Vier Sonderorganisationen der Vereinten Nationen fordern die internationale Gemeinschaft auf, sich dringend mit dem immensen Leid und den wachsenden Gefahren für die sudanesische Bevölkerung zu befassen. Über 900 Tage brutaler Kämpfe, weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen, Hungersnot und der Zusammenbruch grundlegender Versorgungssysteme haben Millionen Menschen, insbesondere Frauen und Kinder, an den Rand des Überlebens gebracht.
In einer gemeinsamen Erklärung, die am Donnerstag veröffentlicht wurde, beschrieben hochrangige Vertreter der Internationalen Organisation für Migration (IOM), des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR), des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) und des Welternährungsprogramms (WFP) die verheerenden Auswirkungen der Krise, die sie während ihrer jüngsten Besuche im gesamten Sudan, einschließlich der Region Darfur, der Hauptstadt Khartum und anderen von Konflikten betroffenen Gebieten, beobachten mussten.
Die vier UN-Organisationen fordern gemeinschaftlich eine sofortige Einstellung der Feindseligkeiten und den Schutz der Zivilbevölkerung – insbesondere der Kinder – sowie ungehinderten humanitären Zugang zu allen betroffenen Bevölkerungsgruppen, einschließlich einer Präsenz der Vereinten Nationen im gesamten Land und vereinfachten Verfahren für die Bereitstellung von Hilfsgütern und die Entsendung von Personal.
Sie riefen außerdem zu einer dringenden und flexiblen Finanzierung auf, um lebensrettende Maßnahmen auszuweiten, dauerhafte Lösungen für Vertriebene (einschließlich Rückkehrer und Aufnahmegemeinschaften) zu unterstützen und die Binnenvertriebenen und die fast 900.000 Flüchtlinge im Sudan, die internationalen Schutz benötigen, weiterhin zu unterstützen.
In ihrer Stellungnahme bekräftigten IOM, UNHCR, UNICEF und WFP ihre Entschlossenheit, gemeinsam lebensrettende Hilfe und Schutz für Kinder und Familien im gesamten Sudan zu leisten. Sie warnen jedoch davor, dass humanitären Hilfsorganisationen nicht alleine handeln können. Die UN-Organisationen betonen, dass die Welt die notwendigen Mittel und Unterstützung bereitstellen muss, um diese Notlage zu bewältigen.
Die größte humanitäre Krise der Welt
Der Sudan erlebt derzeit die größte humanitäre Krise der Welt: Über 30 Millionen Menschen, darunter fast 15 Millionen Kinder, benötigen dringend Unterstützung. Der brutale Konflikt, der im April 2023 begann, hat wichtige Lebensbereiche wie Gesundheitsversorgung und Bildung zerstört.
Etwa 14 Millionen Kinder im schulpflichtigen Alter können keine Schule besuchen, und ganze Gemeinden wurden vertrieben. Familien mussten um ihr Leben fliehen und sind Menschenrechtsverletzungen und schwerwiegenden Schutzrisiken ausgesetzt.
Im vergangenen Jahr wurde in Teilen des Sudan Hungersnot bestätigt, und die Hungersituation ist nach wie vor katastrophal, wobei Kinder am stärksten betroffen sind. Die Unterernährungsraten sind in die Höhe geschnellt, und Tausende sind ohne sofortige Nahrungsmittel- und Ernährungshilfe vom Tod bedroht.
Mit Stand von Oktober 2025 sind über 9,6 Millionen Frauen, Männer und Kinder innerhalb des Landes auf der Flucht, darunter 2,4 Millionen, die bereits vor April 2023 vertrieben wurden. Damit ist der Sudan das Land mit der größten Binnenvertreibungskrise weltweit.
Weitere 4,5 Millionen Menschen sind über die Grenzen in andere Länder geflohen und haben sich den mindestens 500.000 Sudanesen angeschlossen, die bereits vor der Eskalation des Krieges geflohen waren. Die Gesamtzahl der sudanesischen Flüchtlinge wird derzeit auf über 5 Millionen geschätzt.
Insgesamt sind derzeit etwa 15 Millionen Menschen durch die Konflikte im Sudan vertrieben, was das Land zur mit Abstand größten Vertreibungskrise weltweit macht.
