Am Mittwoch begannen in Genf Waffenstillstandsgespräche zur Beendigung des 16-monatigen Bürgerkriegs im Sudan zwischen den sudanesischen Streitkräften (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF), aber keine der beiden Kriegsparteien betrat den Verhandlungsraum. Die Gespräche, die ebenfalls darauf abzielen, die größte humanitäre Krise der Welt zu bewältigen, fanden ohne die Anwesenheit der rivalisierenden militärischen Fraktionen statt.
Die RSF-Delegation traf jedoch zumindest am Dienstagabend in der Schweiz ein, während die SAF zuvor angekündigt hatte, die Gespräche zu boykottieren. Die Gespräche in dieser Woche sind von der Ungewissheit über die Anwesenheit der beiden Kriegsparteien überschattet.
„Es ist nach wie vor unser Ziel, zusammen mit unseren Schweizer und saudischen Co-Gastgebern und unter Beteiligung Ägyptens, der Vereinigten Arabischen Emirate, der Afrikanischen Union und der UN alles in unserer Macht Stehende zu tun, um diese Woche Fortschritte zu erzielen“, sagte Tom Perriello, Sondergesandter der USA für den Sudan, Anfang der Woche.
Die am 15. April 2023 ausgebrochenen Kämpfe zwischen der Armee und der RSF haben Zehntausende Menschen getötet und verletzt, zu weit verbreiteten Gräueltaten geführt und massive Vertreibungen verursacht. Im Laufe von sechzehn Monaten wurden mehr als 10,4 Millionen Menschen – darunter mehr als 5 Millionen Kinder – durch den anhaltenden Konflikt zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen.
Während seit Beginn des Krieges mehr als 8,1 Millionen Menschen – Sudanesen und bereits im Land lebende Flüchtlinge – innerhalb des Sudans vertrieben wurden, haben mehr als 2,3 Millionen Frauen, Männer und Kinder in anderen Ländern Zuflucht gesucht.
Die Gespräche, die von der Schweiz ausgerichtet und von den Vereinigten Staaten und Saudi-Arabien moderiert werden, zielen darauf ab, einen Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien zu erreichen, einen sicheren und ungehinderten humanitären Zugang für alle Notleidenden zu gewährleisten und einen Überwachungs- und Verifizierungsmechanismus einzurichten, um die Umsetzung jeglicher Vereinbarungen zu überwachen.
Ägypten, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), die Afrikanische Union (AU) und die Vereinten Nationen wohen den Verhandlungen als Beobachter teil. An der heutigen Eröffnungssitzung nahmen deshalb Delegationen aus der Schweiz, Saudi-Arabien, den USA, Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten, der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen teil.
Der US-Sondergesandte für den Sudan, Perriello, erklärte in einer Stellungnahme in den sozialen Medien, dass die Delegationen sich darauf konzentrieren, sicherzustellen, dass die Kriegsparteien ihre Verpflichtungen von Dschidda einhalten und umsetzen.
Die Konfliktparteien im Sudan unterzeichneten im Mai 2023 eine Verpflichtung, in der Richtlinien für die Ermöglichung humanitärer Hilfe im Land festgelegt wurden. Die in Dschidda, Saudi-Arabien, unterzeichnete „Verpflichtungserklärung zum Schutz der Zivilbevölkerung im Sudan“ – auch bekannt als „Dschidda-Erklärung“ – enthielt jedoch keinen Waffenstillstand.
„Die Kriegsparteien müssen das humanitäre Völkerrecht respektieren und humanitäre Hilfe ermöglichen. Es ist höchste Zeit, dass die Waffen schweigen“, sagte Perriello.
„Wir arbeiten in der Schweiz hart am ersten Tag intensiver diplomatischer Bemühungen für den Sudan, um den Zugang für humanitäre Hilfe, die Einstellung der Feindseligkeiten und die Einhaltung der früheren Ergebnisse von Dschidda, anderer Bemühungen und des humanitären Völkerrechts zu unterstützen“, erklärten die Delegationen am Mittwoch in einer gemeinsamen Stellungnahme.
Am Sonntag endeten Konsultationen zwischen der sudanesischen Regierung und den Vereinigten Staaten in Saudi-Arabien ohne eine Einigung darüber, ob eine Armee- oder Regierungsdelegation an den Genfer Friedensgesprächen teilnehmen würde, was Zweifel an den Waffenstillstandsverhandlungen aufkommen ließ.
