Laut der jüngsten Integrierten Klassifizierung der Ernährungssicherheitsphase (IPC) sind 25,6 Millionen Menschen in der Demokratischen Republik Kongo (DRK, DR Kongo) nach wie vor von einer krisenhaften oder Notsituation der Ernährungsunsicherheit betroffen. In einer gemeinsamen Erklärung am Donnerstag warnten das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO), dass bewaffnete Gewalt, anhaltende Konflikte und steigende Lebensmittelpreise zu einer akuten Ernährungsunsicherheit bei Vertriebenen und Rückkehrern führen.
Zwar gibt es in der Demokratischen Republik Kongo ein hohes Maß an Hunger, doch verfügt sie über fruchtbares Land, reichlich Wasserressourcen und die Fähigkeit, sich selbst mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Eine Reihe von Faktoren wie die Eskalation der Konflikte im Osten der DRK, die Auswirkungen des Klimawandels (z. B. Überschwemmungen), Epidemien und fehlende Investitionen in die ländliche Entwicklung hindern das Land jedoch daran, eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung zu erreichen.
„Die IPC-Zahlen sprechen für sich. Wir müssen handeln und dafür sorgen, dass die Unterstützung für den Lebensunterhalt auf der richtigen Ebene erfolgt“, sagte der FAO-Vertreter Aristide Ongone Obame.
„Die FAO setzt sich dafür ein, die Widerstandsfähigkeit von Haushalten, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, durch gezielte Maßnahmen zu stärken, die die Auswirkungen des Klimawandels in den Sektoren Landwirtschaft, Fischerei und Viehzucht berücksichtigen.“
Nach Angaben des FEWS NET (Famine Early Warning Systems Network) werden zwischen Oktober und Dezember dieses Jahres wahrscheinlich zwischen 14 und 15 Millionen Menschen in der DR Kongo Nahrungsmittelhilfe benötigen, hauptsächlich aufgrund der kombinierten Auswirkungen von Konfliktverschärfung, saisonalen Überschwemmungen und wirtschaftlicher Instabilität.
Während die Ernährungsunsicherheit in der Demokratischen Republik Kongo insgesamt stagniert, hat sich die Lage in den östlichen Provinzen Ituri, Nord-Kivu und Süd-Kivu verschlimmert. Aufgrund der Konflikte und der anhaltenden Vertreibung wird erwartet, dass 6,2 Millionen Menschen von einer Hungerkrise oder einer Notsituation betroffen sein werden; Mitte 2024 waren es noch 5,4 Millionen.
Aufgrund schwerer Überschwemmungen ist Tanganyika - ebenfalls im Osten - jetzt die Provinz mit der größten Ernährungsunsicherheit in der DRK. Mit Stand vom 31. Oktober waren landesweit mindestens 1 Million Menschen von Überschwemmungen schwer getroffen.
Der Konflikt im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat die lebenswichtige landwirtschaftliche Produktion und den Ausbau der wichtigsten Infrastrukturen unterbrochen. Die Sicherheitslage ist nach wie vor besorgniserregend, da bewaffnete Gruppen die Auseinandersetzungen verschärfen und die humanitäre Lage noch verschlechtern. Angriffe auf die Zivilbevölkerung haben verheerende Folgen, darunter auch massive neue Vertreibungen.
Mit mehr als 7,3 Millionen Menschen, die über das ganze Land vertrieben wurden, die meisten von ihnen in den östlichen Provinzen, zählt die DRK heute zu den größten Binnenvertreibungskrisen der Welt. Mehr als 1,1 Millionen Flüchtlinge haben in den Nachbarländern Schutz gesucht.
Die UN-Organisationen sprechen von einer Krise, die durch die wechselnde Dynamik bewaffneter Gruppen und den Kampf um Ressourcen angeheizt und durch tief verwurzelte geopolitische Spannungen noch verschärft wird. Infolgedessen sind in den drei östlichen Provinzen Ituri, Nord-Kivu und Süd-Kivu inzwischen mehr als 6,5 Millionen Menschen auf der Flucht.
