Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) warnt, dass die Zivilbevölkerung durch die tödlichen Feindseligkeiten im syrischen Gouvernement Suweida weiterhin gefährdet ist. Es wird von erheblichen Vertreibungen und Schäden an kritischer Infrastruktur, einschließlich Wasser-, Strom- und Telekommunikationsnetzen, berichtet. Medienberichten zufolge haben die Feindseligkeiten bereits Hunderte von Menschenleben gefordert.
Diese Eskalation folgt auf gewaltsame Zusammenstöße und zunehmende Gewaltakte, einschließlich gegenseitigen Beschusses und Luftangriffen durch israelische Streitkräfte. Berichten zufolge kam es in dem mehrheitlich von Drusen bewohnten Gouvernement seit dem Ausbruch der Gewalt am Sonntag zu willkürlichen Tötungen von Zivilisten, Entführungen, sektiererischer Aufwiegelung, Hassreden sowie dem Niederbrennen und Plündern von Privateigentum.
Der Konflikt zwischen beduinischen Stammesgruppen und lokalen bewaffneten Gruppen aus der drusischen Gemeinschaft ist in den letzten Tagen erheblich eskaliert, was die syrische Übergangsregierung veranlasste, Sicherheits- und Militärkräfte in die Stadt zu entsenden und eine Reihe israelischer Luftangriffe zur Folge hatte.
Die Organisation Syrian Network for Human Rights (SNHR), erklärte heute, sie habe zwischen Sonntag und Mittwoch den Tod von mindestens 169 Syrern, darunter fünf Kinder und sechs Frauen, sowie mindestens 200 Verletzte dokumentiert.
Das SNHR betonte, dass diese Zahlen vorläufig seien und auf von der Organisation überprüften Informationen beruhten. Die vorläufige Zahl umfasst zivile Opfer (darunter Kinder, Frauen und medizinisches Personal) sowie Kämpfer bewaffneter Beduinenstämme, anderer lokaler Gruppen und Angehörige der Sicherheitskräfte der syrischen Übergangsregierung.
Am Mittwoch erklärte der Koordinator für humanitäre Hilfe in Syrien, Adam Abdelmoula, dass die Vereinten Nationen und ihre humanitären Partner planen, eine Delegation zu entsenden, um den Bedarf zu ermitteln und grundlegende Unterstützung zu leisten, sobald die Bedingungen dies zulassen - in voller Abstimmung mit den zuständigen Behörden.
OCHA berichtete jedoch am Mittwoch, dass der Zugang zu den betroffenen Gebieten in Suweida aufgrund der unsicheren Lage und der Straßensperrungen weiterhin stark eingeschränkt ist. Die Zivilbevölkerung kann Berichten zufolge die vorgesehenen Sammelunterkünfte nicht erreichen.
Hilfsorganisationen warnen vor einer Überlastung der medizinischen Dienste, auch im benachbarten Gouvernement Daraa, wo die Krankenhäuser nahezu ausgelastet sind. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat medizinische Hilfsgüter nach Daraa geschickt, um die Traumaversorgung zu unterstützen, aber die Lieferungen nach Suweida verzögern sich aufgrund von Zugangsbeschränkungen.
In einer Erklärung, die am Mittwoch durch seinen Sprecher veröffentlicht wurde, äußerte sich UN-Generalsekretär António Guterres besorgt über die anhaltende Eskalation der Gewalt in Suweida, die Berichten zufolge Hunderte von Menschenleben, darunter viele Zivilisten, gefordert hat und viele weitere verletzt und vertrieben hat.
„Der Generalsekretär verurteilt unmissverständlich jegliche Gewalt gegen Zivilisten, einschließlich Berichten über willkürliche Tötungen und Handlungen, die sektiererische Spannungen anheizen und das syrische Volk nach vierzehn Jahren eines brutalen Konflikts seiner Chance auf Frieden und Versöhnung berauben“, sagte Stéphane Dujarric, Sprecher des Generalsekretärs.
Guterres wiederholte seine Forderung nach einer sofortigen Deeskalation der Gewalt und dringenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Ruhe und zur Erleichterung des Zugangs für humanitäre Hilfe.
Am Dienstag hatte er die Übergangsbehörden und die lokalen Führer aufgefordert, die Situation sofort zu deeskalieren, die Zivilbevölkerung zu schützen, die Ruhe wiederherzustellen und weitere Aufwiegelungen zu verhindern. Außerdem forderte er die Übergangsbehörden auf, transparente und offene Untersuchungen durchzuführen und die Verantwortlichen für die Übergriffe zur Rechenschaft zu ziehen.
"Der Generalsekretär nimmt die Erklärung des syrischen Präsidialamtes zur Kenntnis, in der es die Übergriffe verurteilt und sich verpflichtet, die Verantwortlichen zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Wir wiederholen den Appell des Generalsekretärs zur Transparenz in diesem Prozess", sagte Dujarric heute.