„Wir hatten Vorgespräche mit der RSF. Wir hatten ausführliche Gespräche mit der SAF. Aber sie haben uns noch keine Zusage gegeben, die heute notwendig wäre, um am 14. voranzukommen“, sagte der US-Sonderbeauftragte für den Sudan am Montag vor Journalisten in Genf.
Die Vereinigten Staaten, welche die Gespräche unterstützen, haben darauf bestanden, dass die Veranstaltung auf jeden Fall stattfinden wird, und sagten: „Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um diese schreckliche Krise im Sudan zu beenden.“
„Wir werden mit unseren internationalen Partnern einen Aktionsplan ausarbeiten, einen konkreten Aktionsplan, wie wir eine Beendigung der Gewalt und einen uneingeschränkten humanitären Zugang erreichen können, sowie einen Mechanismus zur Durchsetzung der Überwachung. Diese sind längst überfällig“, sagte Perriello.
„Wir könnten gemeinsam mehr erreichen, wenn sich die SAF dazu verpflichtet, mit einer Delegation zu kommen, die Entscheidungen treffen kann. Diese Option würden wir bevorzugen, und wir werden mit den Parteien vermitteln, wenn sie sich dafür entscheiden“, sagte er und fügte hinzu, dass die RSF sich zur Teilnahme verpflichtet habe, wenn die SAF eine Zusage mache.
Frühere Verhandlungsrunden in Dschidda, Saudi-Arabien, sind gescheitert. Die aktuellen Waffenstillstandsgespräche folgen jedoch auf die von den Vereinten Nationen im vergangenen Monat vermittelten indirekten Gespräche.
Die von der UN geleiteten, sogenannten „Proximity-Format“-Gespräche zwischen den Kriegsparteien des Sudan fanden vom 11. bis 19. Juli in Genf statt. Der UN-Gesandte für den Sudan, Ramtane Lamamra, der die Verhandlungen mit Vertretern der SAF und RSF leitete, hielt etwa 20 Treffen mit den Delegationen ab. Während der Gespräche traf Lamamra getrennt mit der Delegation jeder Konfliktpartei zusammen.
Diese erste Runde der neuen Friedensgespräche in Genf wird voraussichtlich bis zu 10 Tage dauern. Die Verhandlungen könnten eine Kombination aus indirekten Gesprächen, aber zumindest auch einige direkte Gespräche unter Vermittlung umfassen.
Viele Beobachter betrachten den Sudan als Schauplatz der größten humanitären Krise der Welt. Der Krieg hat bereits zu einer Situation geführt, die von den Vereinten Nationen als „die schlimmste Hunger-Krise der Welt“ bezeichnet wurde.
Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Ernährungslage ergab, dass 25,6 Millionen Menschen, das heißt die Hälfte der Bevölkerung des Landes, akut von Hunger bedroht sind. Während in 13 Gebieten die Gefahr einer Hungersnot besteht, hat der IPC-Ausschuss für Überprüfung von Hungersnöten im Zamzam-Lager in der Nähe von El Fasher in Nord-Darfur eine Hungersnot ausgerufen.
Ein besonders kritischer Punkt, der wahrscheinlich diskutiert werden wird, ist die dringende Notwendigkeit, Tausende von Menschen zu schützen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen, die in El Fasher, der Hauptstadt von Nord-Darfur, eingeschlossen sind, einem Ort, an dem heftige Kämpfe zwischen der SAF und der RSF stattfinden.
„Die Vereinigten Staaten haben seit Beginn der Belagerung von El Fasher unmissverständlich klargemacht, dass die RSF diese Belagerung aufgeben muss“, sagte Perriello.
„Wir haben vier Wochen lang versucht, einen lokalen Waffenstillstand für eine Vereinbarung über den Zugang für humanitäre Hilfe zwischen den Parteien auszuhandeln, und wir werden uns weiterhin sehr darauf konzentrieren, alles zu tun, um den betroffenen Menschen in El Fasher Hilfe zukommen zu lassen“, sagte er. Perriello fügte hinzu, dass dies nicht die einzige akute Krise im Sudan sei – eine Krise, die "von der internationalen Gemeinschaft nicht ausreichend wahrgenommen wurde".
