Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) teilt mit, dass seine Mitarbeiter weiterhin Menschen im Gazastreifen und im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, die „für ihr Überleben“ auf es angewiesen sind, mit Hilfsgütern versorgen, nachdem ein Verbot des israelischen Parlaments für diese Aktivitäten am Donnerstag in Kraft getreten ist. Während die humanitäre Hilfsaktion im Gazastreifen weiterläuft, versichert das UNRWA, dass es „so lange bleiben und die Menschen versorgen wird, bis dies nicht mehr möglich ist“.
Im Gazastreifen sind UNRWA-Mitarbeiter vor Ort, um Hilfsgüter zu liefern und Versorgungsleistungen für rund 2,1 Millionen Palästinenser zu erbringen, die 15 Monaten unter ständigem Bombardement zu leiden hatten und die weiterhin Vertreibung und Mangel an lebensnotwendigen Gütern ausgesetzt sind.
Seit Beginn des Waffenstillstands hat das UNRWA bereits schätzungsweise 750.000 Menschen mit Nahrungsmittelhilfe versorgt und nach eigenen Angaben genug in der Hinterhand, um auch den Rest der Bevölkerung im Gazastreifen zu erreichen.
Am Donnerstag appellierte UN-Generalsekretär António Guterres erneut an die israelische Regierung, ein neues Gesetz rückgängig zu machen, das dem UN-Hilfswerk im Wesentlichen die Hilfe für die Palästinenser verbietet.
„Ich bedauere diese Entscheidung und bitte die israelische Regierung, sie zurückzunehmen“, schrieb Guterres am Montag in einem Brief an den israelischen UN-Botschafter.
Der UN-Generalsekretär betonte, dass das UNRWA unersetzlich sei und dass keine andere Organisation die Kapazität oder das Mandat habe, seine Arbeit zu leisten.
Guterres erklärte in seinem Schreiben, dass die „einseitige Forderung“ Israels, das UNRWA solle „seine Tätigkeit einstellen und alle Räumlichkeiten in weniger als einer Woche nach der förmlichen Mitteilung räumen“, „unangemessen und unvereinbar“ mit den internationalen Verpflichtungen Israels sei und dass die Vereinten Nationen und Israel Gespräche über das Gesetz aufnehmen sollten.
Am 28. Oktober 2024 verabschiedete das israelische Parlament zwei Gesetze, mit denen die UNRWA geächtet wurde. Die Gesetze verbieten der UNRWA die Tätigkeit auf dem Hoheitsgebiet des Staates Israel und untersagen jeglichen Kontakt zwischen israelischen Amtsträgern und der UNRWA.
Gemäß den Gesetzen ist es der UNRWA untersagt, auf israelischem Gebiet eine Repräsentanz, Dienstleistungen oder Aktivitäten aufrechtzuerhalten. Israel soll jegliche Zusammenarbeit, Kommunikation und jeglichen Kontakt mit der UNRWA oder Personen, die in ihrem Namen handeln, einstellen.
In einem Schreiben an den Generalsekretär vom 24. Januar forderte der Ständige Vertreter Israels bei den Vereinten Nationen das UNRWA auf, bis zum 30. Januar alle seine Räumlichkeiten im besetzten Ostjerusalem zu räumen und seine Tätigkeit dort einzustellen.
Diese Anordnung steht jedoch im Widerspruch zu den internationalen rechtlichen Verpflichtungen der UN-Mitgliedstaaten, einschließlich Israels, die an das Allgemeine Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen gebunden sind. UN-Räumlichkeiten sind unverletzlich und genießen Vorrechte und Immunitäten gemäß der UN-Charta.
Israel hat das Allgemeine Übereinkommen über Privilegien und Immunitäten unterzeichnet und dessen Bestimmungen in sein innerstaatliches Recht aufgenommen. Diese Bestimmungen verpflichten die israelischen Behörden, die Privilegien und Immunitäten der Vereinten Nationen sowie die Räumlichkeiten der Vereinten Nationen zu respektieren.
Allein in Ostjerusalem wären etwa 70.000 Patienten und mehr als 1.000 Studenten von der Einstellung der UN-Einsätze betroffen.
Die Knesset-Gesetzgebung, die Teil einer israelischen politischen Kampagne mit dem Ziel der Auflösung der UNRWA ist, widerspricht den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und der UN-Generalversammlung und ignoriert die Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH).
Auf einer Sitzung des Sicherheitsrats am Dienstag, auf der die Situation erörtert wurde, sagte der UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini, dass die Umsetzung des Gesetzes zum jetzigen Zeitpunkt desaströs wäre.
„Auf dem Spiel stehen das Schicksal von Millionen Palästinensern, der Waffenstillstand und die Aussichten auf eine politische Lösung, die dauerhaften Frieden und Sicherheit bringt", sagte er.
Er sagte, das UN-Hilfswerk sei umso entscheidender, während der Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas umgesetzt werde und humanitäre Organisationen darum kämpfen, Millionen Palästinensern Hilfe zu leisten.
