Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) hat am Montag gemeinsam mit 64 humanitären und nationalen zivilgesellschaftlichen Organisationen die internationalen Geber dazu aufgerufen, 1 Milliarde US-Dollar (932 Millionen Euro) bereitzustellen, um über 1,8 Millionen Menschen, die voraussichtlich bis Ende des Jahres in fünf Nachbarländern ankommen werden und vor dem anhaltenden Konflikt im Sudan fliehen, mit lebenswichtiger humanitärer Hilfe und Schutz zu versorgen. Eine Million Flüchtlinge, Rückkehrer und ausländische Staatsangehörige haben bereits die Grenzen nach Ägypten, Äthiopien, Südsudan, Tschad und in die Zentralafrikanische Republik überschritten.
Der Regionale Flüchtlingsreaktionsplan (RRP) für den Sudan 2023 wurde im Mai 2023 aufgestellt, im Juni 2023 überarbeitet und im August 2023 erneut aktualisiert, um der dramatischen und anhaltenden Zunahme der Vertreibung aus dem Sudan und die daraus resultierende humanitäre Krise gerecht zu werden.
Die Schätzung von mehr als 1,8 Millionen Menschen, die vor der Gewalt in angrenzende Länder fliehen werden, ist mehr als doppelt so hoch wie die Prognosen der UN-Organisation kurz nach Ausbruch der Kämpfe zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) am 15. April. Seit dem Beginn der Feindseligkeiten kämpfen die Truppen beider Seiten um die Kontrolle über das Land. Berichten zufolge sind in diesem Konflikt Tausende von Menschen getötet worden.
Der Betrag von 1 Milliarde US-Dollar stellt eine Verdoppelung der ursprünglich im Mai veranschlagten Summe dar, die zur Bewältigung der Krise benötigt wird, da die Zahl der Vertriebenen und der Bedarf weiter ansteigen. Laut UNHCR gehören zu den dringend benötigten Gütern Wasser, Nahrungsmittel, Unterkünfte, Gesundheitsdienste, Bargeld, grundlegende Hilfsgüter und Schutzdienste.
"Die Krise hat einen dringenden Bedarf an humanitärer Hilfe ausgelöst, da die Menschen, die in abgelegenen Grenzgebieten ankommen, sich aufgrund unzureichender Versorgung, schlechter Infrastruktur und eingeschränktem Zugang in einer verzweifelten Lage befinden", sagte Mamadou Dian Balde, UNHCR-Regionalbüroleiter für Ostafrika, das Horn von Afrika und die Großen Seen sowie regionaler Flüchtlingskoordinator für die Situation im Sudan.
"Die Partner, die an dieser Aktion beteiligt sind, unternehmen alle Anstrengungen, um die ankommenden Menschen und ihre Gastgeber zu unterstützen, aber ohne ausreichende Gebermittel werden diese Bemühungen stark eingeschränkt."
Das UN-Flüchtlingshilfswerk erklärte am Montag, die katastrophale Gesundheitssituation der Neuankömmlinge sei zunehmend besorgniserregend und erfordere dringende Aufmerksamkeit. In mehreren Aufnahmeländern gebe es hohe Unterernährungsraten, Krankheitsausbrüche wie Cholera und Masern und damit verbundene Todesfälle.
"Es ist zutiefst erschütternd, Berichte über Kinder zu erhalten, die an Krankheiten sterben, die völlig vermeidbar wären, wenn die Partner über ausreichende Mittel verfügt hätten", sagte Balde.
"Das Handeln darf nicht länger aufgeschoben werden."
Die Länder, die Menschen auf der Flucht aus dem Sudan aufnehmen - die Zentralafrikanische Republik, der Tschad, Ägypten, Äthiopien und der Südsudan - hatten schon vor dieser Krise Hunderttausenden von Flüchtlingen Zuflucht geboten.
"Die Länder in der Region stehen selbst vor großen Herausforderungen und zeigen dennoch eine bemerkenswerte Großzügigkeit, aber wir können ihre Gastfreundschaft nicht als selbstverständlich ansehen", sagte Balde.
"Die internationale Gemeinschaft muss sich mit den Regierungen und Gemeinschaften der Aufnahmeländer solidarisch zeigen und gegen die anhaltende Unterfinanzierung humanitärer Maßnahmen vorgehen. Dies ist von entscheidender Bedeutung, um Menschen und Gemeinschaften in Not zu unterstützen und den dringend benötigten Frieden zu sichern."
Der ursprüngliche Regionale Flüchtlingsreaktionsplan (RRP) für den Sudan, der erstmals im Mai 2023 aufgelegt wurde, ist stark unterfinanziert. Während der Bedarf exponentiell gestiegen ist, haben die Geber nicht Schritt gehalten. Mit Stand vom 5. September sind erst 32,8 Prozent der benötigten Mittel aufgebracht worden.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe im Sudan und in den Nachbarländern steigt mit der Verschärfung der Lage weiter an. Im Sudan sind derzeit 24,7 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen - mehr als die Hälfte der sudanesischen Bevölkerung. Darunter befinden sich über 13 Millionen Kinder, die dringend lebensrettende humanitäre Unterstützung benötigen.
Die Feindseligkeiten im Land halten seit dem Ausbruch der Kämpfe Mitte April an. Die unerbittlichen Kämpfe in Khartum und in der Region Darfur sowie die Ausbreitung des Konflikts auf die Region Kordofan und andere Regionen des Staates in Nordostafrika haben die Zivilbevölkerung in eine Zwangslage gebracht und viele Gebiete unzugänglich gemacht, so dass dringend benötigte humanitäre Hilfe nicht sicher bereitgestellt werden kann.
Seit dem Ausbruch der Gewalt im Zuge eines Machtkampfs zwischen der SAF und der RSF vor mehr als vier Monaten wurden fast 5 Millionen Menschen vertrieben. Während 1 Million Frauen, Männer und Kinder in den Nachbarländern Zuflucht gesucht haben, sind mehr als 3,9 Millionen Menschen - Sudanesen und bereits im Land lebende Flüchtlinge - innerhalb des Landes auf der Flucht.
Der Hunger hat ein Rekordniveau erreicht: Mehr als 20,3 Millionen Menschen im ganzen Land, d. h. über 42 Prozent der Bevölkerung, sind von akutem Hunger bedroht, darunter 6,3 Millionen Menschen, die "nur einen Schritt von einer Hungersnot entfernt sind". Laut der jüngsten IPC-Bewertung der Ernährungslage im Sudan hat sich die Zahl der Menschen, für die zwischen Juli und September eine unsichere Ernährungslage prognostiziert wird, gegenüber der letzten Analyse vom Mai 2022 fast verdoppelt.
Der überarbeitete Humanitäre Reaktionsplan (HRP) 2023 für den Sudan - für die Hilfe innerhalb des Landes - sieht 2,6 Milliarden US-Dollar vor, um bis Ende dieses Jahres lebensrettende Hilfe für schätzungsweise 18,1 Millionen Menschen zu leisten. Mit Stand vom 5. September ist der HRP nur zu 26,4 Prozent finanziert.
Kürzlich warnte Martin Griffiths, UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator, dass "ein anhaltender Konflikt im Sudan die gesamte Region in eine humanitäre Katastrophe stürzen könnte".
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Sudan Emergency: Regional Refugee Response Plan - May to December 2023 (Revised August 2023), veröffentlicht am 4. September 2023 (in Englisch)
https://data.unhcr.org/en/documents/download/103163