Zum Abschluss ihres fünftägigen Besuchs in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) erklärte die stellvertretende UN-Leiterin für humanitäre Hilfe, Joyce Msuya, am Freitag, dass sich das Land an einem Scheideweg befinde, und forderte globale Solidarität mit den Menschen in Not. Sie betonte, dass es nun an der Zeit sei, die fragile Stabilität durch gemeinsame Bemühungen in den Bereichen Humanitäre Hilfe, Entwicklung und Frieden in einen dauerhaften Fortschritt umzuwandeln.
Während ihres Besuchs traf Msuya, die gleichzeitig das Amt der stellvertretenden UN-Nothilfekooridantorin innehat, in der Hauptstadt Bangui mit hochrangigen Regierungsvertretern, darunter Premierminister Félix Moloua, zusammen, bevor sie nach Zemio im Südosten, Bria im Zentrum und Birao im Nordosten reiste, wo sie mit vertriebenen Familien, Gemeindevorstehern und lokalen Helfern sprach.
„In der Zentralafrikanischen Republik haben Binnenvertriebene Familien alles verloren. Die Lebensgrundlagen sind dürftig, und wie immer leiden Frauen und Mädchen am meisten. Dennoch ist der Wille zum Wiederaufbau groß. Die Unterstützung durch Geber ist weiterhin von entscheidender Bedeutung“, erklärte sie am Mittwoch.
Nach einem Treffen mit humanitären Teams, die in Zemio, Bria und Birao im Einsatz sind, würdigte sie den Mut und das Engagement derjenigen, die an vorderster Front der Krise stehen.
„Lokale Helfer sind das Rückgrat der Hilfe – sie leisten lebensrettende Unterstützung, stehen den Gemeinden zur Seite und halten trotz immenser Herausforderungen die Hoffnung am Leben“, sagte sie am Donnerstag.
Msuya stellte fest, dass der humanitäre Bedarf zwar nach wie vor hoch ist und mehr als jeder Dritte Hilfe benötigt, dass aber die verbesserte Sicherheitslage in einigen Regionen es Vertriebenen ermöglicht hat, in ihre Heimat zurückzukehren und ihr Leben wieder aufzubauen.
Sie kündigte außerdem eine Zuweisung von 8 Millionen US-Dollar aus dem Humanitären Fonds für die Zentralafrikanische Republik für dringende Maßnahmen in Zemio und Birao an.
Msuya betonte die Notwendigkeit einer nachhaltigen internationalen Solidarität und fügte hinzu, dass die Menschen in der ZAR keine Almosen verlangen, sondern Würde, Stabilität und die Chance, ihre eigene Zukunft zu gestalten.
„Überall, wo ich in der Zentralafrikanischen Republik hingekommen bin, habe ich Engagement in Aktion gesehen – Gemeinden, die die Führung übernehmen, Partner, die Unterstützung leisten, Leben, die wieder aufgebaut werden", sagte die stellvertretende Leiterin der UN-Nothilfe am Freitag.
"Bei der humanitären Arbeit hier geht es um mehr als nur Hilfe – es geht darum, Würde wiederherzustellen."
Eine der am meisten vernachlässigten humanitären Krisen weltweit
Seit mehreren Jahren in Folge ist die Zentralafrikanische Republik eine der am meisten vernachlässigten humanitären Krisen weltweit. Das seit 2012 von gewalttätigen Konflikten heimgesuchte Land benötigt dringend Unterstützung. Im Jahr 2025 sind fast 40 Prozent der Bevölkerung, darunter etwa 1,1 Millionen Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Seit über einem Jahrzehnt ist die ZAR von Konflikten und der anhaltenden Präsenz bewaffneter Gruppen betroffen.
Die Zivilbevölkerung ist weiterhin Gewalt ausgesetzt, darunter Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen, geschlechtsspezifische Gewalt und andere Verstöße gegen die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht sowie die Auswirkungen von Naturkatastrophen im Zusammenhang mit dem Klimawandel, wie beispielsweise Überschwemmungen. All diese Faktoren tragen zu neuen Vertreibungen bei.
Jeder sechste Zentralafrikaner ist aufgrund von Konflikten, Gewalt, mangelnder Grundversorgung und extremen Wetterereignissen innerhalb oder außerhalb des Landes, hauptsächlich in Nachbarländern, vertrieben worden.
