Einem neuen Bericht zufolge, der am Freitag veröffentlicht wurde, könnten in diesem Jahr bis zu 11,6 Millionen Flüchtlinge und andere zur Flucht gezwungene Menschen den Zugang zu direkter humanitärer Hilfe durch das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) verlieren, da die Mittel für humanitäre Hilfe weltweit stark gekürzt wurden. Diese Zahl entspricht etwa einem Drittel der Menschen, denen die humanitäre Organisation im vergangenen Jahr beigestanden hat.
Während die Zahl der Vertriebenen weltweit zunimmt, geht die humanitäre Hilfe drastisch zurück, was dem UNHCR-Bericht zufolge einen „tödlichen Cocktail“ ergibt, der die vertriebenen Menschen in Gefahr bringt. Zu den Leistungen, die verloren gehen werden, gehören kritische Unterstützung wie medizinische Hilfe, Bildung, Unterkunft, Ernährung und Schutz.
"Dieser Bericht hebt ein tödliches Zusammenspiel von Faktoren hervor, die auf Millionen von Flüchtlingen und Vertriebenen einwirken: zunehmende Vertreibung, schrumpfende Mittel und politische Apathie. Und wie immer sind Frauen und Kinder am stärksten betroffen", sagte Dominique Hyde, UNHCR-Direktorin für Außenbeziehungen, heute vor Journalisten in Genf.
Die Finanzierungskrise ist auf die umfangreichen Kürzungen der Auslandshilfe durch Länder wie Schweden, Frankreich und Japan zurückzuführen, wobei die brutale Kürzung der humanitären Hilfe durch die Vereinigten Staaten noch hinzukommt. Von den 10,6 Milliarden US-Dollar, die das UNHCR in diesem Jahr benötigt, wurden bisher nur 23 Prozent aufgebracht.
Historisch gesehen hat das UNHCR zu diesem Zeitpunkt im Jahr etwa 50 Prozent der benötigten Mittel zusammengebracht.
Laut der Analyse der UNHCR-Programme und der in diesem Jahr erhaltenen Mittel werden insgesamt 1,4 Milliarden Dollar an wichtigen Programmen gekürzt oder auf Eis gelegt, darunter eine 60-prozentige Kürzung der Nothilfe in vielen Ländern wie Sudan, Tschad und Afghanistan.
Millionen von Menschen sind nun mit einer Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen, einem erhöhten Risiko der Ausbeutung und des Missbrauchs sowie der Gefahr einer weiteren Vertreibung konfrontiert.
"Hinter diesen Zahlen stehen reale Leben, die in der Schwebe hängen. Familien sehen die Unterstützung, auf die sie sich verlassen haben, schwinden und sind gezwungen, sich zwischen der Ernährung ihrer Kinder, dem Kauf von Medikamenten oder der Zahlung der Miete zu entscheiden, während die Hoffnung auf eine bessere Zukunft in weite Ferne rückt", sagte Hyde.
„Jeder Sektor und jede Maßnahme ist betroffen, und die kritische Unterstützung wird ausgesetzt, um die lebensrettende Hilfe aufrechtzuerhalten.“
Aufgrund der schweren Budgetkürzungen war das UNHCR gezwungen, die Verlegung von Neuankömmlingen, die vor dem Krieg im Sudan fliehen, zu stoppen. Diese Menschen sollten aus den Grenzgebieten an sicherere Orte in Ländern wie dem Tschad und dem Südsudan gebracht werden. Die Kürzungen haben jedoch dazu geführt, dass Tausende von Menschen in abgelegenen Gebieten festsitzen.
Im Tschad leidet derweil einer von zehn sudanesischen Flüchtlingen an schwerer und akuter Unterernährung, und die Unterernährungsrate bei Kindern unter fünf Jahren hat die Notfallschwelle von 15 Prozent überschritten.
Auch in Uganda steigt die Unterernährungsrate in einigen Aufnahmezentren aufgrund des begrenzten Zugangs zu sauberem Wasser und Nahrungsmitteln stark an.
"Die Gesundheits- und Bildungsdienste werden zurückgefahren, Schulen werden geschlossen und Kliniken sind unterbesetzt. In den Aufnahmelagern für Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch droht der Schulunterricht für rund 230.000 Kinder eingestellt zu werden. Das gesamte Gesundheitsprogramm des UNHCR im Libanon läuft Gefahr, bis Ende des Jahres eingestellt zu werden", so Hyde.
