Während sich die Aufmerksamkeit der Welt auf bewaffnete Konflikte anderswo richtet, wurden im Sudan mittlerweile 15,6 Millionen Menschen durch Konflikte vertrieben, was die Situation mit Abstand zur größten Vertreibungskrise der Welt macht. Die überwiegende Mehrheit der Vertriebenen – mehr als 12,3 Millionen Frauen, Kinder und Männer – wurde durch den Krieg entwurzelt, der im April 2023 seinen Anfang nahm und unvermindert andauert. Dennoch findet die Notlage fast keine Beachtung in den Medien, der Diplomatie oder der Politik, und die humanitäre Hilfe ist erheblich unterfinanziert.
Das Ausmaß der humanitären Katastrophe, die sich im Sudan abspielt, ist beispiellos. Am 15. April letzten Jahres brach der Krieg zwischen den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) und den sudanesischen Streitkräften (SAF) aus, was zu weit verbreiteter Vertreibung und wachsenden humanitären Bedarfen im ganzen Land führte.
Nach den neuesten Schätzungen der Vereinten Nationen werden im Jahr 2025 etwa 30,4 Millionen Menschen – zwei Drittel der Bevölkerung – auf humanitäre Hilfe angewiesen sein, was den Sudan nicht nur zur größten Vertreibungskrise, sondern auch zur größten humanitären Krise der Welt macht.
Im Laufe von neunzehn Monaten wurden mehr als 12,3 Millionen Menschen infolge des fortdauernden Kriegs vertrieben, darunter fast 9 Millionen Binnenvertriebene und mehr als 3,3 Millionen Menschen, welche die Grenze zu anderen Ländern überquert haben.
Die meisten Sudanesen – etwa 3,1 Millionen – haben in den sieben Nachbarländern des nordostafrikanischen Landes Zuflucht gesucht, darunter Ägypten, der Südsudan, der Tschad, Äthiopien, Libyen und die Zentralafrikanische Republik. Ägypten beherbergt mit 1,2 Millionen die meisten sudanesischen Flüchtlinge, gefolgt vom Südsudan mit mehr als 874.000 Menschen – viele von ihnen Südsudanesen, die nach vielen Jahren zurückkehren. Der Tschad hat mit rund 719.000 Menschen, die die Grenze überquert haben, den größten Zustrom von Flüchtlingen in seiner Geschichte erlebt.
Mit Stand vom Dezember sind 11,8 Millionen Menschen im Sudan Binnenvertriebene, darunter 2,8 Millionen, die vor April 2023 vertrieben wurden. Mindestens 500.000 Sudanesen waren vor der Eskalation des Konflikts in die Nachbarländer geflohen. Die Gesamtzahl der sudanesischen Flüchtlinge wird nunmehr auf über 3,8 Millionen geschätzt.
Insgesamt wurden durch Konflikte im Sudan etwa 15,6 Millionen Menschen vertrieben. Damit ist der Sudan das Land mit der größten Vertreibungskrise weltweit, gefolgt von Syrien, wo vor der jüngsten Eskalation im Dezember etwa 13,6 Millionen Menschen infolge des Krieges gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben waren.
Heute ist der Sudan auch Schauplatz der größten Hungerkrise der Welt. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes – fast 26 Millionen Menschen – sind von akutem Hunger betroffen, darunter etwa 755.000 Menschen, die am Rande einer Hungersnot stehen. Im Zamzam-Lager in Nord-Darfur – dem größten Binnenvertriebenenlager des Sudan – wurde eine Hungersnot bestätigt, und mehrere andere Gebiete sind gefährdet.
Verschärft wird die Situation zusätzlich dadurch, dass in den letzten Tagen - zum ersten Mal seit Beginn des Konflikts - das Lager Zamzam von den Rapid Support Forces bombardiert worden ist, was zur Folge hatte, dass die Zivilbevölkerung massiv in Mitleidenschaft gezogen wurde und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen das Gebiet verlassen mussten.