Die Gesamtzahl der Vertriebenen übersteigt 1,1 Millionen, darunter mehr als 674.000 Flüchtlinge in Nachbarländern und etwa 447.000 Binnenvertriebene, von denen 85 Prozent bei Gastfamilien untergebracht sind.
Trotz der jüngsten Verbesserungen der Sicherheitslage ist der humanitäre Bedarf im Land nach wie vor akut. Nach Angaben des Amtes der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) sind etwa 38 Prozent der Bevölkerung so extrem gefährdet, dass „humanitäre Hilfe allein nicht ausreicht, um ihr Wohlergehen zu gewährleisten“.
Vertreibung, Konflikte und Unsicherheit bestimmen weiterhin die Krise
Obwohl sich die Sicherheitslage in bestimmten Teilen des Landes verbessert hat, ist die allgemeine Sicherheitslage in einigen Gebieten, insbesondere im Nordwesten und Osten und in geringerem Maße auch im Zentrum, weiterhin alarmierend. Es kommt immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Konfliktparteien und zu Angriffen auf Zivilisten und Infrastruktur wie Schulen und Krankenhäuser.
OCHA berichtete kürzlich, dass erneute Gewalt im Südosten der Zentralafrikanischen Republik humanitäre Einsätze behindere. In der Präfektur Haut-Mbomou beispielsweise flammten im letzten Monat Kämpfe auf, die die Menschen zur Flucht aus ihren Häusern zwangen. Humanitäre Helfer wurden angegriffen und Hilfskonvois geplündert.
Im September wurde über gewalttätige Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppen in und um Am Dafok berichtet, einer Stadt an der Grenze zwischen der Zentralafrikanischen Republik und dem Sudan im Norden. Mehrere Dörfer wurden angegriffen, Häuser in Brand gesteckt und zivile Opfer waren zu beklagen.
Seit April 2023 hat die Zentralafrikanische Republik fast 45.000 sudanesische Flüchtlinge und zentralafrikanische Rückkehrer aufgenommen, die vor dem Krieg im Sudan geflohen sind, vor allem über die Grenze bei Am Dafok. Darüber hinaus hatte die ZAR über 31.000 tschadische Flüchtlinge aufgenommen, von denen mehr als 20.000 im Jahr 2024 spontan in den Tschad zurückgekehrt sind.
Mit einem Sechstel der Bevölkerung, das zur Flucht gezwungen wurde, verzeichnet die Zentralafrikanische Republik nach dem Sudan und dem Südsudan den dritthöchsten Anteil an Vertriebenen in Afrika. Die meisten Flüchtlinge sind nach Kamerun, in die Demokratische Republik Kongo und in den Tschad geflohen.
Trotz aller Herausfoderungem hat sich die humanitäre Lage in der ZAR in den letzten drei Jahren deutlich verbessert, da sich die Sicherheitslage in einigen Gebieten entspannt hat. Dadurch konnten sich seit 2022 Hunderttausende Menschen vor Ort integrieren oder in ihre Herkunftsgebiete zurückkehren.
Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit bedroht
Nach der jüngsten Analyse der Integrierten Klassifizierung der Ernährungssicherheit (IPC) litten zwischen April 2024 und August 2025 etwa 2,2 Millionen Menschen – etwa jeder Dritte – unter einer hohen akuten Ernährungsunsicherheit, die als IPC-Phase 3 oder schlimmer eingestuft wurde. Darunter waren 481.000 Menschen, die unter akuter Ernährungsunsicherheit in einer Notlage (IPC-Phase 4) litten, und 1,74 Millionen Menschen, die unter akuter Ernährungsunsicherheit in einer Krisenlag (IPC-Phase 3) litten.
Von September 2025 bis März 2026 wird sich die Ernährungssicherheit voraussichtlich wieder verbessern, wobei schätzungsweise 1,83 Millionen Menschen in der IPC-Phase 3 oder schlechter eingestuft werden. Davon fallen 287.000 in die Phase 4 und 1,54 Millionen in die Phase 3.
Unterdessen leiden mehr als 228.000 Kinder unter fünf Jahren an akuter Unterernährung oder werden voraussichtlich daran leiden, darunter über 61.500 Kinder mit schwerer akuter Unterernährung (SAM).
Laut IPC wird sich die Ernährungssituation von September 2025 bis Februar 2026 aufgrund der hohen Krankheitsrate, beispielsweise durch Durchfall, Malaria und akute Atemwegsinfektionen, vermutlich erheblich verschlechtern.
