Kinder, Flüchtlinge und Vertriebene auf der ganzen Welt zahlen den Preis für die Finanzierungskrise, die den internationalen Hilfssektor erfasst hat und durch radikale Kürzungen in Washington noch viel schlimmer geworden ist, warnten das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) und das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am Freitag. Brutale Mittelkürzungen im humanitären Sektor gefährden Millionen von Menschenleben, wobei die Folgen für die Schwächsten unmittelbar und verheerend sind.
„Seit dem Jahr 2000 ist die Zahl der Kinder mit Wachstumsstörungen um 55 Millionen oder ein Drittel zurückgegangen. Im Jahr 2024 erreichten UNICEF und unsere Partner 441 Millionen Kinder unter fünf Jahren mit Maßnahmen zur Vorbeugung aller Formen von Mangelernährung, während 9,3 Millionen Kinder wegen schwerer Auszehrung und anderer Formen schwerer akuter Mangelernährung behandelt wurden“, sagte Kitty van der Heijden, stellvertretende Exekutivdirektorin von UNICEF, vor Journalisten in Genf.
Die Partner von UNICEF im staatlichen, philanthropischen und zivilgesellschaftlichen Sektor spielen eine entscheidende Rolle bei der weltweiten Prävention und Behandlung von Unterernährung bei Kindern, betonte sie.
„Heute werden diese hart erkämpften Erfolge zunichte gemacht, weil humanitäre Partner und Ernährungspartner mit einer anderen, sich verschärfenden Krise konfrontiert sind – nämlich dem starken Rückgang der finanziellen Unterstützung für unsere lebensrettende Arbeit“, sagte van der Heijden, die per Videokonferenz aus Abuja, Nigeria, zugeschaltet war.
Die Entscheidungen seien „plötzlich und ohne Vorwarnung getroffen worden, sodass wir keine Zeit hatten, ihre Auswirkungen auf unsere Programme für Kinder abzumildern“, fügte sie hinzu, und zu allem Übel hätten mehrere Geber gleichzeitig ihre Hilfe gekürzt.
Diese Kürzungen hätten keine abstrakten Folgen, sondern echte Auswirkungen auf echte Kinder, hier und jetzt.
„Anfang dieser Woche habe ich die Folgen der Finanzierungskrise bei einem Besuch in der Afar-Region im Norden Äthiopiens und in Maiduguri im Nordosten Nigerias mit eigenen Augen gesehen“, sagte sie.
Nur 7 der 30 von UNICEF unterstützten mobilen Gesundheits- und Ernährungseinheiten in Afar sind derzeit einsatzbereit, was eine direkte Folge der globalen Finanzierungskrise ist.
„Aufgrund von Finanzierungslücken in beiden Ländern könnten im Laufe des Jahres fast 1,3 Millionen Kinder unter fünf Jahren, die an schwerer akuter Unterernährung leiden, den Zugang zu Behandlungen verlieren – was sie einem erhöhten Sterberisiko aussetzt“, sagte van der Heijden.
Ohne neue Finanzmittel würden UNICEF im Mai keine lebensrettenden Behandlungen mehr zur Verfügung stehen, was für 75.000 Kinder möglicherweise verheerende Folgen hätte. In Nigeria hingegen benötigten jeden Monat 80.000 Kinder eine solche Unterstützung, und die Vorräte könnten jederzeit zwischen jetzt und Mai zur Neige gehen.
Van der Heijden betonte, wie wichtig eine frühzeitige Unterstützung sei, nicht allein die Behandlung der akuten Folgen von Mangelernährung, und fügte hinzu, dass die größte unmittelbare Sorge darin bestehe, dass selbst eine kurze Unterbrechung kritischer lebensrettender Maßnahmen das Leben von Millionen von Kindern gefährde.
UNICEF schätzt, dass im Jahr 2025 mehr als 213 Millionen Kinder in 146 Ländern und Gebieten humanitäre Hilfe benötigen werden. Insgesamt benötigen in diesem Jahr weltweit etwa 307 Millionen Menschen humanitäre Unterstützung.
Auf Fragen von Journalisten antwortete die UNICEF-Vertreterin, dass Regierungen Entscheidungen über Kürzungen von Hilfsleistungen träfen und diese dann wieder änderten, was es schwierig mache, genaue Sterblichkeitszahlen zu erhalten, die wahrscheinlich steigen würden, wenn die angekündigten Kürzungen in Kraft blieben.
UNICEF ruft alle Akteure, Regierungen auf der ganzen Welt, aber auch philanthropische Organisationen, den Privatsektor und Einzelpersonen dazu auf, die Bemühungen zu unterstützen.
