Nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sind die humanitären Einsätze in Niger nach dem versuchten Staatsstreich in dem Land derzeit ausgesetzt. Die Vereinten Nationen, die Vereinigten Staaten, der westafrikanische Wirtschaftsblock ECOWAS, die Afrikanische Union und die Europäische Union haben die Freilassung des Präsidenten von Niger, Mohamed Bazoum, gefordert, nachdem eine Gruppe von Soldaten am Mittwoch erklärt hatte, er sei entmachtet worden. Präsident Bazoum hat die demokratischen Kräfte im Lande aufgefordert, sich der Machtübernahme zu widersetzen.
Am Mittwoch hielt eine Gruppe von Soldaten der Präsidentengarde Präsident Bazoum im Präsidentenpalast fest und verkündete später im staatlichen Fernsehen seine Absetzung. In ihrer Ansprache an die Nation erklärten die Putschisten, dass die Verteidigungs- und Sicherheitskräfte die Regierung aufgrund der schlechten Regierungsführung und der Sicherheitslage in Niger gestürzt hätten.
Einen Tag nach der Ankündigung der Machtübernahme durch das Militär war die Lage in der Hauptstadt Niamey noch immer unübersichtlich. Seit der Unabhängigkeit Nigers von Frankreich im Jahr 1960 hat es vier erfolgreiche Putsche und zahlreiche Putschversuche gegeben. Der demokratisch gewählte Präsident Mohamed Bazoum legte im April 2021 den Amtseid ab.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen António Guterres forderte am Donnerstag die Putschisten auf, den demokratisch gewählten Präsidenten wieder in sein Amt einzusetzen. In einer Rede vor Reportern in New York forderte er die Militärangehörigen erneut auf, Präsident Bazoum unverzüglich und bedingungslos freizulassen.
Guterres forderte die Putschisten außerdem auf, die demokratische Regierungsführung in Niger nicht länger zu behindern und die Rechtsstaatlichkeit zu respektieren.
"Wir beobachten einen beunruhigenden Trend in der Region. Die aufeinanderfolgenden verfassungswidrigen Regierungswechsel haben schreckliche Auswirkungen auf die Entwicklung und das Leben der Zivilbevölkerung. Dies ist besonders eklatant in Ländern, die bereits von Konflikten, gewalttätigem Extremismus und Terrorismus sowie den verheerenden Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind", sagte der UN-Chef.
Die Anführer der nigrischen Armee erklärten am Donnerstag ihre Unterstützung für den Sturz von Präsident Bazoum und widersetzten sich damit internationalen Aufrufen zur Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der demokratischen Ordnung des Landes. Der Aufenthaltsort des Präsidenten blieb unklar, während die Armee Nigers in einer Erklärung mitteilte, sie habe beschlossen, den Sturz des Präsidenten zu unterstützen, um "eine tödliche Konfrontation" zu verhindern, die zu einem "Blutbad" in Niger führen könnte.
Am Freitag ernannte sich der Chef der Präsidentengarde in Niger, General Abdourahamane Tchiani, zum Präsidenten des Nationalrats und damit zum neuen Machthaber des Landes. Tchiani gab diese Erklärung im nationalen Fernsehen ab.
Ein Sprecher der Vereinten Nationen, Stéphane Dujarric, sagte am Donnerstag in New York, dass alle Mitarbeiter der Vereinten Nationen in dem Land "in Sicherheit sind".
"Wie Sie sich vorstellen können, haben wir unsere Kollegen, die es können, ermutigt, von zu Hause aus zu arbeiten. Wir haben eine Reihe von Kollegen, die vor Ort waren und sich aufgrund von Flugverkehrsbeschränkungen nicht bewegen konnten", sagte Dujarric.
Die Militärbehörden haben die Luft- und Landgrenzen geschlossen und eine nächtliche Ausgangssperre über das ganze Land verhängt. Die Vereinten Nationen haben rund 1.600 Mitarbeiter im Land, darunter 1.244 nationale und 352 internationale Kräfte. Humanitären Maßnahmen der Vereinten Nationen sind angesichts der instabilen Lage derzeit auf Eis gelegt.
Das Land in der zentralen Sahelzone ist bereits jetzt mit einer komplexen humanitären Situation konfrontiert. Gewalt durch bewaffnete Gruppen - sowohl in Niger als auch in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso - bedroht die Sicherheit der Zivilbevölkerung und verschärft die Ernährungsunsicherheit.
Humanitäre Organisationen vor Ort befürchten, dass der Militärputsch die humanitäre Krise noch verschärfen könnte. Derzeit sind 4,3 Millionen Menschen in Niger auf humanitäre Hilfe angewiesen. Mehr als 370.000 Männer, Frauen und Kinder sind innerhalb des Landes auf der Flucht, außerdem beherbergt es mehr als 250.000 Flüchtlinge - hauptsächlich aus Nigeria, Mali und Burkina Faso. 2,5 Millionen Frauen, Männer und Kinder sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen.
"Wir befinden uns derzeit mitten in der mageren Jahreszeit in Niger - sie dauert von Juni bis August - und unsere Kollegen von OCHA haben angedeutet, dass sie davon ausgehen, dass die Zahl der Menschen, deren Ernährung unsicher ist, bis Ende nächsten Monats 3 Millionen erreichen könnte", sagte der UN-Sprecher.
Das Sahelland ist überdies mit einer kritischen Finanzierungssituation konfrontiert. Der humanitäre Hilfsappell der UN für Niger in Höhe von 584 Millionen US-Dollar ist derzeit nur zu 32 Prozent finanziert.