Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) hat am Montag vor einer dramatischen Verschlechterung der Lage in El Fasher, der Hauptstadt des sudanesischen Bundesstaates Nord-Darfur, gewarnt. Diese Warnung erfolgt vor dem Hintergrund von Berichten, wonach die Rapid Support Forces (RSF) am Sonntag das Hauptquartier der sudanesischen Armee in der Stadt eingenommen haben. Angesichts der Lage hat der Leiter der humanitären Hilfe der Vereinten Nationen, Tom Fletcher, zu einem sofortigen Waffenstillstand in El Fasher, in der Darfurregion und im gesamten Sudan aufgerufen.
Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind zwischen Sonntag und Montag mehr als 26.000 Menschen aus El Fasher in Richtung der Ortschaften Melit und Tawila geflohen. Es gibt Berichte über eine weitere Eskalation der Kämpfe in El Fasher, die durch heftigen Beschuss und Bodenangriffe gekennzeichnet sind.
Grauenhafte Lage in El Fasher
Am Sonntag schlugen internationale Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die im Sudan tätig sind, Alarm wegen der schweren Eskalation der Gewalt in El Fasher. Sie betonten, dass Zivilisten, lokale Hilfskräfte und humanitäre Organisationen angesichts der sich verschärfenden Kämpfe und Belagerungsbedingungen, die den Zugang zu lebensrettender Hilfe stark einschränken, großen Gefahren ausgesetzt sind.
„Das Leben und die Würde von Hunderttausenden sudanesischen Zivilisten sowie die Sicherheit der lokalen humanitären Helfer, die an vorderster Front dieser Krise stehen, sind unmittelbar gefährdet. Die Eskalation der Gewalt in El Fasher ist nicht mehr eine Frage der zukünftigen Gefahr, sondern einer unmittelbar bevorstehenden Katastrophe“, so die NGOs.
„Wir fordern, dass unverzüglich Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung, zur Unterstützung der Helfer und zur Ermöglichung lebensrettender Hilfslieferungen ergriffen werden.“
Vor der jüngsten Vertreibung waren etwa 260.000 Zivilisten, darunter 130.000 Kinder, über 18 Monate lang in einer belagerten Stadt eingeschlossen – abgeschnitten von Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung. Durch den Zusammenbruch der Gesundheitseinrichtungen sind Tausende schwer unterernährte Kinder ohne Behandlung und stehen vor dem unmittelbaren Tod.
Die Bevölkerung von El Fasher leidet unter einer unerträglichen Verschlechterung der Lebensbedingungen und beispiellosem menschlichem Leid. Häuser, Märkte und Krankenhäuser wurden beschädigt oder zerstört, während Hilfsgüter und Handelsrouten weiterhin vollständig blockiert sind.
Während einer Pressekonferenz in Kuala Lumpur am Montag antwortete UN-Generalsekretär António Guterres auf die Frage eines Journalisten zu Berichten, wonach die RSF die Kontrolle über das Hauptquartier der SAF in der Stadt übernommen habe.
Guterres sagte, dies sei eine „schreckliche Eskalation” des Konflikts. Er betonte, es sei an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft allen Ländern, die sich in den Krieg einmischen und die Kriegsparteien mit Waffen versorgen, klar zu verstehen gebe, dass sie damit aufhören müssen.
„Denn das Ausmaß des Leids, das wir im Sudan erleben, ist unerträglich”, sagte er.
„Und es ist klar, dass wir nicht nur ein sudanesisches Problem mit der Armee und den Rapid Support Forces haben, die gegeneinander kämpfen, sondern dass wir zunehmend mit einer Einmischung von außen konfrontiert sind, die die Möglichkeit eines Waffenstillstands und einer politischen Lösung des Problems untergräbt.“
Am Sonntag forderte der Leiter der UN-Nothilfe, Tom Fletcher, einen sofortigen Waffenstillstand in El Fasher, in der gesamten Region Darfur und im übrigen Sudan.
„“Während die Kämpfer weiter in die Stadt vordringen und die Fluchtwege abgeschnitten sind, sind Hunderttausende Zivilisten gefangen und verängstigt – sie werden beschossen, hungern und haben keinen Zugang zu Nahrungsmitteln, medizinischer Versorgung oder Sicherheit“, sagte er.
„Sicherer, schneller und ungehinderter humanitärer Zugang muss allen Zivilisten in Not gewährt werden. Wir haben lebensrettende Hilfsgüter bereitstehen, aber die verstärkten Angriffe machen es uns unmöglich, Hilfe zu leisten. Lokale humanitäre Helfer retten weiterhin unter Beschuss Leben.“
Fletcher betonte die dringende Notwendigkeit, die Zivilbevölkerung in El Fasher zu schützen.
„Zivilisten muss sicheres Geleit gewährt werden und sie müssen Zugang zu Hilfe erhalten. Diejenigen, die in sicherere Gebiete fliehen, müssen dies sicher und in Würde tun können. Diejenigen, die bleiben – einschließlich der lokalen Helfer – müssen geschützt werden“, sagte er.
„Angriffe auf Zivilisten, Krankenhäuser und humanitäre Hilfsmaßnahmen müssen sofort eingestellt werden.“
Verheerende Lage in Tawila
Derweil sind OCHA-Teams vor Ort in Melit und Tawila, um die Lage zu beurteilen und die Hilfsmaßnahmen für die betroffene Bevölkerung zu koordinieren.