Guterres verurteilte auch die eskalierenden Luftangriffe Israels auf Suweida und Daraa sowie auf das Zentrum der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er verurteilte ebenso Berichte über die Verlegung von Truppen der israelischen Streitkräfte auf den Golanhöhen und forderte die sofortige Einstellung aller Verletzungen der Souveränität und territorialen Integrität Syriens.
Der Generalsekretär bekräftigte, dass ein glaubwürdiger, geordneter und inklusiver politischer Übergang in Syrien im Einklang mit den Grundprinzipien der Resolution 2254 (2015) des Sicherheitsrats unbedingt unterstützt werden muss.
Unterdessen hat der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, inmitten der andauernden Krise mit verschiedenen Parteien telefoniert, und sein Stellvertreter, Najat Rochdi, ist in Damaskus und spricht mit mehreren Parteien.
Rochdi rief zur Deeskalation und zum Dialog zwischen den Übergangsbehörden und den lokalen Akteuren auf. Der humanitäre Koordinator Abdelmoula hat ebenfalls zur Besonnenheit und zum Schutz der Zivilbevölkerung aufgerufen.
Am Dienstag äußerte sich die UN-Untersuchungskommission für Syrien tief besorgt über die erneute Eskalation der Gewalt. Die Kommission erinnerte daran, dass die Übergangsregierung dafür verantwortlich ist, die Achtung, den Schutz und die Verwirklichung der Menschenrechte der gesamten Bevölkerung frei von jeglicher Form der Diskriminierung zu gewährleisten. Sie rief alle Parteien auf, die Gewalt sofort einzustellen und die Situation durch Dialog zu deeskalieren.
Die Kommission betonte, dass Zivilisten, die fliehen wollen, geschützt werden müssen, dass ihnen sicheres Geleit gewährt werden muss und dass sie Zugang zu humanitärer Hilfe erhalten müssen. Sie äußerte sich auch besorgt über Berichte über israelische Luftangriffe in dem Gebiet.
„Jede Intervention eines Drittstaates birgt die Gefahr, den Konflikt auszuweiten, weitere Akteure einzubeziehen und dem syrischen Volk noch größeres Leid zuzufügen“, so die Kommission.
Die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für die Arabische Republik Syrien, die 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt wurde, untersucht derzeit mutmaßliche Verletzungen und Verstöße gegen die internationalen Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht im Zusammenhang mit den Ereignissen und wird „zu gegebener Zeit“ darüber berichten.
Seit vierzehn Jahren ist die syrische Zivilbevölkerung massiven und systematischen Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und die Menschenrechte ausgesetzt. Trotz bedeutender politischer Veränderungen im Land in den zurückliegenden Monaten leidet das syrische Volk weiterhin unter einer der größten humanitären Krisen der Welt.
Der Krieg hat die syrische Wirtschaft und Infrastruktur zerstört, so dass Millionen von Menschen ohne angemessenen Wohnraum, verlässlichen Zugang zu Wasser und Strom und andere grundlegende Versorgungsleistungen sind. Derzeit benötigen mehr als 16,7 Millionen Syrer - darunter etwa 6,5 Millionen Kinder - dringend humanitäre Hilfe, darunter Nahrungsmittel, Unterkünfte und medizinische Versorgung.
Trotz mancher Fortschritte ist der humanitäre Bedarf in Syrien nach wie vor immens, zumal der jahrelange Konflikt 90 Prozent der Bevölkerung in die Armut getrieben hat.
Etwa 7,4 Millionen Menschen sind weiterhin Binnenvertriebene in Syrien, und mehr als 6 Millionen leben als Flüchtlinge im Ausland. Über die Hälfte der Bevölkerung ist von Ernährungsunsicherheit betroffen, und fast drei Millionen Menschen leiden unter schwerer Ernährungsunsicherheit.
Seit dem Sturz der Regierung Assad am 8. Dezember des vergangenen Jahres sind etwa 1,5 Millionen Binnenvertriebene in ihre Herkunftsgebiete heimgekehrt, und mehr als 600 000 Flüchtlinge sind aus den Nachbarländern zurückgekommen. Damit ist die Gesamtzahl der Syrer, die in ihre Heimat zurückgekehrt sind, auf über 2,1 Millionen gestiegen.
Andere ausländische Mächte, darunter die Türkei, Russland, Israel und die Vereinigten Staaten, üben weiterhin Einfluss auf das Land aus. Russland unterhält Stützpunkte an der Küste, und Israel hat das Gebiet unter seiner Kontrolle erweitert. Seit dem 8. Dezember hat Israel Hunderte von Luftangriffen in ganz Syrien geflogen und bedroht damit den fragilen politischen Übergang des Landes.
Aufgrund der anhaltenden Kämpfe in mehreren Teilen Syriens leben die Menschen in Angst vor Angriffen und sind von Vertreibung bedroht. Experten für humanitäre Hilfe warnen, dass die Lage in Syrien alles andere als stabil ist, was die Sorge vor verfrühter Rückkehr und erneuter Vertreibung schürt.