„Wir können keine persönlichen Vermittlungsgespräche mit den Parteien führen, wenn die Parteien nicht da sind – selbst wenn nur eine Partei nicht da ist“, fügte er hinzu.
Am Sonntag äußerte UN-Generalsekretär António Guterres seine tiefe Besorgnis über die sich entwickelnde Situation in El Fasher, wo heftige Kämpfe zwischen rivalisierenden sudanesischen Militärfraktionen verheerende Folgen für die Zivilbevölkerung haben.
„Die Kämpfe werden den humanitären Bedarf in und um El Fasher weiter verschärfen, und das zu einer Zeit, in der im Lager Zamzam südlich von El Fasher Hungersnot herrscht“, sagte der stellvertretende UN-Sprecher Farhan Haq am Montag.
Unterdessen warnten UN-Organisationen am Dienstag, dass der Sudan nach mehr als 15 Monaten Konflikt an einem Wendepunkt stehe, und zwar aufgrund einer, wie sie es nennen, Vernachlässigungskrise.
„Die humanitäre Krise im Sudan ist, was die Kinder betrifft, zahlenmäßig die größte der Welt. Es ist auch eine Krise der Vernachlässigung“, sagte James Elder, Sprecher von UNICEF, am Dienstag und fügte hinzu: “Dies ist keine vergessene Krise. Sie ist bekannt und wird in vielerlei Hinsicht ignoriert.“
Das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) weist darauf hin, dass das Ausmaß der Schrecken und Gräueltaten, die Kindern im Sudan zugefügt werden, unbemerkt bleibt, weil nicht darüber berichtet wird. Gleichzeitig heißt es, dass Verbrechen gegen Kinder übersehen werden, weil Hilfsorganisationen nur sehr begrenzten Zugang zu den Brennpunkten des Landes haben.
Dennoch sickern laut der UN-Organisation vereinzelt Nachrichten durch, und die sind nicht gut.
UNICEF-Sprecher Elder berichtete Journalisten in Genf aus der Hauptstadt Khartum, dass er Menschen getroffen habe, die das Leid und die Gewalt, denen Kinder ausgesetzt sind, miterlebt haben, die gesehen haben, wie Kinder beim Fußballspielen und bei anderen kindlichen Aktivitäten getötet und verwundet wurden.
„Gestern habe ich in Khartum mit einer leitenden medizinischen Mitarbeiterin gesprochen, die mir einen Einblick in das Ausmaß der sexuellen Gewalt während dieses Krieges gegeben hat. Sie erklärte, dass sie direkten Kontakt zu Hunderten von Frauen und Mädchen hatte, von denen einige erst acht Jahre alt waren und vergewaltigt wurden. Viele wurden wochenlang gefangen gehalten.
„Tausende Kinder wurden im Krieg im Sudan getötet oder verletzt. Sexuelle Gewalt und militärische Rekrutierungen nehmen zu“, sagte er.
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit Mitte April 2023, als rivalisierende Generäle das Land in den Krieg stürzten, mehr als 18.800 Menschen getötet und mehr als 33.000 verletzt.
Die meisten Sudanesen, welche über die Grenzen geflüchtet sind, haben in den sieben Nachbarländern des nordostafrikanischen Landes Zuflucht gesucht. Der Südsudan hat mit mehr als 750.000 Menschen die meisten Sudanesen aufgenommen – viele von ihnen Südsudanesen, die nach vielen Jahren zurückkehren. Der Tschad hat mit etwa 630.000 Menschen, die die Grenze überquert haben, den größten Zustrom von Flüchtlingen in seiner Geschichte erlebt.
Bis Juli 2024 wurden mehr als 10,8 Millionen Frauen, Männer und Kinder durch Konflikte im Land zu Binnenvertriebenen – 2,8 Millionen davon vor April 2023 – und machen den Sudan zur größten Binnenvertriebenen-Krise der Welt.
Die Gesamtzahl der sudanesischen Flüchtlinge wird auf mehr als 2,8 Millionen geschätzt, einschließlich derer, die vor April 2023 zur Flucht gezwungen wurden. Insgesamt wurden durch Konflikte im Sudan inzwischen mehr als 13,5 Millionen Menschen vertrieben, was ihn zur schlimmsten Vertreibungskrise der Welt macht.
