Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) hat die Aussetzung seiner Tätigkeit im Sudan aufgehoben, da die Kämpfe dort Millionen von Menschen mit Hunger bedrohen. Das WFP hatte seine Arbeit in dem Land unterbrochen, als am 15. April - dem ersten Tag des Konflikts zwischen der sudanesischen Armee und einer paramilitärischen Einheit, den Rapid Support Forces (RSF) - drei Mitarbeiter in Nord-Darfur getötet wurden.
Die Exekutivdirektorin des WFP, Cindy McCain, erklärte am Montag in einer Stellungnahme, dass die UN-Organisation die nach dem tragischen Tod ihrer drei Mitarbeiter verhängte vorübergehende Aussetzung der Maßnahmen unverzüglich aufhebe. Die meisten humanitären Hilfsorganisationen hatten ihre Arbeit in Khartum und anderen Landesteilen eingestellt und ihre internationalen Mitarbeiter aus dem Sudan evakuiert.
Das WFP teilte mit, dass in den kommenden Tagen mit der Verteilung von Nahrungsmitteln in den Bundesstaaten Gedaref, Gezira, Kassala und Weißer Nil begonnen werden soll, um lebensrettende Hilfe zu leisten, die viele Menschen im Moment so dringend benötigen, und wies gleichzeitig darauf hin, dass die Sicherheitslage nach wie vor äußerst prekär sei.
"Wir werden alles tun, um die Sicherheit unserer Mitarbeiter und Partner zu gewährleisten, während wir uns beeilen, den wachsenden Bedarf der am meisten gefährdeten Menschen zu decken", sagte McCain.
Das WFP wies darauf hin, dass vor Beginn des Konflikts mehr als 15 Millionen Menschen im Sudan in ernster Ernährungsunsicherheit lebten und rechnet damit, dass diese Zahl mit dem Fortgang der Kämpfe noch erheblich ansteigen wird.
Am Sonntag beugten sich die Konfliktparteien im Sudan dem internationalen Druck und kündigten an, dass das Waffenstillstandsabkommen, das um Mitternacht auslaufen sollte, um weitere 72 Stunden verlängert werden würde. Die Kriegsparteien haben eine Reihe von Waffenstillständen ausgerufen, von denen allerdings keiner lange gehalten hat.
Eine Waffenruhe war bereits in Kraft, wurde aber von beiden Seiten weitgehend ignoriert. Der Waffenstillstand wurde von den beiden Kriegsparteien vereinbart, um Menschen eine sichere Ausreise zu ermöglichen und das Land mit humanitärer Hilfe zu versorgen, aber die Gewalt ging weiter. Jede Seite beschuldigte die andere für die Verletzungen der Waffenruhe.
Unterdessen hat der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, den Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen, Martin Griffiths, in den Sudan entsandt, um die Lage dort zu sondieren. Griffiths ist in Nairobi, Kenia, eingetroffen und wird voraussichtlich am Dienstag in den Sudan reisen.
"Wir appellieren erneut an alle Konfliktparteien, die Zivilbevölkerung und die zivile Infrastruktur zu schützen, der Zivilbevölkerung, die aus den Kampfgebieten flieht, sicheres Geleit zu gewähren, die humanitären Helfer und Güter zu respektieren, die Hilfsmaßnahmen zu erleichtern und das medizinische Personal, den Transport und die Einrichtungen zu respektieren", sagte Stéphane Dujarric, Sprecher des Generalsekretärs, in einer schriftlichen Erklärung vom Sonntag, mit der er die Entscheidung bekannt gab.
Die humanitäre Lage im Land verschlechtert sich weiter, da die Versorgung mit lebensnotwendigen Gütern wie Nahrungsmitteln und Wasser fast unmöglich geworden ist. Mehr als zwei Drittel der Krankenhäuser in den umkämpften Gebieten sind aufgrund von Angriffen und einem Mangel an medizinischen Hilfsgütern, Personal, Wasser und Elektrizität geschlossen.