Das Lager Zamzam, in dem derzeit über 500.000 Vertriebene leben, war seit Anfang dieser Woche Ziel beispielloser Angriffe der RSF. Hinzu kamen strenge Zugangsbeschränkungen zum Lager, wodurch die vom Hungertod bedrohten Menschen von dringend benötigter humanitärer Hilfe abgeschnitten wurden.
Im Lager Zamzam sind Vertriebene aus der gesamten Region Darfur untergekommen, wobei viele der neu eingetroffenen Bewohner aus El Fasher, der Hauptstadt von Nord-Darfur, vertrieben wurden, wo es in den letzten neun Monaten zu heftigen Feindseligkeiten kam. Zivilisten, die in El Fasher eingeschlossen sind, sind fast vollständig von der Hilfe abgeschnitten, da die Belagerung und Bombardierung der Stadt unvermindert anhalten.
Zehntausende andere Menschen werden wahrscheinlich in 13 weiteren von Hungersnot bedrohten Gebieten, die in der jüngsten IPC-Analyse identifiziert wurden, ähnlichen Bedingungen ausgesetzt sein. Besonders kritisch ist die Lage für Menschen, die in von Krieg betroffenen Gebieten eingeschlossen sind, insbesondere in Al Jazira, Darfur, Khartum und Kordofan.
Der Sudan hat eine der höchsten Unterernährungsraten der Welt. Laut Schätzungen sind 3,7 Millionen Kinder im Alter von 6 bis 59 Monaten und 1 Million schwangere und stillende Frauen akut unterernährt.
Nach fast 20 Monaten unerbittlicher Kämpfe sind die Zivilisten weiterhin die Hauptleidtragenden der Gewalt. Die Kämpfe haben zu schockierenden Formen sexueller Gewalt gegen Frauen und Mädchen, wahllosem Beschuss von Wohngebieten, weitreichenden Schäden und Zerstörung der zivilen Infrastruktur, Angriffen auf Gesundheitseinrichtungen und gezielten Tötungen von Angehörigen ethnischer Gruppen geführt.
Kinder werden weiterhin getötet und verstümmelt, sexueller Gewalt ausgesetzt, von bewaffneten Gruppen rekrutiert und ihnen wird der Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen und humanitärer Hilfe verwehrt. Frauen und Mädchen sind einem erhöhten Risiko von konfliktbedingter sexueller Gewalt ausgesetzt, wobei schätzungsweise 12,1 Millionen Menschen auf Hilfsdienste im Zusammenhang mit geschlechtsspezifischer Gewalt (GBV) angewiesen sind.
Zusätzlich zu dem sich ausbreitenden Konflikt verschärfen Klimaschocks – darunter ungewöhnlich starke Regenfälle und Überschwemmungen – und der Ausbruch von Krankheiten wie Cholera, Malaria und Masern die humanitäre Notlage.
Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) benötigen fast 15 Millionen Menschen dringend medizinische Hilfe, um zu überleben. In den vom Krieg betroffenen Bundesstaaten des Sudan sind weniger als 25 Prozent der Gesundheitseinrichtungen funktionsfähig, und in anderen Bundesstaaten sind nur 45 Prozent dieser Einrichtungen voll funktionsfähig.
Der Humanitäre Bedarfs- und Reaktionsplan für den Sudan für 2024 fordert 2,7 Milliarden US-Dollar, um bis Ende dieses Jahres 14,7 Millionen Menschen zu erreichen. Bis heute sind nur 59 Prozent finanziert. Der diesjährige Regionale Flüchtlingsreaktionsplan (RRP) für den Sudan benötigt 1,5 Milliarden US-Dollar, um 3,3 Millionen Flüchtlinge, Rückkehrer und Aufnahmegemeinschaften in sieben Nachbarländern des Sudan zu unterstützen. Bis heute ist der RRP nur zu 30 Prozent mit Finanzmitteln ausgestattet.