Gravierende Kürzungen der humanitären Hilfe haben in den letzten Monaten Hunderttausende Somalier von der Trinkwasserversorgung abgeschnitten und damit ganze Gemeinden einem erhöhten Risiko für tödliche Krankheitsausbrüche ausgesetzt, wie der Norwegian Refugee Council (NRC) am Montag gewarnt hat. Unterdessen berichteten die Vereinten Nationen, dass die anhaltende schwere Dürre im Norden Somalias schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen in 26 Distrikten betrifft.
Die Mangellage bei der humanitären Hilfe fordert weiterhin einen hohen Tribut von den am stärksten gefährdeten Menschen in Somalia, die keinen Zugang zu lebenswichtiger Gesundheitsversorgung, Nahrungsmitteln und sauberem Trinkwasser haben. Die brutalen Kürzungen der Finanzhilfen haben verheerende Folgen für schwer unterernährte Kinder, die den Zugang zu lebensrettenden Behandlungen verloren haben oder bald verlieren werden.
Heute wies die humanitäre Organisation NRC darauf hin, dass der Zusammenbruch der Wasser-, Sanitär- und Hygieneversorgung (WASH) die Ausbreitung vermeidbarer Krankheiten wie Cholera und akuter wässriger Durchfallerkrankungen beschleunigt und nur ein Bruchteil der zu Beginn des Jahres für Somalia benötigten humanitären Hilfe finanziert wurde.
Verlust des Zugangs zu sauberem Wasser
Mehr als 300.000 Menschen, vor allem vertriebene Familien, die in überfüllten Siedlungen und ländlichen Gemeinden in ganz Somalia leben, haben aufgrund der Einschränkung oder Einstellung der Wassertransporte und der sanitären Versorgung keinen Zugang mehr zu sauberem Wasser.
Die Hilfsgelder für Wasser und sanitäre Einrichtungen sind mit weniger als 12 Prozent des Bedarfs besonders stark gekürzt worden. Dies zwingt Hilfsorganisationen angesichts des rapide steigenden Bedarfs zu qualvollen Entscheidungen.
Im humanitären Bedarfs- und Reaktionsplan (HNRP) für 2025 haben die Vereinten Nationen um 1,42 Milliarden US-Dollar für die Unterstützung von 4,6 Millionen Menschen in Somalia ersucht. Bislang sind jedoch nur 17 Prozent der benötigten Mittel eingegangen.
Brutale Mittelkürzungen haben humanitäre Hilfsorganisationen gezwungen, ihre Zielvorgaben um 72 Prozent zu senken und nun nur noch 1,3 Millionen Menschen zu Kosten von 367 Millionen US-Dollar Hilfe zukommen zu lassen.
Die Vereinte Nationen betonen, dass diese Reduzierung der Ziele keinen Rückgang des humanitären Bedarfs im Land widerspiegelt, da alle im HNRP dargelegten Anforderungen und geplanten Maßnahmen weiterhin gültig und dringlich sind.
„Die Reduzierung der humanitären Hilfe in Somalia bedeutet nicht, dass weniger Menschen Hilfe benötigen, sondern dass mehr als drei Millionen Somalier sich selbst überlassen bleiben“, sagte Mohamed Abdi, NRC-Länderdirektor in Somalia.
„Diese Kürzungen kosten Menschenleben. Wir beobachten bereits einen tödlichen Anstieg von durch Wasser übertragenen Krankheiten, insbesondere bei Kindern unter fünf Jahren. Familien laufen stundenlang, um Wasser zu finden, das oft schmutzig und unsicher ist, weil die Wasserstellen, auf die sie sich einst verlassen konnten, ausgetrocknet sind.“
Zwischen Januar und Juli dieses Jahres wurden in Somalia über 6.550 Fälle von Cholera und akutem wässrigem Durchfall gemeldet, darunter auch Todesfälle. Allein im vergangenen Monat wurden mehr als 1.000 neue Fälle registriert. Fast zwei Drittel der jüngsten Fälle waren schwer, und die Hälfte der Betroffenen waren Kinder unter fünf Jahren.
Diese sprunghaften Ausbrüche treten inmitten drastischer Kürzungen bei lebensrettenden Versorgungseinrichtungen auf. Über 150 Gesundheitseinrichtungen mussten aufgrund des Zusammenbruchs der damit verbundenen Wasser- und Sanitärsysteme schließen. Im Südweststaat ist die Zahl der mobilen Gesundheitsteams von 74 auf nur noch 25 geschrumpft, sodass große Teile der Bevölkerung keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
Von der Wasserkrise sind vor allem die am stärksten gefährdeten Menschen betroffen: Binnenvertriebene, die in überfüllten Lagern und ländlichen Aufnahmegemeinden leben und bereits seit Jahren unter Dürre, Konflikten und Armut leiden.
Zu den am schwersten betroffenen Regionen zählen Bay, Bakool, Gedo, Galgaduud, Hiraan, Mudug und Lower Shabelle. Viele Gemeinden in diesen Regionen waren auf humanitäre Wasserversorgungssysteme angewiesen, die nun aufgrund fehlender Finanzmittel nicht mehr funktionieren.
In mehreren Landesteilen Somalias herrscht schwere Dürre
Die Dürre in Teilen des Landes hat Brunnen vollständig ausgetrocknet und die Erträge von Bohrlöchern reduziert. In der Region Mudug haben sich die Wasserpreise von 70 auf 130 US-Dollar für 10.000 Liter fast verdoppelt, sodass Wasser für viele Familien unerschwinglich geworden ist.
Derweil suchen die Behörden in Puntland Hilfe für 800.000 Menschen, deren Wasserquellen erschöpft sind. In Somaliland benötigen 650.000 Menschen aufgrund einer Dürrekatastrophe dringend Hilfe, insbesondere in der Region Togdheer.