UNHCR kürzt Einsätze und Programme aufgrund von Finanzierungskrise
Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen befindet sich in einer ähnlichen Situation und hat ebenfalls Kürzungen bei seinen Einsätzen und Programmen angekündigt, nachdem die US-Regierung eine radikale Kürzung der Hilfsgelder vorgenommen hat.
„Unsere größte Sorge gilt natürlich den Flüchtlingen und Vertriebenen, die die Hauptleidtragenden dieser Kürzungen sein werden“, sagte Matthew Saltmarsh, Sprecher des UNHCR, in Genf.
Er sagte, dass die Auswirkungen der Kürzungen bereits weltweit zu spüren seien, unter anderem im Südsudan, wo 80.000 Menschen keinen Zugang mehr zu psychosozialer Nothilfe haben, und in Cox's Bazar, Bangladesch, wo bis zu eine Million Rohingya-Flüchtlinge dringend Hilfe benötigen.
Das UNHCR bemüht sich nun sowohl um eine Erhöhung der Zuwendungen von bestehenden Geldgebern als auch um die Erschließung neuer Finanzierungsquellen. Saltmarsh betonte, dass es wichtig sei, dass Einzelpersonen, der Privatsektor und Regierungen aus der ganzen Welt sich stärker engagieren, um die Auswirkungen der US-Kürzungen zu minimieren.
In einer Stellungnahme am Donnerstag warnte sein Chef Filippo Grandi, der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen, dass „brutale Mittelkürzungen im humanitären Sektor Millionen von Menschenleben gefährden“.
Grandi erklärte, dass die Folgen für Menschen, die vor Gefahren fliehen, unmittelbar und verheerend sein werden, wobei Flüchtlingsfrauen und -mädchen einem extremen Risiko von Vergewaltigung und anderem Missbrauch ausgesetzt sind und bereits den Zugang zu Hilfsdiensten verlieren, die sie bisher geschützt haben.
„Kinder werden ohne Lehrer oder Schulen zurückgelassen, was sie in die Kinderarbeit, den Menschenhandel oder die frühe Heirat treibt. Flüchtlingsgemeinschaften werden weniger Unterkünfte, Wasser und Nahrung haben“, fügte er hinzu.
Der UNHCR-Chef wies darauf hin, dass die meisten Flüchtlinge in der Nähe ihrer Heimat bleiben, und betonte, dass „eine drastische Kürzung der Hilfe die Welt unsicherer machen und mehr verzweifelte Menschen dazu bringen wird, zu Flüchtlingen zu werden oder sich weiter auf den Weg zu machen“.
„Dies ist nicht nur ein Finanzierungsengpass – es ist eine Krise der Verantwortung. Die Kosten der Untätigkeit werden in Leid, Instabilität und verlorenen Zukunftsperspektiven gemessen werden“, sagte Grandi.
Globale humanitäre Finanzierung schrumpft drastisch
Die weltweiten humanitären Mittel brechen 2025 ein, was hauptsächlich auf die extremen Mittelkürzungen der Vereinigten Staaten, aber auch anderer wichtiger Geber wie Großbritannien und Deutschland zurückzuführen ist. Während die Mittel seit 2022 trotz steigender Bedarfe zurückgehen, wird erwartet, dass das diesjährige Niveau nach den grausamen Kürzungen durch die neue US-Regierung auf ein Rekordtief sinken wird.
Schon vor den jüngsten Entwicklungen in Washington stand das globale humanitäre System vor einer massiven Finanzierungskrise, nachdem der Bedarf an Nothilfe über Jahre hinweg gestiegen war und die Geber nicht in der Lage oder nicht willens waren, auf Millionen von Frauen, Kindern und Männern in Not zu reagieren.
Jetzt beginnen die drastischen Kürzungen der humanitären Mittel durch die Vereinigten Staaten weltweit verheerende Auswirkungen zu haben, gefährden Millionen von Menschenleben und führen dazu, dass zig Millionen Menschen keinen Zugang zu der Hilfe haben, die sie dringend benötigen.
Die angekündigten radikalen Kürzungen der Finanzmittel kommen zu einer Zeit, in der sich die globalen Krisen verschärfen und Millionen von Menschen von Hunger, Krankheit und Vertreibung bedroht sind. Die Aussetzung der humanitären Hilfe bedeutet einen scharfen Bruch von Jahrzehnten amerikanischer Außenpolitik.
Über Jahre hinweg waren die Vereinigten Staaten der größte Einzelgeber für humanitäre Hilfe, gefolgt von der Europäischen Union als Ganzes und Deutschland im Besonderen. Im vergangenen Jahr entfielen mehr als 40 Prozent der von den Vereinten Nationen erfassten globalen humanitären Mittel auf die USA.
