Nur wenige Wochen, nachdem Tausende von Rohingya-Flüchtlingen durch den Zyklon Mocha ihr Zuhause verloren haben, droht ihnen ein weiterer Schicksalsschlag: Finanzierungsengpässe zwingen das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP), die Lebensmittelgutscheine in Cox's Bazar in Bangladesch auf nur noch 8 US-Dollar oder weniger als 9 Cent pro Mahlzeit zu kürzen. Wie die UN-Organisation am Freitag mitteilte, haben Finanzierungsengpässe bereits zu Beginn des Jahres zur Kürzung der Lebensmittelhilfe geführt.
960.000 Rohingya-Flüchtlinge aus Myanmar erhalten in Bangladesch Unterstützung. Im März musste das WFP seine lebensrettenden Lebensmittelgutscheine von 12 auf 10 US-Dollar pro Person und Monat kürzen. Die Lage in den Flüchtlingslagern ist bereits jetzt äußerst kritisch.
"Wir bitten um dringende Unterstützung, damit wir die Rationen so schnell wie möglich wieder auf den vollen Betrag aufstocken können. Alles, was weniger als 12 US-Dollar entspricht, hat schwerwiegende Folgen nicht nur für die Ernährung von Frauen und Kindern, sondern auch für den Schutz und die Sicherheit aller Menschen in den Lagern", sagte Dom Scalpelli, WFP-Vertreter und Landesdirektor in Bangladesch.
Sechs Jahre nach Beginn der Flüchtlingskrise sind die Rohingya-Flüchtlinge weiterhin in den Lagern in Bangladesch gestrandet, wo sie keine Möglichkeit haben, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und ausschließlich auf humanitäre Hilfe angewiesen sind, um zu überleben.
Die Menschen dürfen weder ihren Lebensunterhalt verdienen noch die Lager in Bangladesch verlassen. Die allgemeine Nahrungsmittelhilfe des WFP war die einzige Quelle, auf die sie sich verlassen konnten, um ihren grundlegenden Bedarf an Nahrungsmitteln und Nährstoffen zu decken.
Nach Angaben der UN-Organisation waren bereits vor der Rationskürzung im März 12 Prozent der Kinder akut und 41 Prozent der Kinder chronisch unterernährt. Jede weitere Kürzung wird wahrscheinlich zu einem sprunghaften Anstieg der akuten Unterernährung führen.
Das WFP warnte, dass die Flüchtlinge mit weniger Nahrungsmitteln kaum eine andere Wahl haben, als auf negative Bewältigungsmechanismen zurückzugreifen. Kinder können von der Schule genommen oder Mädchen zur Kinderheirat gezwungen werden.
Wenn Flüchtlinge eine illegale Beschäftigung suchen, sind sie einem erhöhten Risiko der Ausbeutung und des Missbrauchs ausgesetzt, was die Spannungen zwischen den Flüchtlingen und der Aufnahmegesellschaft noch verstärken kann. Diejenigen, die verzweifelt genug sind, sich auf die hohe See zu begeben, sehen sich gefährlichen Reisen und einem ungewissen Schicksal gegenüber.
Die Rohingya leben weiterhin unter der ständigen Bedrohung durch extreme klimatische Bedingungen. Zwar blieb Cox's Bazar von einem direkten Treffer verschont, als der Zyklon Mocha am 14. Mai auf Land traf, doch wurden in den Lagern Unterkünfte und Infrastrukturen erheblich zerstört.
"Die Nahrungsmittelhilfe des WFP ist die einzige zuverlässige Nahrungsquelle für die Rohingya. Wir sind sehr dankbar für alle bisher eingegangenen Spenden, aber wir benötigen immer noch 56 Millionen US-Dollar, um die volle Ration wiederherzustellen und diese lebenswichtige Versorgung bis zum Ende des Jahres aufrechtzuerhalten", sagte Scalpelli.
Fast eine Million Rohingya-Flüchtlinge leben derzeit in den Flüchtlingslagern Kutupalong und Nayapara in der Region Cox's Bazar in Bangladesch. Die Rohingya, eine ethnische muslimische Minderheit, sind in Myanmar seit Jahrzehnten mit institutionalisierter Diskriminierung konfrontiert, etwa durch den Ausschluss von der Staatsbürgerschaft. Im August 2017 startete die Regierung Myanmars eine Militärkampagne, die Hunderttausende Rohingya dazu zwang, aus ihren Häusern in Myanmars Rakhine State nach Bangladesch zu fliehen.
Das Welternährungsprogramm ist die größte humanitäre Organisation der Welt. Die UN-Organisation, die 2020 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde, rettet in Notsituationen Leben und unterstützt Menschen mit Nahrungsmittelhilfe bei der Bewältigung von Konflikten, Katastrophen und den Auswirkungen des Klimawandels. Das Welternährungsprogramm ist in über 120 Ländern und Gebieten tätig. Für Millionen von Menschen weltweit kann die Hilfe des WFP den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Im Jahr 2022 erreichte die Hilfe des WFP rund 140 Millionen Menschen weltweit.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch stehen vor schwierigen Entscheidungen, da weitere Kürzungen der Nahrungsmittelhilfe bevorstehen, WFP-Pressemitteilung, 26. Mai 2023 (in Englisch)
https://www.wfp.org/news/rohingya-refugees-bangladesh-face-grim-choices-more-cuts-food-assistance-imminent