Die Auswirkungen der Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo sind mit hohen Kosten verbunden. Nach Angaben der Vereinten Nationen ist das Land mit einer doppelten humanitären Krise konfrontiert: einer Binnenvertreibungskrise und einer Ernährungskrise. Nahezu 4,5 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind akut unterernährt, wobei etwa 1,4 Millionen Kinder an schwerer akuter Unterernährung (SAM) leiden.
„Im Jahr 2025 müssen wir mehr für die Widerstandsfähigkeit und die Stärkung der Nahrungsmittelsysteme in der DRK tun, um Familien aus dem Hunger zu helfen“, sagte Peter Musoko, WFP-Länderdirektor in der DRK.
"In einem so fragilen Kontext sind die Kosten der Untätigkeit wirklich unvorstellbar. Wir müssen mit der Regierung und der humanitären Gemeinschaft zusammenarbeiten, um mehr Mittel für diese vernachlässigte Krise bereitzustellen."
Obwohl der Bedarf die verfügbaren Mittel übersteigt, hat das WFP nach eigenen Angaben allein im Oktober 1,95 Millionen Menschen erreicht. Da der Bedarf an humanitärer Hilfe weiter steigt, sieht sich die UN-Organisation jedoch mit einer kritischen Finanzierungslücke von 350 Millionen US-Dollar in den nächsten sechs Monaten konfrontiert, um den am stärksten gefährdeten Menschen lebenswichtige Nahrungsmittel- und Ernährungshilfe zukommen zu lassen.
Im Jahr 2024 benötigt die FAO 233,9 Millionen US-Dollar für ihre Hilfe in der DRK. Bis Ende September hatte die FAO 3,0 Millionen Menschen von den geplanten 3,6 Millionen unterstützt und benötigt mehr Mittel, um die aktuelle Lücke zu schließen.
Die langwierige humanitäre Krise in der DR Kongo wurde von Gebern, Medien und Politikern weitgehend vernachlässigt. Es werden dringend zusätzliche Mittel benötigt, um den humanitären Bedarf im Land zu decken. In ihrem Humanitären Reaktionsplan (HRP) für 2024 riefen die Vereinten Nationen zur Bereitstellung von 2,6 Milliarden US-Dollar auf, aber nur 48 Prozent dieses Betrags sind bisher eingegangen.
Derweil sind Kinder von der bewaffneten Gewalt in den östlichen Provinzen besonders betroffen. In diesem Zusammenhang warnten die Vereinten Nationen am Donnerstag, dass Kinder in der DR Kongo nach wie vor durch den Konflikt stark gefährdet seien und mit einer Zunahme schwerer Menschenrechtsverletzungen zu kämpfen hätten.
Laut dem jüngsten Bericht des UN-Generalsekretärs über Kinder und bewaffnete Konflikte in der Demokratischen Republik Kongo, der den Zeitraum von April 2022 bis März 2024 abdeckt, ist die Zahl der verifizierten Verstöße im Vergleich zum vorangegangenen Zeitraum um 8 Prozent gestiegen, wobei Rekrutierung und Einsatz, Entführung sowie Tötung und Verstümmelung von Kindern die häufigsten Verstöße sind.
„Ich bin entsetzt über die starke Zunahme der Tötung und Verstümmelung von Kindern bei Militäroperationen, Zusammenstößen zwischen Parteien, Angriffen auf zivile Gemeinschaften und im Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt, die alle einen hohen Tribut von Kindern fordern“, sagte Virginia Gamba, die Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für Kinder und bewaffnete Konflikte, am Donnerstag.