„Somalia wird durch die kombinierten Auswirkungen von anhaltenden Konflikten, extremen Wetterereignissen und einem starken Rückgang der internationalen Hilfe an den Rand des Abgrunds gedrängt“, sagte Abdi vom NRC.
„Wir sehen jeden Tag die menschlichen Kosten der Untätigkeit: in den leidenden Kindern, die zu schwach sind, um zu gehen, in den leeren Kanistern und in den vermeidbaren Todesfällen durch wasserbedingte Krankheiten. Dies ist eine von Menschen verursachte Katastrophe, die noch verhindert werden kann.“
Am Montag warnte auch das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), dass die schwere Dürre und Kürzungen der Finanzmittel die lebensrettende Hilfe in Somalia gefährden.
Schätzungsweise 2,5 Millionen Menschen leben in Gebieten, die derzeit in 26 Distrikten als mäßig oder schwer von Dürre betroffen eingestuft sind. Davon leben fast 900.000 in schwer betroffenen Gebieten in 16 Distrikten.
Das humanitäre Landesteam (HCT) hat kürzlich fünf der 26 betroffenen Distrikte, darunter Zeylac, Lughaye, Bossaso, Gaalkacyo und Hobyo, als vorrangig für lebensrettende Hilfe eingestuft.
Aufgrund der reduzierten Unterstützung für die Nothilfe schließen Gesundheitszentren, die Nahrungsmittelhilfe ist zurückgegangen und die Unterernährungsraten sind hoch, wie aus einem aktuellen Bericht des OCHA zur humanitären Lage hervorgeht.
Viele Einrichtungen für die Gesundheit von Müttern und Kindern sind entweder geschlossen oder arbeiten nur mit eingeschränkter Kapazität, da es an Ernährungshilfe und ambulanten Therapieprogrammen mangelt.
Laut OCHA, haben seit Anfang des Jahres Kürzungen der Finanzmittel die Gesundheits- und Ernährungsprogramme in Somalia erheblich eingeschränkt – eine große Gefahr für das ohnehin schon fragile Gesundheitssystem.
Von den Kürzungen sind wichtige Gesundheitseinrichtungen betroffen, darunter das Jowhar Maternity Hospital in Middle Shabelle, das Rabdhure District Hospital in Bakool und das Ceel-Waaq Health Center in Gedo.
Diese Einrichtungen sind für Tausende von Menschen eine Lebensader. Ihre Schließung würde den Verlust des Zugangs zur Gesundheitsversorgung bedeuten, was zu einem Anstieg der Mütter- und Kindersterblichkeit, der Cholera-Fälle und vermeidbarer Todesfälle führen dürfte.
Darüber hinaus hat die reduzierte Kapazität mobiler Kliniken, die zuvor abgelegene und vertriebene Gemeinden versorgten, dazu geführt, dass über 350.000 Menschen keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten wie Impfungen, Maßnahmen zur Bekämpfung von Epidemien, Krankheitsprävention und medizinischer Grundversorgung haben.
OCHA warnt davor, dass sich die Lage wahrscheinlich noch verschärfen wird, da viele Gesundheitsprojekte bis Dezember 2025 auslaufen, sollten keine neuen Finanzmittel bereitgestellt werden.
Rasch eskalierende Ernährungskrise
Humanitäre Hilfsorganisationen mahnen, dass sich die Krise in Somalia ohne dringende und nachhaltige Finanzmittel verschärfen und zu vermeidbarem Leid und Todesfällen führen wird. Sie fordern die internationale Gemeinschaft auf, rasch zu reagieren, um eine zunehmende Verschlechterung der humanitären Lage abzuwenden.
Die drastischen Mittelkürzungen kommen zu einer Zeit, in der Somalia mit einer sich rasch verschärfenden Ernährungskrise zu kämpfen hat, wobei die akute Unterernährungsrate angesichts eines starken Rückgangs der Ernährungszentren sprunghaft angestiegen ist.
Bis Mitte 2025 mussten aufgrund von Finanzierungsengpässen – die vor allem auf die Aussetzung der finanziellen Unterstützung durch die Vereinigten Staaten zurückzuführen sind – mehr als 300 Ernährungszentren geschlossen werden.
Somalia ist einer der weltweit am stärksten von Hunger betroffenen Länder. Derzeit leiden 4,6 Millionen Menschen an akutem Hunger, und Schätzungen zufolge werden in diesem Jahr voraussichtlich 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren akut unterernährt sein. Von diesen Kindern werden 479.000 wahrscheinlich schwer unterernährt sein.
Das Land leidet unter einer schweren und anhaltenden humanitären Krise, die durch Konflikte, Armut, weit verbreitete Vertreibung, klimatische Schocks, Krankheitsausbrüche und einen eingeschränkten Zugang zu Grundversorgung verschärft wird. Im Jahr 2025 wird etwa ein Drittel der somalischen Bevölkerung, also fast 6 Millionen Menschen, humanitäre Hilfe benötigen.
Allerdings sind mindestens 9,1 Millionen Somalier von einer Bevölkerung von 19,3 Millionen von der Krise betroffen. Andauernde Konflikte, eskalierende Gewalt zwischen Clans und extreme Wetterereignisse infolge des Klimawandels haben zu weitreichenden Vertreibungen geführt.
Etwa 4,5 Millionen Somalier sind weiterhin von Vertreibung betroffen. Davon leben 3,6 Millionen als Binnenvertriebene in Somalia und über 900.000 sind in Nachbarländer geflohen. In der ersten Hälfte des Jahres 2025 wurden in Somalia mehr als 225.000 Menschen durch Konflikte, Dürre und Überschwemmungen neu vertrieben.