Am Montag erklärte die Nichtregierungsorganisation International Rescue Committee (IRC), sie sei zutiefst alarmiert über die sich verschlechternde humanitäre Lage, nachdem weiterhin Tausende aus El Fasher in Richtung Tawila fliehen, um dort Sicherheit zu suchen.
In den vergangenen Wochen sind Tausende neu vertriebene Menschen in Tawila angekommen und haben sich den rund 400.000 Menschen angeschlossen, die bereits dorthin vertrieben wurden, was zu einer enormen Belastung der begrenzten Ressourcen und Versorgungsleistungen geführt hat.
Laut IRC können trotz der laufenden Bemühungen humanitärer Organisationen nur etwa 50 Prozent der Grundbedürfnisse in Tawila gedeckt werden, wobei die Familien in überfüllten Notunterkünften leben und nur begrenzten Zugang zu sauberem Wasser, Nahrungsmitteln und medizinischer Versorgung haben.
Das IRC warnt davor, dass die massive Ankunft von Vertriebenen die bestehenden Strukturen überfordert und Tausende ohne die notwendigste Unterstützung zurücklässt.
"Die Menschen, die aus El Fasher kommen, stammen aus einer Stadt, die man nur als Höllenlandschaft bezeichnen kann, eine Stadt, die durch Konflikte, Zerstörung und Verzweiflung zerrissen ist. Sie kommen mit nichts als den Kleidern, die sie am Leib tragen, sind schwer traumatisiert und suchen Sicherheit und Unterstützung", sagte Arjan Hehenkamp, Leiter der Darfur-Krisenhilfe des IRC.
"Aber Tawila selbst ist am Rande des Zusammenbruchs. Ohne eine erhebliche Ausweitung der humanitären Hilfe wird sich das Leid hier weiter verschärfen."
Schockierendes Ausmaß an Gewalt auch in Nord-Kordofan
Auch im Bundesstaat Nord-Kordofan haben sich die Kämpfe verschärft. Berichten zufolge wurden dort am Wochenende Dutzende Zivilisten getötet und Infrastruktur geplündert. Heute meldete die Ärztevereinigung Sudan Doctors Network, dass in der Stadt Bara 47 Zivilisten getötet wurden. Nach Angaben des Netzwerks haben die Rapid Support Forces die unbewaffneten Zivilisten, darunter 9 Frauen, in ihren Häusern in Bara hingerichtet.
Die Ärztevereinigung forderte die Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und Menschenrechtsorganisationen auf, unbewaffnete Zivilisten in Bara und im gesamten Sudan zu schützen und eine dringende internationale Untersuchung einzuleiten, um die Anführer der RSF zur Rechenschaft zu ziehen.
Der Konflikt im Sudan ist geprägt von schockierender Gewalt und Brutalität gegenüber Zivilisten, insbesondere in den Regionen Darfur und Kordofan. Vornehmlich die RSF wird beschuldigt, Massenmorde und Vergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung einzusetzen. Allerdings sind beide Kriegsparteien in schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verwickelt.
Zehntausende wurden aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit angegriffen, was zu Tod, Verletzungen, Misshandlung und Ausbeutung geführt hat und immer mehr Menschen dazu zwingt, vor der Gewalt zu fliehen. Menschenrechtsermittler haben beunruhigende Beweise gefunden, die darauf hindeuten, dass Zivilisten gezielt angegriffen, vertrieben und ausgehungert wurden.
Sudan - die größte humanitäre Krise weltweit
Der Sudan durchlebt derzeit die größte humanitäre Krise weltweit. Über 30 Millionen Menschen, darunter fast 15 Millionen Kinder, benötigen dringend Unterstützung. Der brutale Konflikt, der im April 2023 begann, hat grundlegende Einrichtungen wie das Gesundheits- und Bildungswesen zerstört.
Im vergangenen Jahr wurde in mehreren Teilen des Sudan eine Hungersnot bestätigt, und die Hungersituation ist nach wie vor katastrophal, insbesondere für Kinder. Die Unterernährungsraten sind in die Höhe geschnellt, und Tausende sind ohne sofortige Nahrungsmittel- und Ernährungshilfe vom Tod bedroht.
Aufgrund des Krieges ist der Sudan mit der weltweit größten Hungerkrise konfrontiert. Im ganzen Land leiden etwa 25 Millionen Menschen unter akutem Hunger. Davon sind mindestens 638.000 von einer katastrophalen Ernährungsunsicherheit (IPC-Phase 5) betroffen, und 8,1 Millionen befinden sich in einer Notlage (IPC-Phase 4).
Mit Stand vom Oktober sind über 9,6 Millionen Frauen, Männer und Kinder weiterhin Binnenvertriebene, darunter 2,4 Millionen, die vor April 2023 aus ihren Häusern fliehen mussten. Damit ist der Sudan das Land mit der weltweit größten Binnenvertreibungskrise.
Weitere 4,5 Millionen Menschen sind über die Grenzen in andere Länder geflohen und haben sich zu den mindestens 500.000 Sudanesen gesellt, die bereits vor der Eskalation des Krieges geflohen waren. Die Gesamtzahl der sudanesischen Flüchtlinge wird derzeit auf über 5 Millionen geschätzt.
Insgesamt wurden durch die Konflikte im Sudan rund 15 Millionen Menschen vertrieben, was die Situation zur mit Abstand größten Vertreibungskrise in der Welt macht.