„Ich appelliere an alle Parteien, von gezielten Angriffen auf Kinder und Zivilisten im Allgemeinen abzusehen und alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Zivilbevölkerung zu minimieren, unter anderem durch den Verzicht auf den Einsatz von Explosivwaffen in bewohnten Gebieten.“
Gamba warnte, dass dieser Anstieg vor dem Hintergrund des Rückzugs der UN-Friedensmission (MONUSCO) in einigen Gebieten des Landes besonders besorgniserregend sei und unterstrich, wie wichtig es sei, für ausreichende Mittel zu sorgen, um die Bemühungen zum Schutz der Kinder fortzusetzen.
Die DR Kongo ist nach wie vor einer der gefährlichsten Orte der Welt für Kinder. Im Berichtszeitraum wurden 8.208 schwere Verstöße gegen 6.196 Kinder festgestellt. Bewaffnete Gruppen waren für 98 Prozent dieser Verstöße verantwortlich, wobei die Provinzen Nord- und Süd-Kivu die Epizentren der Gewalt blieben.
Die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern ist nach wie vor der häufigste Tatbestand: 4.006 Kinder wurden in die Reihen der bewaffneten Gruppen zwangsrekrutiert, häufig durch Entführung. Die Zahl der Entführungen belief sich auf insgesamt 2.028, was einen deutlichen Anstieg gegenüber dem vorangegangenen Berichtszeitraum darstellt, wobei die Kinder häufig weiteren Verstößen ausgesetzt waren, darunter sexuelle Gewalt oder die Teilnahme an Kampfhandlungen.
Der UN-Bericht zeigt auch einen starken Anstieg der Opfer unter Kindern: 1.298 Kinder wurden getötet oder verstümmelt, da sich der Konflikt in den östlichen Provinzen, insbesondere in Nord-Kivu und Ituri, deutlich verschärft hat. Massaker, Vertreibungen und Angriffe auf die zivile Infrastruktur haben zugenommen, insbesondere in Gebieten, die von bewaffneten Gruppen wie M23 und CODECO kontrolliert werden.
Die DRK steht vor zusätzlichen Herausforderungen, darunter ein Anstieg der Mpox-Fälle und Todesfälle. Das zentralafrikanische Land ist das Epizentrum der Epidemie und verzeichnet 80 Prozent aller im Labor bestätigten Fälle und Todesfälle auf dem Kontinent. Mpox-Fälle treten in allen Provinzen der Demokratischen Republik Kongo auf, wobei mehrere Ausbrüche gleichzeitig in endemischen und nicht endemischen Provinzen zu verzeichnen sind.
Mpox wird zwar in erster Linie durch engen körperlichen Kontakt verbreitet, kann aber jeden treffen. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) besteht für gefährdete Bevölkerungsgruppen ein erhöhtes Risiko einer Infektion und schweren Erkrankung.
Die grenzüberschreitende Übertragung aus den vom Krieg zerrütteten östlichen Provinzen Nord- und Süd-Kivu in die Nachbarländer nimmt zu, insbesondere nach Burundi, aber auch nach Ruanda, Uganda und Kenia.
Weitere Informationen zum Thema
Vollständiger Text: Keine Linderung der Ernährungsunsicherheit in der Demokratischen Republik Kongo, da weiterhin ein Viertel der Bevölkerung von Hunger betroffen ist, FAO, WFP, gemeinsame Pressemitteilung, veröffentlicht am 21. November 2024 (in Englisch)
https://www.wfp.org/news/no-relief-food-insecurity-democratic-republic-congo-quarter-population-continue-face-hunger
Vollständiger Text: DRK: Tausende Kinder sehen sich inmitten eines sich verschärfenden Konflikts mit eskalierender Gewalt und Ausbeutung konfrontiert, Büro der Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für Kinder in bewaffneten Konflikten, veröffentlicht am 21. November 2024 (in Englisch)
https://childrenandarmedconflict.un.org/2024/11/drc-thousands-of-children-face-escalating-violence-and-exploitation-amid-intensifying-conflict/