„Die Menschen im Sudan stehen vor einer Krise nach der anderen, und ein Ende ist nicht in Sicht. Jeden Tag, und es scheint fast jede Stunde, verschlechtert sich die Lage im Sudan“, sagte Mohamed Refaat, Missionsleiter der IOM Sudan.
Von seiner Basis in Port Sudan aus warnte er, dass heftige Regenfälle und Überschwemmungen Tausenden von Menschen, die bereits unter dem anhaltenden Konflikt leiden, neue Not bereiten.
„Familien werden entwurzelt, ganze Gemeinden zerstört. Die Fluten haben Häuser in Ruinen verwandelt und die Gewalt hat ganze Stadtviertel in Friedhöfe verwandelt“, sagte er und fügte hinzu, dass der Hunger ein katastrophales Ausmaß erreicht habe, wie es seit der Darfur-Krise Anfang der 2000er Jahre nicht mehr der Fall war.
„Fast alle Vertriebenen im Sudan – 97 Prozent – befinden sich in Gebieten mit akuter Ernährungsunsicherheit oder schlimmer“, sagte er. „In den nächsten drei Monaten werden schätzungsweise 25,6 Millionen Menschen mit schwerer Ernährungsunsicherheit konfrontiert sein, da sich der Konflikt ausbreitet und die Bewältigungsmechanismen erschöpft sind. Jeder Zweite kämpft jeden Tag darum, Essen auf den Tisch zu bringen.“
Mehr als die Hälfte der Bevölkerung leidet inzwischen unter akutem Hunger – darunter 755.000 Menschen, die katastrophalen Bedingungen (IPC5) ausgesetzt sind, wobei bereits Todesfälle aufgrund von Hunger verzeichnet wurden.
8,5 Millionen Menschen leiden unter einer Hungernotlage (IPC4). Menschen, die unter einer Hungernotlage leiden, sind ebenfalls dem Risiko ausgesetzt, an den Folgen von Hunger zu sterben. Am schlimmsten ist die Lage in den Gebieten, die am stärksten von den Kämpfen betroffen sind und in denen sich die meisten Binnenvertriebenen aufhalten.
Schätzungen zufolge leiden in diesem Jahr 730.000 Kinder an schwerer akuter Mangelernährung (SAM), der lebensbedrohlichsten Form der Mangelernährung.
„Wenn wir nicht handeln, könnten in den kommenden Monaten Zehntausende sudanesische Kinder sterben“, warnt Elder von UNICEF. “Und das ist noch nicht einmal das schlimmste Szenario. Bei jedem Ausbruch einer Krankheit wird die Sterblichkeitsrate in die Höhe schnellen. Krankheiten sind unsere größte Angst.“
Unter den derzeitigen Lebensbedingungen und bei heftigen Regenfällen und Überschwemmungen würden sich Masern, Durchfall, Atemwegsinfektionen und andere Krankheiten wie ein Lauffeuer ausbreiten.
Hilfsorganisationen berichten, dass ihnen das Geld fehlt, um lebensrettende humanitäre Maßnahmen auszuweiten und in den kommenden Monaten Zehntausende vermeidbare zivile Todesfälle zu verhindern.
Der Humanitäre Reaktionsplan (HRP) für den Sudan ist gerade einmal zu 37 Prozent finanziert – von den benötigten 2,7 Milliarden US-Dollar wurde erst 1 Milliarde US-Dollar bereitgestellt.
Elder ist der Ansicht, dass es sowohl einen pragmatischen als auch einen moralischen Grund für die internationale Gemeinschaft gibt, die Bemühungen zur Abwendung dieser drohenden, vielschichtigen Tragödie zu unterstützen.
Er merkt an, dass es viel billiger ist, eine Krise zu finanzieren, bevor sie „das absolut katastrophale Ausmaß der Ernährungsunsicherheit für Kinder“ erreicht.
„Wir wissen, dass bei Hungersnotmeldungen das Geld nur so hereinströmt. Wir wissen aber auch, dass es dann zu spät ist. Kinder sterben. Wenn sich die Hungersnot auf einige der 13 gefährdeten Gebiete ausbreitet, wird das Geld fließen“, sagte er, “aber die Kinder werden auch tot sein.“
Einige Informationen für diesen Bericht wurden von VOA zur Verfügung gestellt.