Das Jahr ist noch nicht zu Ende, aber 2024 ist bereits jetzt das Jahr mit den meisten Todesopfern unter den Mitarbeitern humanitärer Organisationen teilte das UN-Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) am Freitag unter Berufung auf Daten der Aid Worker Security Database (AWSD) mit. Da der Krieg im Gazastreifen die Zahl der Todesopfer weiter in die Höhe getrieben hat, wurde mit weltweit 281 getöteten Helfern der bisherige Negativrekord aus dem Jahr 2023 übertroffen.
„Humanitäre Helfer werden in einem noch nie dagewesenen Ausmaß getötet, ihr Mut und ihre Menschlichkeit werden mit Kugeln und Bomben beantwortet“, sagte Tom Fletcher, der neue UN-Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator (ERC), der am Montag sein Amt antrat.
„Diese Gewalt ist unverzeihlich und hat verheerende Auswirkungen auf die Hilfsmaßnahmen. Staaten und Konfliktparteien müssen humanitäre Helfer schützen, das Völkerrecht einhalten, die Verantwortlichen strafrechtlich verfolgen und dieser Ära der Straflosigkeit ein Ende setzen.“
Das Jahr 2023 verzeichnete mit 280 getöteten Mitarbeitern von Hilfsorganisationen in 33 Ländern eine Rekordzahl an Todesopfern im Vergleich zu den Vorjahren. Der Krieg in Gaza treibt die Zahlen in die Höhe: Seit dem 7. Oktober 2023 wurden dort mehr als 333 humanitäre Helfer getötet. Viele von ihnen wurden bei der Erbringung von humanitärer Hilfe in Ausübung ihres Dienstes getötet. Die meisten waren Mitarbeiter des UN-Hilfswerks für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA).
Die jüngsten Opferzahlen beruhen auf Daten der Aid Worker Security Database. In der 2005 eingerichteten AWSD werden schwerwiegende Vorfälle von Gewalt gegen Mitarbeiter von Hilfsorganisationen von 1997 bis heute erfasst.
Die Bedrohung von humanitären Helfern geht weit über den Gazastreifen hinaus: Ein hohes Maß an Gewalt, Entführungen, Verletzungen, Schikanen und willkürlicher Inhaftierung wird unter anderem aus Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo, dem Südsudan, dem Sudan, der Ukraine und dem Jemen gemeldet.
Bei den meisten Todesopfern handelt es sich um lokale Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen (NGOs), UN-Organisationen und der Rotkreuz-/Rothalbmond-Bewegung. Die Gewalt gegen Mitarbeiter humanitärer Organisationen ist Teil eines umfassenderen Trends der Gefährdung der Zivilbevölkerung in Konfliktgebieten. Im vergangenen Jahr wurden in 14 bewaffneten Konflikten mehr als 33.000 zivile Todesopfer gezählt - ein erschreckender Anstieg um 72 Prozent gegenüber 2022.
Trotz dieser Gefahren leisten Hilfsorganisationen weiterhin lebensrettende Hilfe und erreichten im vergangenen Jahr fast 144 Millionen Menschen in Not. Im November waren weltweit 315 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die humanitären Organisationen haben in diesem Jahr mehr als 116 Millionen Menschen unterstützt, von den 189 Millionen Menschen, die für humanitäre Hilfe anvisiert wurden.
Am 24. Mai 2024 verabschiedete der UN-Sicherheitsrat die Resolution 2730 als Reaktion auf die zunehmende Gewalt und die Drohungen gegen humanitäre Helfer. Mit der Resolution wird der UN-Generalsekretär beauftragt, Maßnahmen zu empfehlen, um solchen Vorfällen vorzubeugen und auf sie zu reagieren, die Rechenschaftspflicht zu stärken und den Schutz des humanitären Personals und seiner Mittel zu verbessern. Die Empfehlungen werden auf einer Sitzung des Sicherheitsrates am 26. November vorgestellt.
OCHA-Sprecher Jens Laerke sagte am Freitag vor Journalisten in Genf, dass die Zahlen die humanitäre Gemeinschaft erschüttern würden. Von den 281 Menschen, die in diesem Jahr getötet wurden, seien 268 nationale Mitarbeiter und 13 internationale Mitarbeiter gewesen.
Bei den Getöteten handelte es sich um Kollegen und Freunde, die selbstlos und mutig in Einsatzgebieten wie dem Gazastreifen, dem Sudan, dem Libanon und der Ukraine arbeiteten und im Gegenzug in Rekordzahl getötet wurden.
Der OCHA-Sprecher betonte, dass der Rekord vom letzten Jahr bereits gebrochen wurde und das Jahr 2024 noch nicht zu Ende ist. Auf Nachfragen sagte Laerke, dass von den 333 seit Oktober 2023 im Gazastreifen getöteten Helfern 243 UNRWA-Mitarbeiter waren.
Die heute bekannt gegebenen Zahlen seien unbegreiflich, und er fügte hinzu, dass die Tötung von Mitarbeitern von Hilfsorganisationen auf Kriegsverbrechen hinauslaufen könne.
Das zuständige Gerichtssystem werde darüber entscheiden, so Laerke. Es müsse klar sein, dass solche Vorfälle Konsequenzen nach sich zögen und Maßnahmen ergriffen würden. Die Tötung von Helfern an vorderster Front sei "ungeheuerlich" und sollte die Menschen aufrütteln und aufhorchen lassen.
Nach dem humanitären Völkerrecht (HVR) ist es ein Kriegsverbrechen, vorsätzlich Angriffe gegen Personal, Einrichtungen, Material, Einheiten oder Fahrzeuge zu richten, die an der humanitären Hilfe beteiligt sind. Die meisten Mitarbeiter von Hilfsorganisationen im Gazastreifen wurden von israelischen Sicherheitskräften getötet.
Am Donnerstag erließ der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joaw Galant wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der Situation in Gaza.
Die IStGH-Richter stellten fest, dass es hinreichende Gründe für die Annahme gibt, dass beide das Kriegsverbrechen des Aushungerns als Methode der Kriegsführung und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit - Mord, Verfolgung und andere unmenschliche Handlungen - begangen haben. Die Vorverfahrenskammer hat außerdem hinreichende Gründe für die Annahme gefunden, dass beide für das Kriegsverbrechen der gezielten Angriffe auf Zivilisten verantwortlich sind.
Weitere Informationen
Website: Aid Worker Security Database (AWSD)
https://www.aidworkersecurity.org