen.
Der Begriff „Migrant“ wird zunehmend als Oberbegriff für jede Person verwendet, die ihren gewöhnlichen Wohnort verlässt, unabhängig von den Gründen. Das UNHCR empfiehlt, Menschen, die Flüchtlinge oder potenzielle Asylbewerber sind, als solche zu bezeichnen und das Wort „Migrant“ nicht als Oberbegriff für Menschen zu verwenden, die Grenzen mit der Absicht überschreiten, sich in einem anderen Land aufzuhalten.
Laut der Erklärung wird die Situation durch den Mangel an ausreichenden und zugänglichen, sicheren und regulären Wegen für Migranten und Flüchtlinge weiter verschärft. Die Bedrohung für Leben und Sicherheit der Menschen, die auf gefährlichen Seewegen unterwegs sind, ist akut und betrifft alle Personen, unabhängig von den Gründen, aus denen sie ihre Heimat und ihr Land verlassen.
Im Jahr 2000 erklärte die UN-Generalversammlung den 18. Dezember zum Internationalen Tag der Migranten, um der großen und wachsenden Zahl von Migranten weltweit Rechnung zu tragen. Genau an diesem Tag im Jahr 1990 verabschiedete die Versammlung die Internationale Konvention zum Schutz der Rechte aller Arbeitsmigranten und ihrer Familienangehörigen.
Migration ist ein globales Phänomen, das von vielen Faktoren angetrieben wird, darunter das Streben nach Menschenwürde, Sicherheit und Frieden. Die Entscheidung, sein Zuhause zu verlassen, ist immer eine extreme Entscheidung und allzu oft der Beginn einer gefährlichen, manchmal tödlichen Reise.
Am Internationalen Tag der Migranten würdigt die Welt den Beitrag von Migranten weltweit und betrachtet die immer komplexeren Faktoren, die Migration und Vertreibung antreiben, darunter Krieg, Konflikte, verheerende Naturkatastrophen, Klimawandel, Verfolgung, Armut und Hunger.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Seenot: Ein Aufruf zu einem humanitären und vorsorglichen Ansatz, gemeinsame Erklärung, UNHCR et. al., veröffentlicht am 18. Dezember 2024 (in Englisch)
https://www.unhcr.org/media/distress-sea-call-humanitarian-and-precautionary-approach
Website: Internationale Organisation für Migration: Missing Migrants Project (in Englisch)
https://missingmigrants.iom.int/