„Im gesamten Gazastreifen wenden sich Palästinenser an UNRWA – die Organisation, die sie ihr ganzes Leben lang kennen – und bitten um Unterstützung“, sagte Lazzarini.
„Wenn wir unsere Arbeit jetzt einschränken – außerhalb eines politischen Prozesses und zu einem Zeitpunkt, an dem das Vertrauen in die internationale Gemeinschaft so gering ist – wird dies den Waffenstillstand untergraben. Es wird den Wiederaufbau und den politischen Wandel im Gazastreifen sabotieren.“
Der UNRWA-Chef fügte hinzu: „Die vollständige Umsetzung der Knesset-Gesetzgebung wird katastrophal sein. In Gaza wird die Untergrabung der UNRWA-Arbeit die internationale humanitäre Hilfe gefährden.“
„Es wird die Kapazität der Vereinten Nationen gerade dann schwächen, wenn die humanitäre Hilfe erheblich aufgestockt werden muss. Dies wird die bereits katastrophalen Lebensbedingungen von Millionen Palästinensern nur noch verschlimmern.“
Israelische Regierungsvertreter behaupten, dass andere UN-Organisationen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) die Arbeit der UNRWA übernehmen könnten, aber diese Hilfsorganisationen sowie Lazzarini sind gegenteiliger Meinung.
„Seit Oktober 2023 haben wir zwei Drittel aller Nahrungsmittelhilfe geliefert, über eine Million Vertriebene mit Unterkünften versorgt und eine Viertelmillion Kinder gegen Polio geimpft“, sagte er dem Sicherheitsrat.
„Seit Beginn des Waffenstillstands hat die UNRWA 60 Prozent der Lebensmittel nach Gaza gebracht und damit mehr als eine halbe Million Menschen erreicht.“
Laut UNRWA hat die Hilfsorganisation der Vereinten Nationen die Hälfte der Nothilfe in Gaza geleistet, während alle anderen UN-Organisationen gemeinsam etwas die andere Hälfte übernommen haben. UNRWA stellt mit 13.000 Mitarbeitern und 300 Einrichtungen die größte UN-Präsenz in Gaza dar.
Die Organisation ist auch der Hauptanbieter von Gesundheits- und Bildungsleistungen für Palästinenser in Ostjerusalem, Gaza und im Westjordanland, der größte Anbieter von medizinischer Grundversorgung in Gaza und der zweitgrößte im Westjordanland.
Lazzarini sagte, dass in Gaza 650.000 Mädchen und Jungen in den Trümmern leben und nichts anderes lernen, als zu überleben.
„Wir sind jedoch entschlossen, zu bleiben und Hilfe zu leisten, bis es nicht mehr möglich ist“, sagte der UNRWA-Chef.
Humanitäre Organisationen und hochrangige Vertreter der Vereinten Nationen sind der Überzeugung, dass die UNRWA als humanitäre Lebensader unersetzlich und unverzichtbar ist und ihr die Erfüllung ihres Mandats ermöglicht werden muss. Sie argumentieren, dass das Hilfswerk das Rückgrat der humanitären Hilfe bildet und nicht durch andere UN-Organisationen ersetzt werden kann.
Die UN-Generalversammlung gründete das Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten im Jahr 1949, um rund 700.000 palästinensische Flüchtlinge zu unterstützen, die durch den arabisch-israelischen Krieg von 1948 vertrieben wurden, der ausbrach, nachdem Israel im Mai desselben Jahres ein Staat wurde.
Da es bis heute keine politische Lösung für die Palästinaflüchtlinge gibt, hat die UN-Generalversammlung das Mandat der UNRWA wiederholt verlängert.
Die UNRWA ist nicht nur im Gazastreifen und im Westjordanland tätig, sondern auch in Jordanien, im Libanon und in Syrien, wo es große palästinensische Flüchtlingsgemeinschaften gibt. Fast 6 Millionen Palästinenser in der gesamten Region haben Anspruch auf die Leistungen der UNRWA, zu denen Bildung und Gesundheitsversorgung gehören.
Vor dem Ausbruch des Krieges durch Israel waren zwei Drittel der Bevölkerung von Gaza, das sind 1,6 Millionen Menschen, bei der UNRWA registrierte palästinensische Flüchtlinge. Die Organisation beschäftigt in Gaza mehr als 13.000 Mitarbeiter, von denen mehr als 3.500 in Notfalleinsätzen tätig sind. Im Westjordanland unterstützt die UNRWA 1,1 Millionen palästinensische Flüchtlinge und andere registrierte Personen, darunter 890.000 Flüchtlinge.
Im Gazastreifen wütet seit mehr als fünfzehn Monaten eine beispiellose humanitäre Katastrophe, bei der Menschen durch weit verbreitete Angriffe, Hunger, Dehydrierung, Krankheiten und Unterkühlung gestorben sind. Durch die unerbittlichen Einsätze der israelischen Verteidigungskräfte (IDF) sind zahlreiche Opfer zu beklagen und es kam zu flächendeckenden Zerstörungen.
