Der Leiter der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen fordert die rivalisierenden Militärführer im Sudan auf, öffentlich dafür einzutreten, dass die humanitäre Hilfe für Millionen von Menschen, die inmitten der eskalierenden Kämpfe ums Überleben kämpfen, gewährleistet wird. Zum Abschluss eines Besuchs in der Region am Mittwoch sagte Martin Griffiths, UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator, die sudanesische Bevölkerung stehe vor einer humanitären Katastrophe.
Von Port Sudan aus erklärte Griffiths, es sei wichtig, dass die Führer der beiden Kriegsparteien die Bemühungen der humanitären Organisationen um die Versorgung der Notleidenden öffentlich unterstützen. Er sagte, er arbeite bereits an einem Plan, um die Hilfsgüter dorthin zu bringen, wo sie benötigt werden, und er wolle "sicher sein, dass wir die Zusagen der beiden militärischen Kräfte zum Schutz der humanitären Hilfe öffentlich und eindeutig erhalten".
Der Leiter der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen sagte, es sei wichtig, dass sie "ihre Verpflichtungen einhalten, um die Versorgung der Menschen zu ermöglichen, und dass wir das tun sollten ... auch wenn es keinen formellen und normalen Waffenstillstand gibt."
Griffiths und Volker Perthes, UN-Sonderbeauftragter für den Sudan, sprachen am Mittwoch telefonisch mit dem Führer der sudanesischen Streitkräfte, General Abdel Fattah al-Burhan, und General Mohamed Hamdan Dagalo, dem Kommandeur der paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF).
In ihren Gesprächen betonten beide laut Griffiths die Notwendigkeit, dass humanitäre Hilfe die Menschen erreichen müsse. Damit dies jedoch geschehen kann, sagte Griffiths, habe er den Generälen gesagt, dass starke Garantien für die Sicherheit der Helfer und der Hilfsgüter mit Vereinbarungen von oben untermauert werden müssten.
"Ich bin der Meinung, dass diese Zusagen eine Vorbedingung für humanitäre Maßnahmen in großem Maßstab sind", sagte Griffiths. "Und ich sage ‚in großem Maßstab‘, weil die humanitären Maßnahmen Tag für Tag fortgesetzt werden, und es war ein Fehler zu behaupten, dass sie aufhören."
Der Leiter der humanitären Hilfe sagte, die Vereinten Nationen seien aufgrund des gravierenden Mangels an finanziellen Mitteln in ihren Bemühungen um die Versorgung der sudanesischen Bevölkerung eingeschränkt. Von den 1,7 Milliarden Dollar, die die UN vor der Krise für den Sudan angefordert hatte, seien bisher nur 200 Millionen Dollar eingegangen. Griffiths sagte, das Geld werde benötigt, um die verschiedenen Teile Darfurs und die am stärksten betroffenen städtischen Gebiete, insbesondere Khartum, zu versorgen.
Abgesehen von Geld brauche man Zugang, Lufttransporte und Hilfsgüter, die nicht geplündert werden, sagte er.
Das Welternährungsprogramm (WFP) meldete am Mittwoch, dass fast 17.000 Tonnen Lebensmittel aus seinen Lagern im Sudan gestohlen wurden, und es versucht immer noch festzustellen, welche Mengen an Vorräten noch vorhanden sind. Vor Ausbruch der Kämpfe verfügte das WFP über 80.000 Tonnen an Lebensmitteln im Land.
"Wir müssen uns über die Zusagen im Klaren sein, die wir gemacht haben, um die Sicherheit des Transports der Hilfsgüter von Port Sudan oder vom Tschad nach Darfur nach Port Sudan und weiter nach Westen zu den Orten der Not zu gewährleisten", bekräftigte Griffiths.
Griffiths sagte, dass Medikamente, Nahrungsmittel, sauberes Wasser, Treibstoff und andere wichtige Güter dringend benötigt werden. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) und das Welternährungsprogramm (WFP) hätten ihn am Mittwoch darauf hingewiesen, wie wichtig es sei, Nahrungsmittel und Saatgut an Orte zu bringen, die aufgrund der im Juni einsetzenden Regenzeit schwer zu erreichen sind.
Unterdessen hat UN-Generalsekretär António Guterres vor Reportern in Kenia gefordert, die Kämpfe im Sudan müssten jetzt beendet werden, bevor noch mehr Menschen sterben und der Konflikt zu einem regionalen Konflikt werde. Während seines Besuchs am Mittwoch rief Guterres die Kriegsparteien im Sudan auf, die Interessen des sudanesischen Volkes in den Vordergrund zu stellen.
"Die Sudanesen sind mit einer humanitären Katastrophe konfrontiert: Krankenhäuser sind zerstört, Lagerhäuser für humanitäre Hilfe geplündert, Millionen von Menschen leiden unter Nahrungsmittelknappheit", sagte er.
