Die internationalen Gebermittel zur Linderung des Hungers in den bedürftigsten Ländern der Welt sind im Jahr 2023 drastisch gesunken, obwohl die weltweite Ernährungsunsicherheit ein Rekordhoch erreicht hat, warnen Hilfsorganisationen. Humanitäre Appelle für die 17 Länder, die die Hauptlast der Ernährungsunsicherheit zu tragen haben, wiesen im vergangenen Jahr eine erschütternde Finanzierungslücke von 65 Prozent auf, 23 Prozent mehr als 2022, so eine Analyse, die diese Woche von der internationalen humanitären Organisation Action Against Hunger (Aktion gegen den Hunger) veröffentlicht wurde.
Die neue Analyse der Finanzierung durch das humanitäre System der Vereinten Nationen zeigt, dass im Jahr 2023 nur 35 Prozent der Appelle von Ländern, die mit einer Hungerkrise zu kämpfen haben, erfüllt wurden. Keiner der Appelle für laufende oder Notfallprogramme im Zusammenhang mit Hunger wurde vollständig erfüllt, während nur 12 Prozent der Programme im Zusammenhang mit Hunger mehr als die Hälfte der benötigten finanziellen Mittel erhielten.
Nach Angaben von Action Against Hunger bräuchte man 8,86 Milliarden US-Dollar, um die hungerbezogenen Appelle der 17 in diesem Bericht berücksichtigten Länder vollständig zu finanzieren, was etwa der Hälfte dessen entspricht, was die amerikanische Öffentlichkeit nach Schätzungen beim letzten Super Bowl gewettet hat.
Für den Bericht ermittelte die Hilfsorganisation 17 Länder, in denen im Jahr 2022 eine Hungerkrise oder eine schlimmere Situation herrschte, und analysierte, wie viele Mittel diese Länder im Jahr 2023 erhalten würden. Die Länder lauten in alphabetischer Reihenfolge: Afghanistan, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Guatemala, Haiti, Honduras, Jemen, Kenia, Libanon, Madagaskar, Malawi, Mosambik, Pakistan, Somalia, Sudan, Südsudan und Zentralafrikanische Republik.
"Der Bericht kommt zu einem entscheidenden Zeitpunkt, denn im Jahr 2023 wurden die Mittel für Programme zur Bekämpfung des Hungers deutlich aufgestockt, doch selbst mit dieser Welle der Unterstützung hielten die Mittel nicht mit dem wachsenden Bedarf Schritt", sagte Michelle Brown, stellvertretende Direktorin für Interessenvertretung bei Action Against Hunger.
"Jetzt werden wir bereits gewarnt, dass einige der großzügigsten Geberländer der Welt damit rechnen, ihre Hilfsbudgets im Jahr 2024 zu kürzen. Die Folgen lassen sich nicht beschönigen: Mehr Menschen werden leiden und Millionen könnten sterben", sagte sie.
"Diejenigen, die über die entsprechenden Mittel verfügen, müssen der Finanzierung von Hungerprogrammen Vorrang einräumen, und weitere Länder müssen sich engagieren, um drohende humanitäre Katastrophen zu verhindern."
Die Vereinigten Staaten sind nach wie vor der weltweit führende Geber von humanitärer Hilfe, gefolgt von Deutschland und der Europäischen Kommission. China, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, zahlte im Jahr 2023 nur 4,7 Millionen US-Dollar, während die USA mehr als 11,5 Milliarden US-Dollar für humanitäre Nothilfe bereitstellten.
Weltweit leiden bis zu 783 Millionen Menschen - mehr als die Bevölkerung der Europäischen Union und der Vereinigten Staaten zusammen - an Hunger. Im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie sind heute 122 Millionen Menschen mehr von Hunger betroffen, der in erster Linie auf Konflikte, den Klimawandel und chronische Ungleichheit zurückzuführen ist.
"Die Welt produziert genug Nahrungsmittel für alle, und dennoch sterben jedes Jahr Hunderttausende unterernährter Kinder einen vermeidbaren Tod. Und warum? Es fehlt uns an der nötigen Entschlossenheit und Finanzierung, um das UN-Ziel für nachhaltige Entwicklung, nämlich die Beseitigung des Hungers bis 2030, zu erreichen", sagte Charles Owubah, CEO von Action Against Hunger USA.
"Hunger ist für jeden zehnten Menschen auf der Welt eine alltägliche Herausforderung, und er muss ein tägliches Anliegen für diejenigen sein, die in der Lage sind, den Hunger für alle Menschen endgültig zu beenden", sagte er.
Nach Angaben des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) verhungern jedes Jahr etwa 9 Millionen Menschen. Im Jahr 2023 sah sich das WFP dennoch gezwungen, die Nahrungsmittelhilfe in mehreren Hungerregionen drastisch zu kürzen, darunter Afghanistan, Bangladesch, die Demokratische Republik Kongo, Haiti, Jordanien, Nigeria, die besetzten palästinensischen Gebiete, Südsudan, Somalia, Syrien und Jemen, da die Finanzierungslücke zu groß war. Massive Kürzungen wurden bei fast der Hälfte der WFP-Maßnahmen vorgenommen.
Hilfsorganisationen wie Action Against Hunger betonen, dass die Welt genug Nahrungsmittel produziert, um alle Menschen zu ernähren. Sie weisen darauf hin, dass die wohlhabenden Nationen über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, um die drohende Finanzierungslücke zu schließen.
"Die Welt verfügt über genügend Dollar, Euro, Renminbi, Riyals, Rupien, Yen und Gelder in anderen Währungen, um die Finanzierungslücke für den Hunger vollständig zu schließen", so die Hilfsorganisation.
Der Bericht spiegelt die Analyse des UN Financial Tracking Service (FTS) und des Integrated Food Security Phase Classification (IPC) Population Tracking Tool durch Action Against Hunger wider.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: 2024 Hunger Funding Gap Report, Aktion gegen den Hunger, Bericht, veröffentlicht am 16. Januar 2024 (in Englisch)
https://www.actionagainsthunger.org/app/uploads/2024/01/Action-Against-Hunger-2024-Hunger-Funding-Gap-Report.pdf
Webseite: Financial Tracking System (FTS): Die Vereinten Nationen verfolgen die Beiträge humanitärer Geber, die von Regierungen über UN-Organisationen, UN-Fonds, Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung geleitet werden. (in Englisch)
https://fts.unocha.org/