Rückkehrer haben keinen Zugang zu grundlegender Versorgung
Während in den jüngsten Monaten etwa 2,6 Millionen Menschen in ihre Heimat zurückgekehrt sind, da die Kämpfe in Khartum und anderen Teilen des Landes nachgelassen haben, fanden viele ihre Häuser und Nachbarschaften beschädigt oder zerstört vor, womit ihnen der Zugang zu lebenswichtiger Versorgung verwehrt bleibt. Seit Anfang 2025 sind allein nach Khartum mehr als 1 Million Menschen zurückgekehrt.
„Das Ausmaß der Rückkehr nach Khartum ist sowohl ein Zeichen der Widerstandsfähigkeit als auch eine Mahnung“, sagte Ugochi Daniels, stellvertretende Generaldirektorin für Operationen der IOM, die gerade von einer Reise in den Sudan zurückgekehrt ist.
„Ich habe Menschen getroffen, die in eine Stadt zurückkehren, die noch immer von Konflikten gezeichnet ist, in der Häuser beschädigt sind und grundlegende Versorgungsdienste kaum funktionieren.“
Daniels hob die bemerkenswerte Entschlossenheit der Rückkehrer hervor, den Wiederaufbau voranzutreiben, betonte jedoch, dass das Leben nach wie vor unglaublich fragil sei.
„Im gesamten Sudan breiten sich Cholera, Dengue-Fieber und Malaria aus, was Investitionen in sauberes Wasser, Gesundheitsversorgung und andere lebenswichtige Dienste noch dringlicher macht, damit die Menschen wirklich neu beginnen können“, fügte sie hinzu.
Brennpunkte in den Regionen Darfur und Kordofan
Nach Angaben der UN-Organisationen ist der Zugang zu den am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen nach wie vor stark eingeschränkt. Humanitäre Helfer sehen sich mit Unsicherheit, bürokratischen Hindernissen und logistischen Herausforderungen konfrontiert, was die Bereitstellung lebensrettender Hilfe extrem erschwert. Angriffe auf Zivilisten sind nach wie vor weit verbreitet, während Frauen und Mädchen weiterhin einem hohen Risiko konfliktbezogener sexueller Gewalt ausgesetzt sind.
Die Lage in den sudanesischen Regionen Darfur und Kordofan ist äußerst besorgniserregend, wobei der humanitäre Bedarf weiter steigt. Die Gemeinden werden immer isolierter, und der Zusammenbruch kritischer Versorgungssysteme macht Millionen Menschen schutzlos. Humanitäre Organisationen unternehmen alle Anstrengungen, um Zivilisten in Gebieten zu erreichen, in denen Kinder und Familien unter Bedingungen leben, die ihr Überleben gefährden.
„Dies ist eine der schlimmsten Schutzkrisen, die wir seit Jahrzehnten erlebt haben“, sagte Kelly T. Clements, stellvertretende Hochkommissarin des UNHCR, nach einem Besuch in Flüchtlingslagern in Port Sudan und in der Umgebung von Khartum.
„Millionen Menschen sind innerhalb und außerhalb des Landes auf der Flucht, und zurückkehrende Familien erhalten kaum Unterstützung, zumal ihnen keine anderen Optionen zur Verfügung stehen.“
Lage in El Fasher bleibt katastrophal
In El Fasher, der Hauptstadt des Bundesstaates Nord-Darfur, leben über 260.000 Zivilisten, darunter 130.000 Kinder, die seit über 16 Monaten unter Belagerung stehen – abgeschnitten von Nahrungsmitteln, Wasser und medizinischer Versorgung. Die Gesundheitseinrichtungen sind zusammengebrochen, sodass Tausende schwer unterernährte Kinder ohne Behandlung sind und dem sicheren Tod entgegensehen.
Die Lage in El Fasher bleibt katastrophal, und ein Ende ist nicht in Sicht. Am Dienstag und Mittwoch wurde aus der ganzen Stadt und aus Korma, einer 80 Kilometer entfernten Stadt, von schweren Zusammenstößen und Drohnenangriffen berichtet, was eine der intensivsten Eskalationen der letzten Tage darstellt.
Clements sagte, sie habe mit Familien gesprochen, die kürzlich aus El Fasher geflohen sind und schreckliche Geschichten darüber erzählten, wie sie gezwungen waren, alles zurückzulassen und „gefährliche Routen unter großem Risiko zu nehmen. Es ist eine dynamische Situation, und überall wird Hilfe benötigt.“
Täglich häufen sich Berichte über Morde, sexuelle Gewalt und Zwangsrekrutierungen. In der Region Kordofan sind Städte wie Dilling und Kadugli seit Monaten von der Außenwelt abgeschnitten. Die Familien dort leiden unter zerstörten Wasserversorgungssystemen und nicht funktionierenden Gesundheitseinrichtungen. Unterdessen breiten sich Cholera und Masern ungehindert aus.
