Angesichts der Eskalation der Feindseligkeiten in Myanmar, die durch einen Militärputsch im Jahr 2021 ausgelöst wurden, und der Tatsache, dass Millionen von Menschen in eine sich verschärfende humanitäre Krise geraten sind, forderte UN-Generalsekretär António Guterres am Freitag die Nachbarn des Landes auf, „ihren Einfluss geltend zu machen“, um Frieden und eine politische Lösung zu erreichen. Unterdessen leiden schätzungsweise eine Million Menschen in Myanmar unter den Folgen der jüngsten verheerenden Überschwemmungen.
„Die humanitäre Lage verschlechtert sich zusehends. Ein Drittel der Bevölkerung benötigt dringend humanitäre Hilfe. Millionen Menschen mussten aus ihren Häusern fliehen“, sagte Guterres heute auf einem Gipfel der Vereinigung Südostasiatischer Nationen (ASEAN) in Vientiane, Laos.
In Myanmar benötigen 18,6 Millionen Menschen humanitäre Hilfe – die fünftgrößte Zahl weltweit. 6 Millionen von ihnen sind Kinder. Mehr als 3 Millionen Menschen sind im ganzen Land vertrieben, hauptsächlich aufgrund von bewaffneten Konflikten. Seit Anfang September sind 1 Million Menschen – viele von ihnen bereits Binnenvertriebene – auch von sintflutartigen Monsunregenfällen und den Folgen des Taifuns Yagi betroffen.
Der Generalsekretär sagte, dass sieben Jahre nach der erzwungenen Massenvertreibung der Rohingya „dauerhafte Lösungen in weiter Ferne zu liegen scheinen“.
Im Jahr 2017 flohen mehr als 700.000 Rohingya nach einer Kampagne von Massengräueltaten der myanmarischen Sicherheitskräfte im Bundesstaat Rakhine in das Nachbarland Bangladesch. Sie schlossen sich Hunderttausenden anderer Rohingya an, die zuvor im Land Zuflucht gesucht hatten.
In Bangladesch leben fast eine Million Rohingya-Flüchtlinge in Lagern in einer Küstenregion am Golf von Bengalen, die extrem anfällig für Wirbelstürme, Überschwemmungen, Erdrutsche, Brände und die Auswirkungen des Klimawandels ist.
Gleichzeitig sieht sich die ethnische Minderheit der Rohingya in Myanmar einer weiteren Welle tödlicher Gewalt ausgesetzt. Diesmal sollen die Täter jedoch sowohl die Arakan Army (AA), eine von mehreren ethnischen Gruppen, die gegen die herrschende Junta des Landes kämpfen, als auch die Sicherheitskräfte Myanmars sein.
„Ich unterstütze eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen dem UN-Sondergesandten und dem ASEAN-Vorsitz bei der Suche nach innovativen Wegen zur Förderung eines von Myanmar geführten Prozesses, unter anderem durch die wirksame und umfassende Umsetzung des ASEAN-Fünf-Punkte-Konsenses und darüber hinaus“, sagte Guterres.
„Die Menschen in Myanmar brauchen Frieden. Und ich rufe alle Länder auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um eine umfassende politische Lösung des Konflikts zu erreichen und die friedliche Zukunft zu schaffen, die die Menschen in Myanmar verdienen.“
Myanmar ist in einen blutigen Bürgerkrieg verwickelt, der seit 2021, als das Militär des Landes durch einen Putsch die Macht übernahm, Tausende Zivilisten das Leben gekostet hat. In den vergangenen Monaten hat eine Koalition ethnischer Rebellengruppen, darunter die AA, ihre Offensive zur Entmachtung der Junta verstärkt.
Im Nordwesten, Nordosten, Südosten und im Bundesstaat Rakhine dauert der bewaffnete Konflikt an, der Zivilisten aus ihren Häusern vertreibt und zu Todesopfern und Verletzungen führt.
Der Appell des UN-Generalsekretärs auf dem ASEAN-UN-Gipfel erfolgt, während das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) warnt, dass Millionen von Menschen in ganz Myanmar weiterhin in akuter Not sind. Ihre Notlage wurde durch sintflutartige Regenfälle und katastrophale Überschwemmungen verschärft, derweil es an humanitärem Zugang mangelt und die Hilfsgelder nicht ausreichen.