Die Gesamtzahl der seit dem 7. Oktober 2023 getöteten UNRWA-Mitarbeiter beläuft sich auf 273. Seit Beginn des Krieges wurden 205 UNRWA-Einrichtungen bei mehr als 665 Angriffen beschädigt, die auf diese Einrichtungen und die darin befindlichen Personen abzielten oder sie in Mitleidenschaft zogen.
Am 19. Januar 2025 trat im Gazastreifen ein Waffenstillstand zwischen Israel und der palästinensischen bewaffneten Gruppe Hamas in Kraft, und nach mehr als 470 Kriegstagen, die das winzige Gebiet verwüstet und die zwei Millionen Menschen dort in eine verzweifelte Lage gebracht haben, in der sie zum Überleben auf das Nötigste angewiesen sind, haben die israelischen Streitkräfte die meisten ihrer Angriffe eingestellt.
Seit Beginn der Waffenruhe sind Tausende von Lastwagen – darunter mehr als 1.000 UNRWA-Lastwagen – mit lebensnotwendigen humanitären Hilfsgütern in Gaza eingetroffen, wodurch die humanitäre Hilfe für lebenswichtige Bedarfe erhöht werden konnte. Die Organisationen der Vereinten Nationen und nichtstaatliche humanitäre Organisationen unternehmen alle Anstrengungen, um die humanitäre Hilfe im gesamten Gazastreifen zu verstärken.
Der Anstieg des Nachschubs an Hilfsgütern und die verbesserten Zugangsbedingungen seit Inkrafttreten des Waffenstillstands haben es den humanitären Hilfsorganisationen ermöglicht, die Bereitstellung lebensrettender Hilfe im gesamten Gazastreifen auszuweiten, auch in Gebieten, die zuvor nicht zugänglich waren.
Da die Waffenruhe weiterhin anhält, sind nach Angaben der Vereinten Nationen schätzungsweise eine halbe Million Menschen in den Norden des Gazastreifens zurückgekehrt, der Monate lang völlig unzugänglich war aufgrund der Abriegelung durch das israelische Militär.
Das humanitäre Völkerrecht verpflichtet Israel, dafür zu sorgen, dass die Grundbedürfnisse der Menschen in Gaza gedeckt werden. Dazu gehört auch, dass die Menschen in Gaza Zugang zu ausreichend Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung und anderen lebensnotwendigen Gütern haben.
Mehr als ein Jahr lang wurde die humanitäre Hilfe für Gaza von israelischen Amtsträgern unter grober Verletzung des humanitären Völkerrechts und offensichtlich als Mittel der Kriegsführung behindert. Die erste Phase des Waffenstillstandsabkommens erlaubt nun die Einfahrt von 600 Lastwagen pro Tag nach Gaza, darunter 50 Tankwagen.
Zwischen dem 7. Oktober 2023 und dem 18. Januar 2025 wurden bei israelischen Angriffen auf das Gebiet nach Angaben der Gesundheitsbehörden in Gaza mehr als 47.000 Palästinenser getötet und mehr als 111.000 weitere verwundet, in der Mehrzahl Zivilisten. Unter den Todesopfern befinden sich mindestens 385 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, 277 UN-Mitarbeiter, 1060 Mitarbeiter des Gesundheitswesens und 198 Journalisten.
Schätzungen zufolge gehören mindestens 15.000 Kinder zu den Toten. Mehr als 10.000 Menschen, darunter Tausende von Kindern, werden vermisst und gelten als tot. Insgesamt wurden bei den Luft- und Bodenoperationen Israels im Gazastreifen seit dem 7. Oktober 2023 mindestens 168.000 Menschen getötet, verwundet oder gelten als vermisst, was mehr als 8 Prozent der Bevölkerung des Gazastreifens entspricht.
Laut einer Analyse von Forschern der London School of Hygiene and Tropical Medicine (LSHTM) ist die Zahl der zivilen und der gesamten Todesopfer des israelischen Krieges im Gazastreifen jedoch weitaus höher als die offiziellen Angaben.
Die Analyse, die Anfang Januar in The Lancet veröffentlicht wurde, schätzt, dass zwischen Oktober 2023 und Juni 2024 mehr als 64.000 Palästinenser infolge der Gewalt in Gaza starben, was darauf hindeutet, dass die Zahl der Todesopfer um mindestens 40 Prozent zu niedrig angegeben ist.
In den genannten Zahlen sind weder Palästinenser enthalten, die an indirekt mit dem Krieg zusammenhängenden Ursachen wie Hunger, Dehydrierung und Krankheiten starben, noch sind vermisste Personen darin enthalten. Laut der von Wissenschaftlern begutachteten Studie waren etwa 59 Prozent der Toten Frauen, Kinder oder ältere Menschen.
Einige Informationen für diesen Bericht wurden von VOA zur Verfügung gestellt.