In diesem Jahr wollen humanitäre Organisationen 1,8 Millionen der am stärksten gefährdeten Zentralafrikaner unterstützen, wofür sie 326,1 Millionen US-Dollar benötigen. Bislang sind jedoch nur 92,8 Millionen US-Dollar – weniger als 29 Prozent – der erforderlichen Mittel eingegangen.
Fragiler Frieden durch anhaltende Gewalt und politische Unsicherheit untergraben
Der jüngste Bericht des Unabhängigen Sachverständigen der Vereinten Nationen zur Menschenrechtslage in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR), der im August veröffentlicht wurde, zeichnet ein Bild von fragiler Ruhe, die von anhaltender Gewalt, institutioneller Schwäche und einem unsicheren Friedensprozess überschattet wird, während die allgemeine Menschenrechtslage weiterhin prekär bleibt.
Der Bericht von Yao Agbetse, der den Zeitraum von Juli 2024 bis Juni 2025 abdeckt, schließt ein sechsjähriges Mandat ab, in dem die langsame und ungleichmäßige Erholung des Landes vom Konflikt dokumentiert wurde.
Obwohl die jüngsten Friedensinitiativen und Justizreformen Anzeichen für Fortschritte zeigen, warnt der Unabhängige Experte, dass diese Erfolge fragil sind und durch Unsicherheit, politische Spannungen und den allgegenwärtigen Einfluss ausländischer bewaffneter Akteure bedroht werden.
Das Berichtsjahr war geprägt von der Unterzeichnung des Friedensabkommens von N'Djamena im April 2025 zwischen der Regierung und zwei großen bewaffneten Gruppen: Retour, Réclamation et Réhabilitation (3R) und Unité pour la Paix en Centrafrique (UPC). Das Abkommen weckte neue Hoffnungen auf einen erneuten Friedensprozess, doch in mehreren Regionen hielt die Gewalt an.
Bewaffnete Gruppen – darunter auch Fraktionen, die frühere Abkommen unterzeichnet hatten – begehen weiterhin Gräueltaten wie Morde, sexuelle Gewalt, Folter und Vertreibung. Der Bericht dokumentiert allein für das Jahr 2024 über 2.800 Menschenrechtsverletzungen und weitere 1.600 Fälle in der ersten Hälfte des Jahres 2025.
Obwohl sich die Struktur und Ausbildung der nationalen Sicherheitskräfte verbessert haben, sind auch sie in willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Tötungen und Misshandlungen von Häftlingen verwickelt. Russische Streitkräfte, die gemeinsam mit nationalen Truppen operieren, werden der Erpressung, Gewalt und der Einrichtung illegaler Kontrollpunkte beschuldigt.
„Die anhaltenden Übergriffe trotz Friedensabkommen zeigen, dass der Kreislauf der Straflosigkeit ungebrochen ist“, bemerkt Agbetse.
Wahlen im Dezember 2025
Während sich die Zentralafrikanische Republik auf die kombinierten Kommunal-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im Dezember 2025 vorbereitet, wachsen die Bedenken hinsichtlich der administrativen Dysfunktionalität innerhalb der Nationalen Wahlbehörde (NEA).
Der Unabhängige Menschenrechtsexperte warnt, dass die Nichteinhaltung verfassungsmäßiger Fristen aufgrund institutioneller Schwächen und Verzögerungen eine politische Krise auslösen könnte.
Obwohl Dezentralisierung und Reformen der lokalen Verwaltung für die Wiederherstellung der staatlichen Autorität unerlässlich sind, kommen diese Reformen nur langsam voran. Die Verschiebung der ursprünglich für August geplanten Kommunalwahlen hat das Vertrauen der Öffentlichkeit weiter untergraben.
Da mehr als zwei Drittel der Bevölkerung des Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, fordert der Bericht die Geber auf, ihre Unterstützung für ein Land fortzusetzen, dessen Institutionen „zu fragil sind, um auf eigenen Beinen zu stehen“.
„Die Zentralafrikanische Republik befindet sich nach wie vor am Scheideweg zwischen Frieden und Rückfall“, schlussfolgerte Agbetse.
„Ohne nachhaltige internationale Unterstützung und ein echtes nationales Engagement für Gerechtigkeit und Versöhnung wird die Menschenrechtslage weiterhin prekär bleiben.“