Angesichts der schwersten Mittelkürzungen, die jemals den internationalen humanitären Sektor getroffen haben, hat der Leiter der UN-Nothilfe am Montag einen globalen Hilfsappell höchster Priorität vorgestellt. Der Appell zielt darauf ab, weltweit 114 Millionen Menschen in lebensbedrohlicher Not zu helfen. Der 29-Milliarden-Dollar-Plan priorisiert den im Dezember letzten Jahres vorgestellten Globalen Humanitären Überblick (GHO) für 2025 weiter, ersetzt ihn jedoch nicht.
„Wir sind gezwungen, eine Triage der menschlichen Überlebenschancen vorzunehmen“, sagte Tom Fletcher, Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator.
„Die Zahlen sind grausam und die Folgen sind herzzerreißend. Zu viele Menschen werden nicht die Unterstützung erhalten, die sie brauchen, aber wir werden mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln so viele Leben wie möglich retten.“
Der GHO deckt mehr als 70 Länder und Gebiete mit humanitärem Bedarf ab, darunter auch Länder, die Flüchtlinge aufgenommen haben. Er zielt darauf ab, fast 180 Millionen schutzbedürftige Menschen von insgesamt etwa 300 Millionen Menschen, die humanitäre Hilfe benötigen, zu unterstützen, und erfordert derzeit 44 Milliarden US-Dollar.
Bis heute – knapp zur Jahresmitte – sind nur 5,6 Milliarden US-Dollar der benötigten Mittel eingegangen – weniger als 13 Prozent.
Laut dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) standen bei der Neugewichtung der einzelnen Länderpläne im Rahmen der Priorisierung lebensrettender Maßnahmen zwei Hauptziele im Vordergrund:
Erstens, die Menschen und Orte mit dem dringendsten Bedarf zu erreichen, wobei die Schwere der humanitären Notlage anhand einer Skala bewertet wurde. Ausgangspunkt waren Gebiete der Stufen 4 und 5, die „extreme oder katastrophale Bedingungen“ aufweisen.
Zweitens wurde lebensrettende Hilfe auf der Grundlage der Planung für die humanitären Maßnahmen im Jahr 2025 priorisiert, um sicherzustellen, dass die begrenzten Ressourcen „so schnell wie möglich dort eingesetzt werden, wo sie den größten Nutzen bringen“.
OCHA teilte mit, dass humanitäre Hilfsorganisationen in den neu priorisierten Hilfsplänen weiterhin den Schwerpunkt auf den Schutz der Menschen legen. Anstatt lebensrettende Hilfe auf eine feste Liste zu beschränken, konzentrieren sich die Organisationen darauf, die dringendsten Bedürfnisse unter Wahrung der Würde der Betroffenen zu decken, einschließlich der Bereitstellung von Bargeldhilfen, wenn möglich, damit die Menschen selbst entscheiden können, was sie am dringendsten benötigen.
„Brutale Mittelkürzungen stellen uns vor brutale Entscheidungen“, so Fletcher heute, an die Geber gerichtet.
„Wir bitten nur um 1 Prozent dessen, was Sie letztes Jahr für Krieg ausgegeben haben. Aber dies ist nicht nur ein Appell für Geld – es ist ein Aufruf zu globaler Verantwortung, zu menschlicher Solidarität und zu einer Verpflichtung, das Leiden zu beenden.“
Nach Angaben des International Institute for Strategic Studies (IISS) beliefen sich die gesamten Militärausgaben im Jahr 2024 weltweit auf 2,46 Billionen US-Dollar – das entspricht 6,74 Milliarden US-Dollar pro Tag. Der Appell, dem höchste Priorität eingeräumt wird, erfordert 29 Milliarden US-Dollar, was etwa 1,2 Prozent der weltweiten Militärausgaben im Jahr 2024 entspricht und vermutlich 2025 sogar noch weniger, da die Militärausgaben weltweit steigen.
Mittlerweile sind weltweit Millionen von Menschenleben aufgrund der kritischen Krise der globalen humanitären Finanzierung in Gefahr.
Ausgabenkürzungen für humanitäre Hilfe durch die neue US-Regierung, die Ende Januar 2025 ihr Amt antrat, haben die Krise ausgelöst. Die US-Regierung hat den Großteil der US-amerikanischen humanitären Hilfsgelder gestrichen und ist dabei, die weltweit größte staatliche Hilfsorganisation aufzulösen.
Die weltweite humanitäre Hilfe ist 2025 aufgrund dieser extremen Kürzungen der US-Finanzmittel drastisch zurückgegangen. Aber auch andere wichtige Geberländer wie Großbritannien und Deutschland haben ihre Unterstützung eingeschränkt. Obschon die weltweiten Finanzmittel trotz steigendem Bedarf seit 2022 rückläufig sind, wird für dieses Jahr ein Rekordtief erwartet.
Die Lage ist so dramatisch, weil die Vereinigten Staaten über Jahre hinweg der größte Geber humanitärer Hilfe waren. Allein im Jahr 2024 stellte die US-Regierung über 40 Prozent aller von den Vereinten Nationen erfassten humanitären Mittel bereit. Ihr plötzlicher Rückzug aus dieser wichtigen Rolle hinterlässt eine Lücke, die ohne zusätzliche Mittel oder radikale Maßnahmen nicht geschlossen werden kann.
Die Folgen der Mittelkürzungen sind bereits weltweit zu spüren. Humanitäre Organisationen, darunter UN-Organisationen und nichtstaatliche Hilfsorganisationen, sind von den Kürzungen stark betroffen und haben mit drastischen Einschnitten reagiert, darunter die Einstellung von Programmen, die für die Rettung von Menschenleben und die Linderung der Not der Menschen in größter Not unerlässlich sind.
Trotz des immensen Leidens der Menschen weltweit wenden sich viele Länder nach innen, kürzen die humanitären Mittel drastisch, während Ignoranz, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit zunehmen. Anstatt den Notleidenden weltweit lebensrettende Hilfe zukommen zu lassen, erhöhen Länder wie Großbritannien ihre Rüstungsausgaben massiv.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Ein extrem priorisierter globaler humanitärer Überblick 2025: Die grausame Mathematik der Hilfskürzungen, GHO-Sonderausgabe, Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA), Bericht (in Englisch)
https://humanitarianaction.info/document/hyper-prioritized-global-humanitarian-overview-2025-cruel-math-aid-cuts