Im Gegensatz dazu stellte Deutschland als zweitgrößter Einzelgeber 2,7 Milliarden US-Dollar bereit, was etwa 8 Prozent der weltweiten Mittel entspricht. Die Europäische Kommission, das ausführende Organ der Europäischen Union, trug ebenfalls etwa 2,7 Milliarden US-Dollar bei, was ebenfalls etwa 8 Prozent entspricht.
Seit Februar versucht die US-Regierung, die Behörde für internationale Entwicklung der Vereinigten Staaten (US Agency for International Development, USAID), die weltweit größte staatliche Organisation für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe, zu zerschlagen.
Dieser Schritt erfolgte Wochen, nachdem die neue US-Regierung im Rahmen einer „Überprüfung“ die US-Auslandshilfe fast vollständig eingestellt hatte, was sich auf die USAID-Operationen und die vom US-Außenministerium finanzierte Auslandshilfe erstreckte, mit einigen vagen Ausnahmen für bestimmte humanitäre Finanzierungen.
Kürzungen treffen auch kritische humanitäre Hilfe in der DR Kongo
Am Freitag warnte das UNHCR außerdem, dass kritische Finanzierungslücken die humanitären Bemühungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo) stark behindern, Tausende ohne lebensrettende Hilfe zurücklassen und „eine bereits veheerende humanitäre Lage noch näher an eine Katastrophe bringen“.
In weniger als drei Monaten ist die Zahl der Kongolesen, die in die Nachbarländer geflohen sind, auf über 100.000 gestiegen.
Die anhaltenden Feindseligkeiten in der Provinz Nord-Kivu, insbesondere in den Territorien Masisi und Walikale, sowie die äußerst instabile Sicherheitslage in der Stadt Bukavu und den umliegenden Gebieten in der Provinz Süd-Kivu haben Hunderttausende Zivilisten zur Flucht gezwungen.
„Finanzielle Engpässe haben eine angemessene Notfallreaktion durch das UNHCR [...], die Zivilgesellschaft und die lokale Regierung nahezu unmöglich gemacht und den Bau von Unterkünften sowie die Verteilung von lebensnotwendigen Gütern wie Decken, Moskitonetzen, Menstruationsartikeln und Seife behindert“, sagte UNHCR-Sprecherin Eujin Byun.
In und um die Stadt Goma in Nord-Kivu wurden alle Unterkünfte, in denen zuvor 400.000 Binnenvertriebene lebten, zerstört, sodass die Familien ohne Unterkunft und Schutz zurückgelassen worden sind.
„Die Lage in den Nachbarländern Uganda und Burundi ist fast genauso schlimm. Seit Januar dieses Jahres sind mehr als 28.000 kongolesische Flüchtlinge nach Uganda gekommen – eine Zunahme von 500 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres. Bis Ende dieses Monats werden weitere 10.000 Menschen erwartet“, so Byun.
Berichte von Neuankömmlingen deuten auf eine verzweifelte Flucht vor bewaffneten Konflikten und schrecklichen Menschenrechtsverletzungen hin. Die meisten Aufnahme- und Durchgangszentren in Uganda beherbergen derzeit siebenmal mehr Menschen als ihre Kapazität zulässt, und es mangelt an ausreichend Wasser, sanitären Einrichtungen und Unterkünften.
„Durch die Mittelkürzungen sind die Gesundheitszentren überlastet, und die Unterernährung von Kindern nimmt aufgrund der Schließung von Ernährungszentren in den Gebieten, in denen die Neuankömmlinge untergebracht sind, rapide zu“, fügte sie hinzu.
Weitere Informationen
Vollständiger Text: Kitty van der Heijden, stellvertretende Exekutivdirektorin von UNICEF, Palais-Briefing zu Äthiopien, Nigeria und der globalen Finanzierungskrise, UNICEF, Stellungnahme, veröffentlicht am 21. März 2025 (in Englisch)
https://www.unicef.org/press-releases/unicef-deputy-executive-director-kitty-van-der-heijden-palais-briefing-ethiopia
Vollständiger Text: UNHCR: Die Krise in der DR Kongo verschärft sich, während die Kürzung der Mittel die kritische humanitäre Hilfe trifft, UNHCR, Briefingnotizen, veröffentlicht am 21. März 2025 (in Englisch)
https://www.unhcr.org/news/briefing-notes/unhcr-dr-congo-crisis-deepens-funding-cuts-hit-critical-humanitarian-aid
Vollständiger Text: Erklärung von Filippo Grandi, UNHCR, zu den Auswirkungen globaler Kürzungen der Hilfsgelder auf Flüchtlinge, Erklärung, Filippo Grandi, UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, veröffentlicht am 20. März 2025 (in Englisch)
https://www.unhcr.org/news/press-releases/statement-unhcr-s-filippo-grandi-impact-global-aid-cuts-refugees