Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) berichtet, dass die jüngsten Kämpfe im Bundesstaat Puntland im Nordosten Somalias sowie in den Regionen Middle und Lower Shabelle im Zentrum des Landes mindestens 110.000 Menschen zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen haben. Laut OCHA wurden außerdem in den vergangenen Monaten durch anhaltende Kämpfe zwischen verschiedenen Clans in mehreren anderen Gebieten des ostafrikanischen Landes Zehntausende Menschen vertrieben.
In einem Update am Mittwoch wies OCHA darauf hin, dass neben den Kämpfen auch Klimafaktoren zur Vertreibung beitrugen, da es in mehreren Regionen über längere Zeit trocken war und weniger Regen fiel als erwartet.
In mehreren Gebieten Somalias besteht aufgrund extremer Trockenheit die Gefahr einer Dürre, von der wahrscheinlich Hunderttausende Familien betroffen sein werden. Wasserquellen versiegen und Viehhirten verlassen ihre Häuser auf der Suche nach Wasser und Weideland. In Gebieten, in denen die Menschen auf kommerzielle Wasserversorgung angewiesen sind, sind die Preise für viele Familien auf ein unerschwingliches Niveau gestiegen.
Der neueste Bericht der Integrated Food Security Phase Classification (Integrierte Klassifizierung der Ernährungssicherheit, IPC), der letzte Woche veröffentlicht wurde, geht davon aus, dass bis Juni fast 4,6 Millionen Menschen in Somalia wahrscheinlich unter starkem Hunger leiden werden. Dies schließt schätzungsweise 784.000 Menschen in der Notfallstufe der Ernährungsunsicherheit (IPC 4) und fast 3,8 Millionen Menschen in der Krisenstufe (IPC 3) ein.
In diesem Jahr werden etwa 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren an akuter Unterernährung leiden und dringend behandelt werden müssen. Darunter befinden sich fast 480.000 Kinder, die voraussichtlich von schwerer akuter Unterernährung (SAM) betroffen sein werden. Im Vergleich zur Analyse vom Januar 2025 wird sich die Situation den Prognosen zufolge verschlechtern.
OCHA warnt, dass der humanitäre Bedarf in Somalia gerade zu einem Zeitpunkt steigt, an dem die Mittel für Hilfsmaßnahmen drastisch sinken. Hilfsorganisationen müssen ihre Einsätze einschränken oder sogar aussetzen und die verfügbaren Ressourcen auf lebensrettende Maßnahmen für die am stärksten gefährdeten Menschen konzentrieren.
Der weltweite Rückgang der Finanzmittel folgt auf radikale, beispiellose Kürzungen der Hilfsgelder durch die Vereinigten Staaten seit Januar 2025, nachdem die neue US-Regierung ihr Amt angetreten hatte. Auch andere führende Geber humanitärer Hilfe – darunter Großbritannien und Deutschland – haben ihre Beiträge drastisch gekürzt und gefährden damit das Leben von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt, die dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.
Laut IPC sind in Somalia bereits grundlegende Versorgungseinrichtungen wie Ernährung, Gesundheit und sicheres Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene (WASH) von den Mittelkürzungen betroffen. Unter Berücksichtigung der kumulativen Auswirkungen der Mittelkürzungen wird sich die akute Unterernährung voraussichtlich verschlimmern und Leben gefährden.
Die weitere Verschlechterung der akuten Mangelernährung im Prognosezeitraum ist hauptsächlich auf die Schließung von Gesundheitseinrichtungen und die Aussetzung von therapeutischen und ernährungsergänzenden Programmen zurückzuführen.
Im Jahr 2025 wird etwa ein Drittel der somalischen Bevölkerung – fast 6 Millionen Menschen – auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Der diesjährige humanitäre Aufruf in Höhe von 1,42 Milliarden US-Dollar ist allerdings nur zu 9 Prozent finanziert, wobei bisher 131 Millionen US-Dollar eingegangen sind.
Im vergangenen Jahr steuerte die Regierung der Vereinigten Staaten mehr als die Hälfte der Mittel bei, die für den Humanitären Reaktionsplan 2024 für Somalia (HRP) eingingen, wobei der HRP insgesamt nur zu 55,5 Prozent finanziert war.
Somalia kämpft mit einer schweren und lang anhaltenden humanitären Krise, die durch Konflikte, Armut, weit verbreitete Vertreibungen, Klimaschocks, Krankheitsausbrüche und mangelnden Zugang zu grundlegenden Versorgungseinrichtungen verschärft wird. Mindestens 9,1 Millionen Somalier von einer Bevölkerung von 19,3 Millionen sind von der anhaltenden humanitären Krise betroffen.
Langwierige Konflikte, eskalierende Gewalt zwischen Clans und wiederkehrende Naturkatastrophen im Zusammengang mit dem Klimawandel haben zu Massenvertreibungen geführt. Im März 2025 waren schätzungsweise 4,7 Millionen Somalier vertrieben. Während etwa 3,8 Millionen Menschen Binnenvertriebene in Somalia sind, haben mehr als 900.000 Somalier aufgrund von klimatischen Schocks und bewaffneten Konflikten in den Nachbarländern Zuflucht gesucht.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) und der Danish Refugee Council (Dänischer Flüchtlingsrat, DRC) rechnen damit, dass die Zahl der Binnenvertriebenen in Somalia zwischen April und Juni 2025 um mehr als 230.000 ansteigen wird, hauptsächlich aufgrund von Vertreibungen im Zusammenhang mit Konflikten und Dürren. Damit würde die Gesamtzahl der Binnenvertriebenen bis zum Ende des Quartals erneut auf über 4 Millionen steigen.
Laut einer aktuellen Analyse sind Binnenvertriebene in Somalia einer deutlich höheren akuten Ernährungsunsicherheit ausgesetzt als der Rest der Bevölkerung.
Unterdessen trägt die Zivilbevölkerung weiterhin die Hauptlast des bewaffneten Konflikts in Somalia und wird gleichzeitig von Kämpfen zwischen den Clans in Mitleidenschaft gezogen. Zwischen den Clans ausgetragenen Kampfhandlungen und Streitigkeiten um den Zugang zu natürlichen Ressourcen und politischer Macht halten an und setzen die Zivilbevölkerung in mehreren Regionen einem zunehmenden Maß an Gewalt und Vertreibung aus.
Die Sicherheitslage in Somalia ist nach wie vor sehr instabil und schwer vorhersehbar. Die nichtstaatliche bewaffnete Gruppe al-Shabab stellt weiterhin die größte Sicherheitsbedrohung im Land dar, auch wenn der Islamische Staat Somalia in der halbautonomen Region Puntland zunehmend aktiv ist. Der IS in Somalia wurde im Oktober 2015 von einer Gruppe ehemaliger al-Shabab-Kämpfer gegründet.