Während die Zivilbevölkerung weiterhin den Gefahren der sich ausweitenden Konflikte ausgesetzt ist, leiden nach Schätzungen von humanitären Helfern etwa eine Million Menschen unter den Folgen der verheerenden Überschwemmungen. Seit dem 9. September wurden 70 der 330 Gemeinden des Landes durch sintflutartige Monsunregenfälle und die Überreste des Taifuns Yagi überschwemmt. Die Überflutungen haben erhebliche Schäden verursacht, insbesondere im Nordwesten, Südosten und im Bundesstaat Rakhine.
OCHA-Sprecher Jens Laerke berichtete am Freitag vor Journalisten in Genf, dass die Überschwemmungen viele Todesopfer gefordert haben. In mehreren Regionen seien mehr als 360 Menschen getötet und viele weitere verletzt worden. Die Fluten haben Ernten, Ackerland und Viehbestände vernichtet und die Lebensgrundlage gefährdeter Gemeinden zerstört.
Während örtliche Freiwillige die Gebiete säuberten, in denen das Hochwasser zurückgegangen war, drohten anhaltende Regenfälle und angeschwollene Flüsse weitere Überschwemmungen, sagte er.
Laut OCHA besteht in allen betroffenen Gebieten dringender Bedarf an sicherem Trinkwasser, Hygieneartikeln, Medikamenten, Nahrungsmitteln, Unterkünften und humanitärer Bargeldhilfe. Die anhaltenden Überschwemmungen werden wahrscheinlich die Ausbreitung von durch Wasser übertragenen Krankheiten verschärfen und den Bedarf an dringenden Gesundheits-, Ernährungs- und WASH-Diensten (Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene) erhöhen.
Akuter wässriger Durchfall, Dengue-Fieber, Malaria, Cholera und Masern bedrohen bereits jetzt Kinder in Myanmar.
Laerke sagte, dass die bisherigen Maßnahmen die Bereitstellung von Nahrungsmitteln für mehr als 150.000 Menschen im Südosten, Nordwesten und im Bundesstaat Rakhine umfassten, wobei geplant sei, weitere 73.000 Menschen im Südosten zu erreichen. Mehr als 80.000 Menschen im Nordwesten haben Hilfe in den Bereichen Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene erhalten, und Tausende weitere haben Unterkünfte, Non-Food-Artikel, Lehrmaterialien und andere Arten von Hilfe erhalten.
Um die Nothilfe auszuweiten, hatte die amtierende Nothilfekoordinatorin Joyce Msuya am 30. September 4 Millionen US-Dollar aus dem Central Emergency Response Fund (CERF) der Vereinten Nationen bereitgestellt. Geber haben weitere 3 Millionen US-Dollar an Unterstützung zugesagt.
Allerdings werden humanitäre Organisationen, die den von Überschwemmungen und Konflikten betroffenen Menschen helfen wollen, durch beschädigte Straßen und Brücken, von Konfliktparteien auferlegte Beschränkungen, Gewalt und eine gravierende Unterfinanzierung behindert.
Der 994 Millionen US-Dollar umfassende Humanitäre Bedarfs- und Reaktionsplan (HNRP) ist derzeit nur zu 29 Prozent finanziert, wobei 284 Millionen US-Dollar eingegangen sind. Laut OCHA werden dringend mehr Finanzmittel benötigt, damit die Partnerorganisationen auf den steigenden Bedarf reagieren können.
Zudem nimmt der Hunger im ganzen Land zu. Schätzungen zufolge werden 2024 etwa 12,9 Millionen Menschen – fast 25 Prozent der Bevölkerung – von Ernährungsunsicherheit betroffen sein, wobei das Risiko der Unterernährung insbesondere bei Kindern und Schwangeren steigt.
Das Gesundheitssystem ist in einem desolaten Zustand und die Grundmedikamente gehen zur Neige. Allein in diesem Jahr werden schätzungsweise 12 Millionen Menschen in Myanmar dringend medizinische Nothilfe benötigen.