Auch die Programme zur Bereitstellung von Unterkünften wurden erheblich gekürzt. In Ländern wie Niger haben die Kürzungen der finanziellen Unterstützung dazu geführt, dass Familien in überfüllten Unterkünften leben oder von Obdachlosigkeit bedroht sind.
In der Ukraine und in der gesamten Region wurde die finanzielle Unterstützung ebenfalls gekürzt, so dass sich vertriebene Familien weder Miete noch Lebensmittel oder medizinische Versorgung leisten können.
Frauen und Mädchen sind davon unverhältnismäßig stark betroffen. Die UN-Organisation wird ein Viertel ihrer Unterstützung für Programme zum Schutz und zur Bewältigung von geschlechtsspezifischer Gewalt, auch für Überlebende, streichen müssen.
Im Südsudan wurden 75 Prozent der vom UNHCR unterstützten Schutzräume für Frauen und Mädchen bereits geschlossen. Dadurch haben bis zu 80.000 geflüchtete Frauen und Mädchen, darunter auch Überlebende sexueller Gewalt, keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, psychosozialer Unterstützung, Rechtshilfe, materieller Unterstützung oder einkommensschaffenden Maßnahmen.
"Die Kürzungen wirken sich auch besorgniserregend auf die Neuansiedlung und die sichere und freiwillige Rückkehr von Flüchtlingen aus. Rund 1,9 Millionen Afghanen sind seit Anfang des Jahres in ihre Heimat zurückgekehrt oder zur Rückkehr gezwungen worden, aber die finanzielle Unterstützung für die Rückkehrer reicht kaum aus, um sich Lebensmittel, geschweige denn die Miete zu leisten, was die Bemühungen um eine stabile Wiedereingliederung untergräbt", so Hyde.
In mehreren UNHCR-Einsätzen hat der Mangel an Finanzmitteln die Investitionen in die Digitalisierung und Stärkung der Asylsysteme und die Förderung der Bemühungen um Legalisierungen eingeschränkt.
„In Ländern wie Kolumbien, Ecuador, Costa Rica und Mexiko bedeutet das Fehlen eines legalen Status eine anhaltende Unsicherheit, eine Vertiefung der Armut, da die Flüchtlinge von formalen Arbeitsplätzen ausgeschlossen sind, und eine größere Gefährdung durch Ausbeutung und Missbrauch“, sagte sie.
"Diese Kürzungen untergraben die Bemühungen, langfristige Lösungen zu finden. Auch die Anreize für die ehrenamtliche Arbeit von Flüchtlingen wurden stark eingeschränkt, wodurch lebenswichtige Dienste gefährdet sind und eine regelmäßige Einkommensquelle für diese Flüchtlinge wegfällt."
Vor dem Hintergrund der erheblichen Kürzungen konzentriert sich das UN-Hilfswerk nach eigenen Angaben darauf, Leben zu retten und die zur Flucht gezwungenen Menschen zu schützen.
Auf Nachfragen sagte die UNHCR-Vertreterin, sie könne nicht beziffern, was die Zahlen in Bezug auf die Todesfälle bedeuten. Kinder würden an Unterernährung sterben, andere kämen verkümmert zur Welt.
„Das UNHCR ist den Gebern dankbar, die in dieser schwierigen Zeit ihre Unterstützung fortgesetzt haben, und fordert Regierungen, Institutionen und Einzelpersonen dringend auf, ihre finanziellen Beiträge deutlich zu erhöhen, um die derzeitige Finanzierungslücke zu schließen“, so Hyde.
Bei der Beantwortung weiterer Fragen von Journalisten erinnerte Hyde daran, dass sich zwar alle der erheblichen Kürzung der Mittel aus den Vereinigten Staaten bewusst seien, aber auch andere wichtige Geber ihre Beiträge reduziert hätten.
Sie wies jedoch darauf hin, dass die Europäische Union, die Afrikanische Entwicklungsbank, Kanada und die Mastercard Foundation ihre Beiträge erhöht hätten, wofür das UNHCR sehr dankbar sei.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Am Rande des Abgrunds: Die verheerenden Auswirkungen von Hilfskürzungen auf Menschen, die zur Flucht gezwungen sind, UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR), Bericht, veröffentlicht am 18. Juli 2025 (in Englisch)
https://www.unhcr.org/media/brink-devastating-toll-aid-cuts-people-forced-flee