Vor seiner Abreise in die Region erklärte der Leiter der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen, Griffiths, am Sonntag, dass die humanitäre Lage im Sudan "die Grenze der Belastbarkeit" erreicht habe.
"In den am stärksten betroffenen städtischen Zentren, vor allem in Khartum, werden überlebenswichtige Güter knapp, und die Familien haben Schwierigkeiten, an Wasser, Nahrungsmittel, Treibstoff und andere wichtige Güter zu gelangen. Die Kosten für den Transport aus den am stärksten betroffenen Gebieten sind exponentiell gestiegen, so dass die am meisten gefährdeten Menschen nicht in der Lage sind, sich in sicherere Gebiete zu begeben", sagte Griffiths in einer schriftlichen Mitteilung.
Er betonte, dass die Vereinten Nationen und ihre Partner ihr Bestes täten, um die humanitäre Hilfe im Lande wieder in Gang zu bringen.
"Das Ausmaß und die Geschwindigkeit, mit der sich die Situation im Sudan entwickelt, sind beispiellos. Wir sind äußerst besorgt über die unmittelbaren und langfristigen Auswirkungen auf alle Menschen im Sudan und in der gesamten Region", fügte der Leiter der humanitären Hilfe hinzu.
Der Konflikt zwischen dem sudanesischen Militär und der paramilitärischen Gruppe eskalierte am 15. April, nachdem die Spannungen über die politische Zukunft des Landes und die geplante Eingliederung der RSF in die nationale Armee seit Monaten zugenommen hatten.
Aufgrund der heftigen Kämpfe zwischen den Streitkräften unter der Führung von General Abdel Fattah Burhan und den Rapid Support Forces unter der Führung von General Mohammed Hamdan Dagalo, wurden Zehntausende innerhalb des Landes vertrieben oder suchen in Ägypten, Äthiopien, Libyen, Südsudan, im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik Schutz.
UN-Organisationen erwarten, dass die Zahl der Vertriebenen mit der Eskalation der Krise noch steigen wird, und es wird davor gewarnt, dass die schwerwiegenden und langfristigen Folgen bereits jetzt zu spüren sind. Seit dem Ausbruch der Kämpfe wurden mehr als 500 Menschen getötet und über 4.000 weitere verletzt. Besonders erbittert waren die Zusammenstöße in der Hauptstadt Khartum.
Bereits vor der Verschlechterung der Lage, war der Bedarf an humanitärer Hilfe im Sudan war so hoch wie nie zuvor: Rund 15,8 Millionen Menschen - etwa ein Drittel der Bevölkerung - benötigten humanitäre Hilfe. Ein Viertel der sudanesischen Bevölkerung, d. h. 11,7 Millionen Menschen, litt unter akuter Ernährungsunsicherheit. Mehr als 3 Millionen Kinder unter 5 Jahren waren im Land akut unterernährt, wobei schätzungsweise 650.000 Kinder unter 5 Jahren von schwerer akuter Unterernährung betroffen waren.
Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) beherbergt der Sudan rund 1,2 Millionen Flüchtlinge, eine der größten Flüchtlingspopulationen in Afrika. Vor Beginn der Kampfhandlungen waren etwa 3,7 Millionen Sudanesen Binnenflüchtlinge, vor allem in der Region Darfur, in der die Sicherheitslage seit 2003 unbeständig ist. Mehr als 800.000 Sudanesen waren in die Nachbarländer geflohen.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Erklärung von WFP-Exekutivdirektorin Cindy McCain zur Aufhebung der vorübergehenden Aussetzung der lebensrettenden Hilfsmaßnahmen im Sudan, WFP-Pressemitteilung, 1. Mai 2023
https://www.wfp.org/news/statement-wfp-executive-director-cindy-mccain-lifting-temporary-suspension-life-saving-0
Vollständiger Text: Die humanitäre Krise im Sudan erreicht die kritische Grenze, Stellungnahme von Martin Griffiths, Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten, Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten, Pressemitteilung, veröffentlicht am 30. April 2023
https://reliefweb.int/report/sudan/humanitarian-crisis-sudan-reaching-breaking-point