„Was ich diese Woche in Darfur und anderswo gesehen habe, erinnert uns auf erschreckende Weise daran, was auf dem Spiel steht: Kinder, die Hunger, Krankheiten und dem Zusammenbruch grundlegender Versorgungsdienste ausgesetzt sind“, sagte Ted Chaiban, stellvertretender Exekutivdirektor von UNICEF.
„Ganze Gemeinschaften leben unter Bedingungen, die ihrer Würde widersprechen. Kinder sind unterernährt, Gewalt ausgesetzt und laufen Gefahr, an vermeidbaren Krankheiten zu sterben.“
Finanzierungslücken gefährden Millionen von Menschenleben
Der Mangel an finanziellen Mitteln verschärft die Krise zusätzlich. Der humanitäre Reaktionsplan für den Sudan für das Jahr 2025 beläuft sich auf insgesamt 4,2 Milliarden US-Dollar, ist jedoch mit nur 25 Prozent weiterhin kritisch unterfinanziert. Bislang sind nur 1,1 Milliarden US-Dollar eingegangen, was den Umfang und die Fortführung der Nothilfemaßnahmen gefährdet.
Im Northern State beispielsweise verschlechtert sich die Gesundheitssituation in der Ortschaft Ad-Dabah, da die Krankenhäuser mit einem gravierenden Mangel an Medikamenten und Hilfsgütern zu kämpfen haben. Die für November geplante Schließung eines großen Gesundheitsprojekts droht eine kritische Lücke in der Grundversorgung für Tausende von Vertriebenen aus den Regionen Darfur und Kordofan zu hinterlassen.
„Die Familien tun alles, um zu überleben, und zeigen angesichts unvorstellbarer Not eine außergewöhnliche Entschlossenheit“, sagte Chaiban.
„Es ist klar, dass die UN und ihre Partner reagieren, aber die Entschlossenheit der Familien muss durch dringende globale Maßnahmen zur Beendigung des Konflikts ergänzt werden.“
Trotz der enormen Herausforderungen haben die humanitären Hilfsmaßnahmen im Sudan in diesem Jahr bisher über 13,5 Millionen Menschen erreicht, darunter auch diejenigen in den am stärksten betroffenen Gebieten darunter Darfur, Kordofan, Khartum und Al Jazira.
Ohne zusätzliche Finanzmittel werden die humanitären Organisationen jedoch gezwungen sein, lebensrettende Maßnahmen zurückzufahren, wodurch Millionen von Menschenleben gefährdet werden.
Kämpfe und Drohnenangriffe breiten sich im Sudan aus
Ebenfalls am Donnerstag warnte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), dass die eskalierende Gewalt weiterhin Zivilisten in mehreren Regionen des Sudan gefährdet, da sich Drohnenangriffe und Kämpfe über Darfur hinaus auf andere Bundesstaaten ausgeweitet haben.
Das humanitäre Amt äußerte sich besorgt darüber, dass der Einsatz von Luftangriffen in dicht besiedelten Gebieten in den letzten Tagen die Zivilbevölkerung weiter gefährdet und die Versorgung mit lebensnotwendigen Dingen erschwert hat.
Seit Dienstag wurden mehrere Zwischenfälle in den Bundesstaaten Khartum, Blauer Nil, Nord-Kordofan und Sennar gemeldet. Am Donnerstag gab es Berichte über Drohnenangriffe auf den Flughafen von Khartum, die bereits den dritten Tag in Folge stattfanden und die Wiedereröffnung des Flughafens nach mehr als zwei Jahren Schließung gefährden.
Unterdessen lösten Angriffe in den Städten Sennar, Damazine und El Obeid weitreichende Stromausfälle aus. Im Bundesstaat Süd-Darfur ist die Unsicherheit in der Hauptstadt Nyala weiterhin hoch, wo es immer wieder Berichte über Drohnenangriffe gibt.
OCHA bekräftigte erneut, dass Zivilisten geschützt werden müssen, wichtige Infrastruktur niemals angegriffen werden darf und ein sicherer Zugang für humanitäre Hilfe gewährleistet sein muss. Alle Kriegsparteien müssen die Feindseligkeiten unverzüglich einstellen und sich an das humanitäre Völkerrecht halten.