Die Zahl der durch Bandengewalt vertriebenen Menschen in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince hat sich in den letzten fünf Monaten verdreifacht. Dies geht aus einem diese Woche veröffentlichten Bericht der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hervor. Die zwischen Juni und August 2022 durchgeführte Erhebung identifizierte über 113.000 Binnenvertriebe (IDPs) in Haiti. Davon sind 96.000 Männer, Frauen und Kinder vor der unsicheren Lage in der Hauptstadt geflohen, die auf Gewalt zwischen Banden und soziale Unruhen zurückzuführen ist. Weitere 17.000 Menschen sind infolge des schwersten Erdbebens seit einem Jahrzehnt, das im August 2021 die südlichen Regionen des Landes verwüstete, noch immer vertrieben.
Die Bandengewalt im Großraum Port-au-Prince hat zu Morden, Erpressungen, Entführungen und weiteren kriminellen Handlungen in einem Umfeld geführt, das durch tiefe Ungleichheiten, ein hohes Maß an Entbehrungen und ein fragmentiertes Sicherheitsumfeld gekennzeichnet ist. Die IOM berichtet, dass die Stadtteile mit den höchsten Gewaltraten häufig in wirtschaftlicher Bedrängnis sind, wobei der jüngste Anstieg der Lebensmittel- und Treibstoffpreise die ohnehin schon prekären Lebensverhältnisse weiter destabilisiert.
Mehr als 4,9 Millionen Menschen in Haiti - darunter 2,2 Millionen Kinder - sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, viele von ihnen leiden an Hunger und Unterernährung. Die weit verbreitete Armut, die steigenden Lebenshaltungskosten, die geringe landwirtschaftliche Produktion und die teuren Nahrungsmittelimporte haben die bestehende Ernährungsunsicherheit in Haiti noch verschärft. Etwa 1,8 Millionen Menschen leiden unter einer akuten Hungersnot. Mehr als 19.000 Menschen sind von einer Hungerkatastrophe bedroht.
Am 14. August 2021 erschütterte ein Erdbeben der Stärke 7,2 den Südwesten Haitis, das mehr als 2200 Menschen tötete, über 800.000 Menschen in Mitleidenschaft zog und große Zerstörungen anrichtete. Seit mehr als einem Jahr wird das Land von weit verbreiteter bandengesteuerter Gewalt heimgesucht. Der karibische Staat, der bereits das ärmste Land der westlichen Hemisphäre ist, leidet zudem unter einer schweren Wirtschaftskrise, die zu massiven Protesten, Plünderungen und der Rückkehr der Cholera geführt hat.
Die 1951 gegründete Internationale Organisation für Migration (IOM) ist die führende zwischenstaatliche Institution auf dem Gebiet der Migration, die Regierungen aus 174 Mitgliedsstaaten zusammenbringt. Die UN-Organisation arbeitet eng mit zwischenstaatlichen und nichtstaatlichen Partnern zusammen, um Migranten auf der ganzen Welt zu unterstützen, darunter Binnenvertriebene, Flüchtlinge und Arbeitsmigranten. Die Organisation ist auch in Notsituationen aktiv. Die IOM hat ihren Sitz in Genf.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Haiti - Information Sheet on Forced Displacement (Juni - August 2022), Internationale Organisation für Migration, veröffentlicht am 28. Oktober 2022 (in Englisch)
https://displacement.iom.int/reports/haiti-information-sheet-forced-displacement-june-august-2022