Guterres wies erneut darauf hin, dass die Hilfe unverzüglich und sicher in den Sudan gelangen müsse, damit die humanitären Helfer sie an die Menschen verteilen können, die sie am dringendsten benötigen. Aus diesem Grund, so Guterres, müssten die beiden sudanesischen Generäle die seit mehr als zwei Wochen andauernden Kämpfe beenden.
"Die Kämpfe müssen aufhören, und zwar sofort, bevor noch mehr Menschen sterben und der Konflikt zu einem totalen Krieg ausartet, der die Regionen auf Jahre hinaus beeinträchtigen könnte", sagte Guterres.
Der Südsudan hat einen siebentägigen Waffenstillstand vermittelt zwischen dem sudanesischen Armeechef al-Burhan und dem RSF-Kommandeur General Dagalo, auch bekannt als Hemedti. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der neue Waffenstillstand funktionieren wird, denn bei früheren Waffenstillständen wurden die Kämpfe fortgesetzt. Am Donnerstag wurden schwere Gefechte in und um die Hauptstadt Khartum gemeldet, obwohl beide Konfliktparteien dem einwöchigen Waffenstillstand zugestimmt hatten.
Nach Angaben des sudanesischen Gesundheitsministeriums wurden beiden den Kämpfen, die am 15. April begangen, mindestens 528 Menschen getötet und 4.620 verletzt. UN-Organisationen schätzen die Zahl der Toten und Verwundeten als wesentlich höher ein.
Seit Beginn der Zusammenstöße zwischen den beiden Kriegsparteien vor mehr als zwei Wochen wurden mindestens 434.000 Menschen vertrieben. Während sich wenigstens 334.000 Menschen innerhalb des Sudan auf der Flucht befinden, sind mehr als 100.000 Frauen, Kinder und Männer auf der Suche nach Hilfe und Schutz in die Nachbarländer geflohen.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) warnte heute, dass die Kämpfe 860.000 Menschen zur Flucht aus dem nordostafrikanischen Staat zwingen könnten. Die meisten Sudanesen suchen Zuflucht in den sieben Ländern, die an den Sudan grenzen, darunter Ägypten, Äthiopien, Tschad, Südsudan und die Zentralafrikanische Republik.
Das UNHCR und seine Partnerorganisationen riefen am Donnerstag dazu auf, bis Oktober dieses Jahres 445 Millionen US-Dollar für die Unterstützung von Flüchtlingen und Rückkehrern aus dem Sudan bereitzustellen. Dies geht aus einer vorläufigen Zusammenfassung des regionalen Flüchtlingsreaktionsplans für den Sudan hervor, die den Gebern heute vorgelegt wurde.
Der Aufruf umfasst in erster Linie Soforthilfe für den Tschad, Südsudan, Ägypten, Äthiopien und die Zentralafrikanische Republik. Der regionale Reaktionsplan wurde vom UNHCR gemeinsam mit 134 Partnern, darunter UN-Organisationen, nationale und internationale Nichtregierungsorganisationen und Gruppen der Zivilgesellschaft, ausgearbeitet.
Im Sudan war der Bedarf an humanitärer Hilfe bereits vor der Eskalierung der Lage so hoch wie nie zuvor: Rund 15,8 Millionen Menschen - etwa ein Drittel der Bevölkerung - benötigten humanitäre Hilfe. Ein Viertel der sudanesischen Bevölkerung, d. h. 11,7 Millionen Menschen, litten unter schwerer Ernährungsunsicherheit.
Vor Beginn der Kämpfe beherbergte der Sudan etwa 1,2 Millionen Flüchtlinge, eine der größten Flüchtlingsgruppen Afrikas, und etwa 3,7 Millionen Sudanesen waren Binnenvertriebene, vor allem in der Region Darfur, in der die Sicherheitslage seit 2003 instabil ist. Mehr als 800.000 Sudanesen waren in Nachbarländer geflohen.
Einige Informationen für diesen Bericht wurden von VOA bereitgestellt.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Remarks at Press Briefing by Under-Secretary-General for Humanitarian Affairs and Emergency Relief Coordinator, Martin Griffiths - Port Sudan, 3. Mai 2023, UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs, Pressemitteilung, 3. Mai 2023 (in Englisch)
https://reliefweb.int/report/sudan/remarks-press-briefing-under-secretary-general-humanitarian-affairs-and-emergency-relief-coordinator-martin-griffiths-port-sudan-3-may-2023
Vollständiger Text: Sudan Situation: Regional Refugee Response Plan, Preliminary Summary & Inter-Agency Requirements (May-October 2023), UNHCR, veröffentlicht am 4. Mai 2023 (in Englisch)
https://reporting.unhcr.org/document/4771